EuGH-Urteil zu Suchergebnissen im Internet:"Google bekommt ein großes Problem"

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: EU-Bürger haben im Internet ein Recht, vergessen zu werden. Doch wie weitreichend ist der Datenschutz? Ist nur Google betroffen? IT-Anwalt Thomas Stadler erklärt im Interview die Entscheidung.

Von Pascal Paukner

EU-Bürger haben ein "Recht auf Vergessenwerden" im Internet, das hat jetzt der Europäische Gerichtshof entschieden. Suchmaschinenbetreiber wie Google müssen demnach auf Antrag Informationen aus ihren Suchergebnissen streichen, wenn die Informationen die Persönlichkeitsrechte betroffener Personen verletzen. Süddeutsche.de hat dazu Thomas Stadler interviewt. Der auf IT spezialisierte Anwalt aus Freising betreibt das bekannte Weblog Internet-Law.

SZ.de: Herr Stadler, der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Google unter Umständen verpflichtet werden kann, persönliche Daten aus der Ergebnisliste zu streichen. Werden wir die Google-Suche in Europa bald nicht wiedererkennen?

Thomas Stadler: Google bekommt jetzt ein großes Problem, das nehme ich stark an. Aus meinem Arbeitsalltag weiß ich, dass seit dem Autocomplete-Urteil (Der BGH hatte 2013 entschieden, dass Google diffamierende Wortergänzungen aus seiner Suche entfernen muss; Anmerkung der Redaktion) schon viele Leute sagen: "Hui, die Information will ich jetzt aber aus Google raushaben." Das wird nun nochmals deutlich zunehmen, denn es handelt sich ja um ein sehr grundsätzliches Urteil.

Inwiefern?

Der Europäische Gerichtshof sagt relativ klar: Google verarbeitet personenbezogene Daten, wenn es Inhalte von Webseiten indiziert und in seinen Suchergebnissen verlinkt, die einen Bezug zu Personen haben. Und das ist ja nun fast immer der Fall.

Sind auch andere Unternehmen von der Entscheidung betroffen?

Das Urteil betrifft wahrscheinlich nicht nur Google. Es geht bei der Entscheidung zwar um Suchmaschinen, wie beim Europäischen Gerichtshof üblich ist das Urteil aber sehr allgemein gehalten. Man kann sich schon die Frage stellen, ob die Entscheidung nicht auch generell für soziale Medien wie Twitter oder Facebook gilt, die ja auch Suchfunktionen eingebaut haben. Gerade dort gibt es viele personenbezogene Inhalte.

Seit Beginn der NSA-Affäre wird Datenschutz in Europa heftig diskutiert. Jetzt setzt das oberste europäische Gericht ein starkes Zeichen. Wie lässt sich der Ruf nach einem strengeren Datenschutz mit der Wahrung der Freiheit im Internet vereinen?

Es gibt da natürlich ein Spannungsverhältnis. Das ist bislang in der Debatte vielleicht noch nicht so sehr im Mittelpunkt gestanden, aber das muss nach so einer Entscheidung nun stärker diskutiert werden. Es stellt sich jetzt die Frage, ob nicht der europäische Gesetzgeber nochmal eingreifen muss. Das Urteil hat das Potenzial, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen einzuschränken und damit auch die Auffindbarkeit von Inhalten im Netz zu beeinträchtigen. Es kann durchaus sein, dass man viele ältere Inhalte, in denen Personen namentlich genannt werden, künftig nicht mehr über Google finden wird.

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