Bericht über Enthüllungsplattform:Wikileaks: Millionenstrafe für Verräter

Wikileaks-Mitarbeitern drohen bei Geheimnisverrat schwere Strafen. Ein internes Papier wirft zudem Fragen zu den Geschäftspraktiken der Organisation auf.

J. Kuhn

Die Enthüllungsplattform Wikileaks profitiert von undichten Stellen in Unternehmen, Behörden oder Regierungen. In der eigenen Organisation möchte man solche Indiskretionen allerdings offenbar um jeden Preis verhindern, wie ein im Netz veröffentlichtes Dokument nahelegt.

WikiLeaks founder Julian Assange speaks during a news conference at the Frontline Club in London

Wikileaks-Chef Assange: Vertraulichkeit durch hohe Geldstrafen.

(Foto: REUTERS)

Das von der britischen Wochenzeitung New Statesman online gestellte Papier ist eine Verschwiegenheitserklärung, die nach Angaben des Statesman Wikileaks-Helfer unterschreiben müssen (pdf hier).

Mit der Unterschrift stimmen sie zu, eine äußerst hohe Strafe von 12 Millionen Pfund (etwa 14 Millionen Euro) zu zahlen, falls sie unerlaubt Wikileaks-Dokumente weitergeben. Dieser Betrag basiere auf "einer typischen Marktbewertung" des Materials, das die Organisation normalerweise veröffentlicht.

Ebenfalls unter die Verschwiegenheitsklausel fallen demnach "sämtliche berichtenswerten Informationen, die mit der Arbeitsweise von Wikileaks in Zusammenhang stehen".

Auch die Rechte an den zugespielten Dokumenten werden äußerst zweifelhaft verteilt: So heißt es, dass alle Dokumente "komplett das Eigentum von Wikileaks sind". Allerdings steht an anderer Stelle, dass Mitarbeiter "alle Informationen, die sie erhalten, ohne jede Haftung von Seiten Wikileaks bekommen".

Das britische Online-Portal The Register folgert, dass der Empfang der Dokumente auf Risiko der Mitarbeiter geschieht, aber dann sogleich in das Eigentum von Wikileaks übergeht. "Das ist ein interessanter Ansatz, geht man doch davon aus, dass Regierungen und Unternehmen die Dokumente wahrscheinlich als ihr Eigentum betrachten." Allerdings könnte sich die Passage auch auf interne Informationen über Wikileaks beziehen, für die die Organisation nicht haftbar gemacht werden möchte.

Verkaufte Dokumente?

Das interne Dokument listet auch die Schäden auf, die Wikileaks durch undichte Stellen entstehen könnten. Dabei wird auch der "Verlust der Möglichkeit, die Informationen an anderer Nachrichtenproduzenten und Verlage zu verkaufen" genannt.

Dies könnte nur eine zusätzliche juristische Absicherung sein, allerdings auch eine künftige kommerziellere Rolle des Dienstes als Informationsverkäufer beinhalten. Bislang ist nicht bekannt, dass Wikileaks Geld für die Weitergabe von Dokumenten erhalten hätte.

Wikileaks hat sich zu dem Dokument bislang nicht geäußert. Allerdings meldete sich inzwischen der Guardian-Journalist James Ball zu Wort, der nach eigenen Angaben die Verschwiegenheitserklärung weitergegeben hat.*

Ball, der zuvor für Wikileaks gearbeitet hatte, erklärt dort die Hintergründe: Im Januar hätte Assange den Mitarbeitern die Erklärung zur Unterschrift vorgelegt.Als Ball seine Signatur verweigerte, sei er von Assange zwei Stunden lang "schreiend" bearbeitet worden, dies zu tun. Andere Mitglieder der Gruppe seien später angewiesen, in psychisch unter Druck zu setzen. Ball verließ daraufhin Wikileaks, in seinem Text fordert er Assange auf, aus dem "Knebelspiel" auszusteigen.

An der Echtheit des Dokuments hatte es zunächst Zweifel gegeben. Eine Enthüllung der Wikileaks-Konkurrenzplattform Cryptome im Zusammenhang mit der Organisation hat sich als falsch herausgestellt. Auf der Seite ist seit Dienstag ein Dokument abrufbar, wonach eine "Wikileaks Community PLC" am 31. Januar 2011 als Unternehmen in England und Wales registriert wurde (hier als pdf).

Als Direktoren werden Mitarbeiter des Schweizer Finanzunternehmen 3A Finance AG geführt. Allerdings handelt es sich dabei offenbar um Trittbrettfahrer: "Das war nur eine Idee, die jetzt aber auf Eis liegt", gibt der im Dokument genannte Daniel Bosshard auf Anfrage von sueddeutsche.de zu. Zu Wikileaks und Julian Assange hätten die Verantwortlichen keinen Kontakt.*

*Anderthalb Absätze ab "Allerdings..." wurden 13. Mai um 12:45 Uhr ergänzt. Eine vorherige Änderung (jetzt: Absätze ab "An der Echtheit...") wurden um am 12. Mai, 14 Uhr hinzugefügt.

Vorstellungsgespräch bei Assange

Assange selbst sucht derzeit einen Pressesprecher für die Organisation - der solche Fragen beantworten könnte. Ein Autor der britischen Zeitung Independent hatte sich beworben und hat seine Erlebnisse in einem Artikel aufgeschrieben. Eine Frage, die Assange dem Bewerber gestellt habe, lautete "Was würden Sie tun, wenn Sie einen Mann töten müssten, um hundert zu retten?". Die Antwort "ihn töten" ließ Assange als richtig gelten.

In seinen Schilderungen vermerkt der Independent-Autor auch, dass der Wikileaks-Apparat "klein und unorganisiert" schien. "Weniger als zehn Menschen arbeiten dort Vollzeit und meine Rolle hätte vor allem darauf bestanden, mich durch Medienmeldungen über Wikileaks und Assange zu graben".

Wikileaks-Chef Assange kämpft derzeit in Großbritannien gegen seine Auslieferung. Erst vor wenigen Tagen wurde er von der Sydney Peace Foundation, einer Stiftung der Universität Sydney, für seinen "außergewöhnlichen Mut" im Bereich der Menschenrechte ausgezeichnet.

Ungemach droht ihm allerdings nun auch in den USA: Dort hat am Mittwoch Berichten zufolge ein Geschworenengericht in Virginia die Beratungen aufgenommen. Es soll entscheiden, ob gegen Wikileaks-Verantwortliche Anklage wegen der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen und Spionage aufgenommen wird.

US-Politik: Schärfere Gesetze

Dabei geht es auch um die Frage, ob Wikileaks den US-Soldaten Bradley Manning dazu ermuntert hat, als geheim klassifizierte Dokumente an die Organisation zu geben. Manning sitzt derzeit in Untersuchungshaft, ihm wird vorgeworfen, unter anderem die unter großem Medieninteresse veröffentlichten US-Botschaftsdepeschen und Guantanamo-Akten weitergegeben zu haben.

Wie der US-Radiosender NPR berichtet, diskutieren das US-Justizministerium und der US-Kongress derzeit eine strengere Gesetzgebung, um Informanten in Regierungsorganisationen künftig härter zu bestrafen.

Medienorganisationen in den USA zeigen sich beunruhigt und fürchten eine Einschränkung der Pressefreiheit.

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