Erfolgreiche Videoplattform:Warum TV-Konzerne wieder auf Hulu setzen

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Eigentlich wollten sie das Internet-Fernsehportal loswerden. Doch nun haben die Medienkonzerne hinter Hulu erkannt, dass sich der Videokonsum enorm ändert - und wollen lieber Hunderte Millionen in das erfolgreiche Portal stecken.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer in den Vereinigten Staaten den Fernseher einschaltet und durch die Kanäle zappt, der bekommt nach wenigen Minuten den Eindruck, dass es das Schicksal besonders böse mit ihm meint: Werbung. Immerzu. Wer dann nicht mit seinen Mitbewohnern wetten will, um welchen Wirtschaftszweig sich der nächste Spot dreht (heißer Tipp derzeit: Versicherungen), der wird einfach nur wütend. Warum sollte jemand pro Monat etwa 100 US-Dollar an Kabelgebühren überweisen, wenn dann nicht das Programm von Werbung unterbrochen wird, sondern die Werbung von ein bisschen Programm?

Aber es gibt ja "Hulu": Auf dem Internetportal können Amerikaner seit fünf Jahren fernsehen. Kostenlos. Es gibt auch hier nicht gerade wenig Werbung, die Seite finanziert sich größtenteils damit und nahm so im vergangenen Jahr 690 Millionen Dollar ein, aber es gibt eben keine Gebühren und auch keine festen Startzeiten der Sendungen. Auch der Gang in die Videothek wird überflüssig, zum Angebot gehören Filme und ganze Staffeln aktueller Serien.

Seit drei Jahren gibt es zudem den Bezahlkanal "Hulu Plus" mit mehr als vier Millionen Abonnenten, doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Hulu ist derzeit, vor allem wegen seiner fortgeschrittenen Technologie, eines der beliebtesten Medienportale.

So sorgten die Anteilseigner Disney, 21st Century Fox und NBC Universal denn auch für Aufregung, als sie vor einiger Zeit ankündigten, das Portal verkaufen zu wollen. Potenzielle Käufer gab es genug, zu den Bietern gehörten ein Konsortium um den Medienkonzern News Corp, der Satellitenfernsehbetreiber DirecTV, das Telekommunikationsunternehmen AT&T, der Internetkonzern Yahoo und Investmentfonds. Zuletzt stieg auch noch Time Warner ein. Aus dem Umfeld von Hulu war zu hören gewesen, dass die Angebote bei einer Milliarde Dollar gelegen hatten.

Jubel über eines der "verbraucherfreundlichsten Videoportale des digitalen Zeitalters"

Nun sorgen die Eigner von Hulu erneut für Aufregung: Sie wollen das Portal nicht mehr veräußern, sondern lieber 750 Millionen Dollar investieren, um eigene Inhalte zu produzieren, hochwertige Filme und Serien zu kaufen und schließlich die Technologie des Portals weiter zu verbessern. Damit könne Hulu auch weiterhin mit anderen Angeboten wie dem der Firmen Netflix oder Amazon konkurrieren.

"Die Seite hat sich zu einem der verbraucherfreundlichsten und technologisch innovativsten Videoportale des digitalen Zeitalters entwickelt", sagt Disney-Chef Robert Iger. Chase Carey, der Präsident von 21st Century Fox, ergänzt: "Wir hatten bedeutsame Gespräche mit möglichen Käufern, aber wir wollen den unglaublichen Schwung nutzen, den die Hulu-Mannschaft in den vergangenen Jahren kreiert hat." Das hört sich prima an, wirft allerdings die Frage auf, warum die Eigner dann überhaupt verkaufen wollten.

Der Erfolg von Hulu zeigt, dass man mit einem Medienportal im Internet sehr wohl sehr viel Geld verdienen kann, wenn man es richtig angeht und technologische Entwicklungen nicht verpasst. Es stellt aber auch das bisherige Geschäftsmodell der etablierten Medienkonzerne infrage - also genau das der Anteilseigner von Hulu. Zu 21st Century Fox gehören die Fernsehsender der Fox Broadcasting Company (Fox), zu Disney die der American Broadcasting Company (ABC) und zu NBC Universal die der National Broadcasting Company (NBC). Die Hulu-Eigner pflegen also derzeit gemeinsam einen Kleingarten, der sich wunderbar entwickelt, der jedoch dafür sorgt, dass die jeweils eigenen riesigen Beete langsam verdorren könnten.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Streit zwischen den Eignern über die Ausrichtung von Hulu und Investitionen. Er gipfelte darin, dass Geschäftsführer Jason Kilar und der technische Leiter Rich Tom im März aus dem Unternehmen ausschieden. Kurz darauf wurde das Portal zum Verkauf feilgeboten.

Offenbar haben sich die Streithähne nun geeinigt, weil sie daran glauben, dass die Zukunft des Fernsehens im Internet liegen könnte, dass der Kleingarten also irgendwann einmal profitabler sein könnte als die großen Felder. "Ich glaube, es kann ein wahnsinnig gutes Unternehmen sein", sagt Fox-Gründer Rupert Murdoch. Er hatte sich in der vergangenen Woche im Norden von Los Angeles mit den mächtigsten Managern der Medien- und Unterhaltungsindustrie auf der Allen & Company Sun Valley Conference getroffen: "Disney hat ein bisschen gezögert, ist nun aber auch zufrieden", so sein Resümee.

Die potenziellen Käufer stehen nun ein wenig bedröppelt da - außer Time Warner. Das Medienunternehmen, dem unter anderem das Film- und Fernsehstudio Warner Bros. und die Bezahlfernseh-Kanäle HBO gehören, soll nach wie vor daran interessiert sein, bei Hulu einzusteigen. Es heißt, dass die Verhandlungen bereits in zwei Wochen abgeschlossen sein könnten und Time Warner dann zu 25 Prozent an Hulu beteiligt sein könnte. Es wäre ein interessantes Geschäft für beide: Hulu bekäme Zugriff auf HBO-Serien wie "Game of Thrones", "The Newsroom" und "True Blood". Und Time Warner wäre an einem der vielversprechendsten Medienunternehmen beteiligt.

Für deutsche Kunden ist Hulu derzeit nicht nutzbar. Das könnte sich jedoch ändern, schließlich verfolgen 70 Prozent der Menschen, die regelmäßig im Internet surfen, dort auch Filme und Serien. Und wer in Deutschland den Fernseher einschaltet, der bekommt auch hin und wieder den Eindruck, dass es das Schicksal besonders böse mit ihm meint.

© SZ vom 16.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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