Elektronikmesse CES:In Las Vegas zeigt China seine Macht

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Die chinesische Marke Byton baut Elektro-Sportgeländewagen. Schon in ein paar Jahren soll sich das Auto selbst steuern, während die Insassen über On-Board-Internetverbindung einkaufen oder Geschäfte tätigen. (Foto: Jae C. Hong/AP)

Auf der Elektronikmesse CES trumpfen Unternehmen aus der Volksrepublik mit Innovationen auf. Einst waren sie Zulieferer, jetzt bewegen sie sich selbst mit Amazon auf Augenhöhe.

Von Claus Hulverscheidt und Jürgen Schmieder, Las Vegas

Sicher, man hätte auch in einen schnöden Messesaal gehen können oder in eines der kleineren Häuser am Rande des Las Vegas Strip. Mit asiatischer Bescheidenheit aber, das wissen die Gäste aus Fernost mittlerweile, lässt sich auf der Reizüberflutungsmesse CES im Reizüberflutungsland USA keine Aufmerksamkeit erregen. Also luden die Chinesen zu Beginn der alljährlich in Las Vegas stattfindenden, weltgrößten Technologieschau diesmal gleich zu zwei dekadenten Partys in die Ballsäle des Venetian und des Bellagio ein - zwei der aufregendsten Hotels, die das Zockerparadies in der Wüste Nevadas zu bieten hat.

Die Ortswahl ist durchaus als Kampfansage zu verstehen. China, so lautet die Botschaft, ist nicht mehr Billigwerkbank oder Heimstatt von Produktpiraten, für die viele das Land immer noch halten. Im Gegenteil: Heute sind es gerade die Europäer, die sich bemühen müssen, nicht den Anschluss an die High-Tech-Pioniere aus dem amerikanischen Silicon Valley und dem chinesischen Pendant Shenzen zu verlieren. 1700 der gut 4000 CES-Aussteller kommen in diesem Jahr aus der Volksrepublik, die Zahl der Anbieter aus den USA liegt knapp darüber. Noch. Der Rest der Welt sieht staunend zu oder verzieht sich in Nischen.

Die Firma Ecoo bastelt an einem günstigen E-Auto - die Batterien liefert Tesla

Diese Doppelherrschaft ist kein Zufall, denn nirgendwo auf der Welt finden Unternehmen so ideale Start- und Wachstumsbedingungen vor wie in den USA und China: Die Zahl der potenziellen Kunden ist gewaltig, die der gesetzlichen Hürden vergleichsweise gering. Vor allem aber ist die Bevölkerung technikbegeistert und fortschrittswillig, was nicht überall der Fall ist: "Die Deutschen zum Beispiel sind da etwas zurückhaltender", sagt Lei Chen, Chef der aufstrebenden Cloud-Computing-Firma Xunlei, - und nur seine asiatische Bescheidenheit verbietet es ihm, das noch viel deutlicher auszudrücken.

Es ist nur wenige Jahre her, dass chinesische Unternehmen in der Technologiebranche lediglich als Zulieferer oder allenfalls als Investoren auftraten. Heute erfinden und entwickeln sie selbst. Deutlich sichtbar wird das in Las Vegas bei der Präsentation des Elektro-Sportgeländewagens der Firma Byton - eines Gefährts, das nach den Worten des deutschen Unternehmenschefs Carsten Breitfeld gar kein Auto mehr ist, sondern ein rollendes und vor allem "luxuriöses Wohnzimmer". Schon in ein paar Jahren soll sich der Wagen selbst steuern, während die Insassen über die superschnelle On-Board-Internetverbindung einkaufen oder Geschäfte tätigen.

Breitfeld ist kein Fantast: Er arbeitete 20 Jahre lang für BMW, bevor er gemeinsam mit seinem Ex-Kollegen Daniel Kirchert Byton gründete. Beide Manager stehen damit für ein weiteres Problem deutscher Unternehmen: Sie bilden Top-Ingenieure aus, die ihre Träume dann anderswo verwirklichen. Zu den beunruhigenden Nachrichten aus China passt auch die Meldung, dass der Hersteller Ecoo das günstigste Elektroauto der Welt bauen will - mit Batterien von Tesla, die in Nevada produziert werden. Eine chinesische Firma erfindet, entwickelt und baut ein Auto, und verwendet dabei Einzelteile, die günstiger in den USA produziert werden. Das hat es so auch noch nicht gegeben.

Doch es sind nicht nur Top-Branchen wie die Autoindustrie, in denen die Asiaten voranmarschieren. Bei kommerziellen Drohnen etwa, einem riesigen Wachstumsmarkt, hat der chinesische Anbieter DJI amerikanische Konkurrenten wie Parrot und Go Pro regelrecht zertrümmert. Huawei mischt die Smartphone-Industrie auf, der Online-Händler Alibaba beschäftigt Amazon, der Internet-Riese Tencent hat Facebook als wertvollstes Social-Media-Unternehmen der Welt abgelöst.

Zu den großen Firmen kommen die zahlreichen kleinen Anbieter aus China, die dafür sorgen, dass sich in vielen Technologiezweigen die Gewichte verschieben. Da ist etwa Time Kettle, ein kleines Unternehmen aus Shenzhen, das mit elegant gestylten Ohrhörern und Live-Übersetzungsprogrammen den Traum von grenzenloser Kommunikation wahr machen will: Zwei Menschen sprechen in ihren jeweiligen Sprachen - und verstehen einander doch. Ein kurzer Test am Messestand zeigt: Das Designer-Gerät der chinesischen Jungunternehmer ist von der Marktreife nicht mehr weit entfernt.

Sie haben wenig Scheu, sich mit den Größen aus dem Silicon Valley anzulegen

Gleich daneben haben die Kollegen von Glocal Me ihren Stand aufgebaut, einem Unternehmen, das eine Art mobilen Hotspot entwickelt hat. Es ermöglicht dem Nutzer, sich überall auf der Welt ins Internet einzuwählen, ohne auf den meist sündteuren örtlichen Netzanbieter zurückgreifen zu müssen. Noch ein paar Meter weiter wird der Prototyp einer Brille präsentiert, die die Megatrends Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) miteinander verbindet: Schon in wenigen Jahren soll sie einem Städtereisenden nicht nur den Weg durch den Großstadtdschungel und zu netten Restaurants weisen, sondern ihm auch einen Blick hinter die Mauern ermöglichen, an denen er gerade vorbei läuft.

Und dann ist da ja noch Xunlei-Chef Lei, der keine Scheu hat, es mit dem US-Giganten Amazon aufzunehmen. Lei will einen riesigen Daten-Speicher schaffen, der sich von den Cloud-Servern des Weltmarktmarktführers in einem zentralen Punkt unterscheidet: Anders als Amazon will Lei die Informationen nicht irgendwo zentral speichern, sondern auf ungenutzte Rechenkapazitäten privater Smartphones und Tablets zurückgreifen.

Hunderte Millionen Mini-Speicher statt einiger weniger Mega-Rechenzentren also: Das ist angeblich nicht nur viel kostengünstiger für die Cloud-Kunden, sondern schützt auch deren Privatsphäre und nebenbei die Umwelt. "Dezentrale Teillösungen", sagt Lei, "sind die Zukunft - weil sie vertrauenswürdig sind." Ein chinesischer Manager belehrt die Welt beim Daten- und Naturschutz: Viel besser kann die neue Technologie-Supermacht aus Fernost ihr Selbstbewusstsein kaum demonstrieren.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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