SZ-Datenanalyse:Auch AfD-Anhänger liken "Mainstream-Medien"

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Medien werden heute zu jeder Tageszeit konsumiert.

(Foto: dpa; Bearbeitung SZ)
  • Etwa ein halbes Dutzend Medien sammelt Likes von Facebook-Fans aller großen Parteien mit Ausnahme der AfD.
  • Drei große Nachrichtenportale gefallen auch AfD-Sympathisanten: Welt, Huffington Post und Focus Online.
  • Auf die Satire des Postillon und der Heute-Show können sich alle von Linkspartei bis CSU einigen. Nur aus dem AfD-Milieu kommen keine Likes.

Von Simon Hurtz

Lachen verbindet. Alt und Jung, Arm und Reich und sogar rechts und links. Zweieinhalb Millionen Menschen gefällt der Postillon auf Facebook, die Heute-Show hat mehr als eine Million Likes gesammelt. Die Fans der Satire-Seiten stammen aus fast allen politischen Milieus. Von Linkspartei bis CSU sind sämtliche großen Parteien dabei. Nur eine fehlt: die AfD. Das geht aus mehr als einer Million öffentlicher Facebook-Likes hervor, die SZ.de in den vergangenen Monaten ausgewertet hat.

Damit stehen die Facebook-Auftritte der beiden Satire-Teams stellvertretend für eine ganze Reihe an Medien. So wenig die Satire des Postillon auf den ersten Blick mit dem Nachrichtenjournalismus von Spiegel Online oder der Tagesschau zu tun hat - sie eint, dass sie Zuspruch von Sympathisanten aller Parteien mit Ausnahme der AfD finden.

SZ-Exklusiv: Der Facebook-Faktor

2017 findet der Wahlkampf auch auf Facebook statt. Wie wird im sozialen Netzwerk Politik gemacht? Und wie wird das die Bundestagswahl beeinflussen? Eine große SZ-Datenrecherche hat Antworten in einer Million Likes gefunden. Lesen Sie hier alle Texte zum Thema.

Ein halbes Dutzend Medien vereint Linkspartei mit CSU

Das ist nur folgerichtig: Die Rechtspopulisten inszenieren sich gerne als Partei, die radikal mit dem sogenannten Mainstream bricht, vermeintliche Wahrheiten ausspricht und Dinge beim Namen nennt, die man angeblich nicht sagen dürfe. Insofern liegt es nahe, dass ihre Unterstützer um viele Medien einen Bogen machen, auf die sich Linke, Grüne, SPD-, FDP, CDU- und CSU-Anhänger einigen können:

Neben den genannten Seiten verbinden auch ZDF Heute, Stern und Süddeutsche Zeitung das politische Spektrum von Rot bis Schwarz. Lässt man die CSU als regionales Phänomen ohne bundesweite Relevanz außen vor, kommen noch Zeit Online und die Satiresendung Extra 3 hinzu. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Seiten sind gering: Facebook-Fans der Volksparteien liken häufig auch die Tagesschau und Spiegel Online, während Satire-Sendungen wie die Heute-Show besonders beliebt bei Facebook-Nutzern aus dem Linken- und Grünen-Milieu sind.

Demnach träfe zumindest auf Facebook zu, was die AfD immer behauptet: Es gibt tatsächlich einen politischen und medialen Mainstream. Selbsternannte Medienkritiker könnten schlussfolgern: Alle "Altparteien" sind austauschbar, und die "Systempresse" schreibt voneinander ab. Es ist aber auch eine andere Interpretation möglich: Selbst Medien, die vielen als linksliberal gelten, decken ein so großes Meinungsspektrum ab, dass sie von weiten Teilen der Gesellschaft als Informationsquellen genutzt werden.

"Lügenpresse"? Diese Medien gefallen auch AfD-Fans

Doch auch AfD-Sympathisanten liken längst nicht nur rechtsalternative Nischenmedien. Drei Facebook-Seiten großer deutscher Nachrichtenportale vereinen Nutzer aus allen politischen Milieus inklusive der AfD: Welt und Huffington Post sowie das Politik-Ressort von Focus Online. Dessen allgemeine Facebook-Seite fällt dagegen bei Grünen, Linken und Sozialdemokraten durch, ist im AfD-Lager aber außerordentlich beliebt.

Um herauszufinden, warum ausgerechnet diese Seiten so attraktiv für AfD-Anhänger sind, wäre eine wissenschaftliche Analyse der Inhalte nötig, die dort gepostet werden. Doch auch ohne jeden Link und jedes Foto auszuwerten, fällt auf, dass insbesondere Focus Online häufig Kommentare, Gastbeiträge oder Interviews verlinkt, die sich - vorsichtig ausgedrückt - kritisch mit Flüchtlingen und Zuwanderern, dem Islam, der Türkei und anderen Themen beschäftigen, mit denen die AfD besonders stark mobilisiert.

Die Teaser der Beiträge sind gerne zugespitzt, Berichte über Straftaten nennen die Herkunft der Tatverdächtigen teils schon in der Überschrift. Dementsprechend regelmäßig sammeln die Facebook-Posts dann auch ein paar hundert oder tausend wütende Reaktion und werden hundertfach geteilt und kommentiert. Auffallend oft finden sich diese Links in Timelines von AfD-Sympathisanten oder in offenen und geschlossenen Facebook-Gruppen mit eindeutig rechter bis rechtsextremer Ausrichtung.

Das deckt sich mit einer Auswertung von Facebook-Daten aus dem vergangenen Jahr: Die SZ hatte auf Grundlage von Datensätzen der Firma Storyclash analysiert, welche Artikel deutscher Medien am häufigsten in sozialen Netzwerken gelikt, geteilt und kommentiert werden. Damals fiel auf, dass insbesondere Focus Online auffallend oft mit Texten vertreten war, in denen die Zuwanderer als kriminell oder bedrohlich dargestellt wurden. Bei einer erneuten Analyse aktuellerer Daten für den Zündfunk Netzkongress im Oktober bestätigte sich das Ergebnis.

Die Netzdiagramme der großen Medien zeigen drei Facebook-Seiten mit Ausschlägen auf allen sieben politischen Achsen, etwa ein halbes Dutzend vereint die sechs etablierten Parteien von Linke bis CSU. Zusätzlich existieren mehrere Medien, deren Facebook-Fans sich in ihrer Affinität zu politischen Parteien nahezu exakt gleichen.

Das gilt vor allem für die beiden Fernsehsender N24 und n-tv sowie die Bild-Zeitung. Alle sind besonders bei Anhängern der Union beliebt, hinzu kommen SPD- und FDP-Sympathisanten. Nur Facebook-Fans von Grünen, Linken und der AfD ignorieren die drei Medien in seltener Einigkeit. In dieses Lager passt auch die Facebook-Seite der FAZ. Ihr Facebook-Publikum ähnelt mit Hinblick auf die politische Zusammensetzung dem von Bild, N24 und n-tv, mit dem Unterschied, dass die bürgerliche Tageszeitung auffallend vielen FDP-Unterstützern gefällt.

Die Öffentlich-Rechtlichen machen offenbar kein "linksgrünes" Programm

Insgesamt eignet sich der Datensatz der Facebook-Likes bestens, um Bauchgefühle zu überprüfen: Besucher von Spiegel Online, Zeit Online und SZ.de werden die AfD im September wohl kaum über die Fünf-Prozent-Hürde heben. Falls es eine schwarz-gelbe Koalition geben sollte, dürfen sich Union und FDP auch bei vielen FAZ-Lesern bedanken. Springers Aushängeschilder Bild und Welt sind die Medien des konservativ-bürgerlichen Milieus, während die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender keineswegs Programm nur für "Linksgrüne", wie ihnen aus dem AfD-Milieu vorgeworfen wird machen, sondern entsprechend ihrem Auftrag zumindest politisch einen breiten Querschnitt der Bevölkerung ansprechen.

Die Leitmedien der AfD-Anhänger entsprechen ebenfalls den Erwartungen: Neben Welt, Focus Online und Huffington Post finden sich dort die Junge Freiheit (ebenfalls beliebt bei CDU und CSU), The Epoch Times (CSU) oder RT Deutsch (was sie mit den Fans der Linken verbindet). Außerdem liken Fans der Rechtspopulisten häufig die Facebook-Seiten des Compact-Magazins, des Kopp-Verlags und den Blog Tichys Einblick - und immerhin diese Vorlieben müssen sie mit den Anhängern keiner anderen Partei teilen.

Dieser Beitrag ist Teil der großen Datenrecherche der SZ, in der wir die politische Macht auf Facebook analysiert haben. Lesen Sie:

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