Facebook-Chef vor Europaparlament:Demokratie nach Zuckerbergs Geschmack

In einer absurden Anhörung führt der Facebook-Chef die Abgeordneten des Europäischen Parlaments vor - weil die sich auf ein Format eingelassen haben, das echte Kontrolle unmöglich macht. Immerhin hat es die EU geschafft, Facebook zu ärgern.

Kommentar von Jannis Brühl

Was kann die Politik ausrichten gegen solch einen Konzern? Was kann sie tun gegen einen Datensammler, der mehr als zwei Milliarden Menschen und Millionen großer und kleiner Unternehmen zu seinen Mitgliedern zählt? Als amerikanische Abgeordnete vor ein paar Wochen Facebook-Chef Mark Zuckerberg im Kongress ausquetschten, zeigte sich, dass sie noch nicht einmal die Technologie verstanden hatten, deren Auswirkungen sie regulieren sollen.

Wenn Datenschutz im digitalen 21. Jahrhundert ein ernst zu nehmender Grundwert ist, dann ist das kein amerikanisches, sondern ein europäisches Verdienst. Die 377 Millionen europäischen Nutzer verdienen Antworten auf die Fragen: Wie ernst meint es Facebook mit der Einhaltung der neuen EU-Datenschutzregeln? Wie geht Facebook mit den "Schattenprofilen" um, die es über Bürger anlegt, die nicht einmal Mitglieder in seinem Netzwerk sind? Wie will Facebook europäische Wahlkämpfe vor Desinformation durch Akteure unter falscher Flagge schützen?

Zuckerberg hielt eine PR-Rede voller Phrasen

Am Dienstagabend hätten die Bürger Antworten bekommen können, und die Europaabgeordneten fragten ihren Gast Zuckerberg auch wesentlich schärfer als ihre US-Kollegen. Doch der Parlamentspräsident hatte für die Anhörung ein Format zugelassen, das echte demokratische Kontrolle verhinderte.

Einer nach dem anderen und in gefühlter Zeitlupe stellten Fraktionsführer und Fachabgeordnete Fragen, um dann Zuckerberg unter Zeitdruck alle auf einen Schlag beantworten zu lassen. Das ermöglichte ihm eine PR-Rede voller Phrasen. Da keine Nachfragen möglich waren, blieb als letztes Bild eines im Gedächtnis, das der Milliardär selbst in die Runde geworfen hatte: Das vom einfachen College-Studenten, der in seinem Wohnheim eine tolle Geschäftsidee hat.

Das Europäische Parlament wollte dem Silicon Valley seine Stärke zeigen und ist gescheitert. Zurück bleibt der Eindruck, dass es nicht fähig ist, einen Konzern wie Facebook zur Rechenschaft zu ziehen. Das ist umso tragischer, als es trotz des verheerenden Eindrucks vom Dienstag ja Fortschritt gibt: Dass Zuckerberg sich überhaupt herabgelassen hat, nach Brüssel zu reisen, hat auch damit zu tun, dass Parlament und Kommission ihm längst wehgetan haben.

Die EU kann Facebook und Google zähmen

Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird diese Woche in Kraft treten - und zwar auch dank der engagierten Abgeordneten in Brüssel. Von Freitag an müssen Unternehmen die neuen strengen Bestimmungen erfüllen, oder es drohen hohe Strafen. Trotz aller Schwächen ist die neue Regelung der beste Schutzschirm für die Privatsphäre von Bürgern, den es je gab. Facebook hat seinen Datenschutz schon umgebaut.

Tatsächlich haben die europäischen Abgeordneten und die EU den Schlüssel in der Hand, wenn es darum geht, Facebook und Google weltweit zu zähmen. Nur die EU verdonnerte bisher Internetkonzerne zu schmerzhaften, milliardenschweren Strafen: Google wegen seiner Benachteiligung anderer Online-Händler und , Apple wegen seiner Steuertricks in Irland.

Vor Gericht können Konzerne keine Show abziehen

Schwellenländer, in denen IT-Konzerne Behörden bislang überrollt haben, schauen nach Europa und versuchen, die hiesigen Schutzmechanismen zu importieren. Das ist auch eine Machtdemonstration der Europäischen Union im digitalen Raum: Andere Staaten wollen ihre Beziehungen zur EU nicht gefährden; Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, verlieren Zugang zu europäischen Kunden.

In den nächsten Monaten müssen nun die nationalen Datenschützer die neuen europäischen Regeln notfalls auch vor Gericht durchsetzen - mit Augenmaß, damit kleine Unternehmen nicht mehr leiden als Google und Facebook. Im Gerichtssaal können Konzerne keine solche Show abziehen wie Zuckerberg vor den Abgeordneten.

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