Einkommen von Computerspiele-Entwicklern: Über Geld redet man nicht

The Inner World

Screenshot aus dem Spiel "The Inner World" von Tobias Frisch, Producer bei Studio Fizbin

(Foto: Fizbin)

Schüchternheit? Scham? Non-Disclosure Agreements? Nur wenige Entwickler reden gern über Geld. Dabei brauchen die Märchen von neureichen Indiestars in schnittigen Elektroautos dringend ein Korrektiv.

Protokolle: Jan Bojaryn, WASD

Lea Schönfelder, Game-Designerin und Animatorin, bekannt für: "Ute", "Ulitsa Dimitrova", "Harmonic Flight", "Perfect Woman"

Meine Spiele werfen kein Geld ab, ich verkaufe die bisher ja auch nicht. Alle meine Spiele kann man online spielen oder runterladen. "Perfect Woman" ist das erste, bei dem ich nicht ausschließe, dass man es auf die Xbox bringt. Das wäre unser dann erster Versuch. Die Plattform wäre natürlich ideal, weil man das Spiel mit Kinect steuert.

Ich bin Studentin. Ich werde noch von meinen Eltern unterstützt. Nebenher arbeite ich freischaffend als Animatorin und auch als Gamedesignerin. Was ich im Studium lerne, kann ich also auch anwenden. Kommilitonen haben jetzt gerade eine Firma gegründet. Wenn sie Aufträge haben, dann kommen sie auf mich zu und dann verdiene ich auch mal etwas.

Ich bewerbe mich jetzt das erste Mal um eine Förderung. Mit "Harmonic Flight" und "Ute" hab ich mich schon mal für den Deutschen Computerspielpreis beworben; daraus ist nichts geworden. Ob es an meiner Einreichung lag oder an der fehlenden Markttauglichkeit, kann ich nicht beurteilen. Dafür war ich schon mit drei meiner Spiele bei einem der wichtigsten Spielefestivals weltweit vertreten, dem IGF in San Francisco. Mit "Perfect Woman" bewerben wir uns möglicherweise auch wieder direkt um eine Förderung.

WASD - Bookazine für Spielekultur

"Insert Coin - Computerspiele und das liebe Geld" heißt die fünfte Ausgabe der WASD, einem Magazin rund um die Gameskultur. Als Teil einer Kooperation mit dem Magazin veröffentlichen wir diesen Text.

Bald werde ich mein Studium abschließen. Danach muss ich ja Geld verdienen. Direkt eine universitäre Laufbahn einschlagen will ich nicht so gerne. Einige meiner Kommilitonen haben Firmen gegründet. Daher weiß ich, dass das sehr schwer ist, auch wenn man für deutsche Verhältnisse richtig erfolgreich ist. Die verkaufen viele Spiele, gewinnen Preise, und trotzdem können sie kaum davon leben. Ich tendiere dazu, für ein paar Jahre in die Industrie zu gehen; einerseits aus finanziellen Gründen, andererseits finde ich gar nicht, dass Indies und kommerzielle Spiele sich immer so bekriegen müssen. Ich bin gerade in dem Modus zu gucken, was es so alles gibt. Ich möchte nichts ausschließen, aber ich kann jetzt noch nicht sagen, was später funktionieren wird.

Greg Wohlwend: "Threes", "Ridiculous Fishing", "Hundreds", "Solipskier"

Greg Wohlwend, Spieleentwickler und Grafikdesigner, bekannt für: "Threes", "Ridiculous Fishing", "Hundreds", "Solipskier"

Meine ganze Karriere als Indie-Entwickler hindurch habe ich überlebt, indem ich an vielen Projekten gleichzeitig gearbeitet habe. Oft haben sich die Projekte im Laufe der Jahre angehäuft, weil Spieleentwicklung eben so lange dauert. So hatte ich immer die Perspektive, dass eines meiner Projekte Erfolg haben könnte, selbst wenn eines oder auch drei gleichzeitig gefloppt sind. Genauso wichtig für die Motivation ist es, dass ich hinter jedem meiner Spiele zu hundert Prozent stehe. Mit dieser Philosophie habe ich es von gesponserten Gratis-Flash-Spielen bis zu einem iOS-Spiel gebracht, das die Leute tatsächlich gekauft haben. Bis heute habe ich sechs iOS-Spiele fertig gestellt, die alle immer noch Geld einbringen. Mit diesen sechs Spielen im Rücken kann ich mich nun wieder ein wenig weiter entwickeln und mich an riskantere Projekte trauen.

Meine Fähigkeiten werden mit der Zeit besser, ich kann so größere Projekte stemmen. Früher habe ich versucht, nur einen Monat an jedem Spiel zu arbeiten. Später habe ich dann über ein bis zwei Jahren an mehreren Spielen gleichzeitig gesessen. Jetzt will ich den nächsten Schritt wagen: Ich will auf mehr Plattformen kommen und ich hoffe, irgendwann einige meiner alten Traumspiele umzusetzen, über die ich schon seit langem nachdenke. Es geht also um eine vorsichtiges Erklimmen der Leiter, Sprosse für Sprosse.

Wolf Lang: "Beatbuddy"

Wolf Lang, CEO, Mitgründer und verantwortlich für Business Development bei Threaks, bekannt für: "Beatbuddy"

Im August haben wir noch mit zehn Leuten gearbeitet. Dann lief der Release von "Beatbuddy" nur halbgut. Jetzt sind wir nur noch zu dritt. Wir kommen so weit ganz okay über die Runden, aber man kann sich vorstellen, dass das ein krasser Schnitt war.

Mit "Beatbuddy" wollten wir eine Brücke bauen zwischen Musikszene und Games, um eine möglichst breite Zielgruppe zu begeistern. Leider haben wir uns dann zwischen alle Stühle gesetzt und weder die Musikfans noch die Action-Adventure-Fans richtig angesprochen. Das war eine spannende Lektion für uns. Durch gute Kontakte und harte Arbeit wirft *Beatbuddy jetzt genug Geld ab, um uns zu dritt über Wasser zu halten. Wir wollen uns sogar bald wieder vergrößern. Was geholfen hat: Der Verkauf im Humble Bundle, denn das bringt große Publicity.

Kennengelernt haben wir uns 2009 an der Uni, da haben wir in einem Kurs zusammen an "Beatbuddy" gearbeitet. Seitdem war das Motto: Das Ding bringen wir raus. Nach vier Jahren hatten wir den Titel dann auf Steam. Das hat uns wahnsinnig stolz gemacht. Doch der Preis war hoch: Wir haben uns alle ziemlich zu Tode gecruncht, haben nächtelang durchgearbeitet.

Wir drei sind inzwischen verheiratet. Also muss man seine Arbeit geregelt bekommen. Unsere Frauen haben uns auch ganz klar gesagt, dass sie die Crunch-Hölle langsam satt haben und uns gerne auch mal zu Hause haben möchten. Wir probieren daher, den wesentliche Teil der Arbeit von neun bis sechs zu erledigen. Wenn der Spaß bei der Arbeit nicht mehr da ist, muss man sich fragen, warum man sich das Ganze antut. Das ist bei uns zum Glück nicht so, aber man muss hart dafür kämpfen, dass es nicht so wird. Für mich war dieser Deal immer klar: Dass man vielleicht sehr viel weniger Geld hat, aber sich nicht jeden Morgen fragt, was man da macht.

Tobias Frisch: "The Inner World"

Tobias Frisch, Producer bei Studio Fizbin, bekannt für: "The Inner World"

Unser erstes und bislang komplett eigenes Games-Projekt ist "The Inner World". Konkrete Zahlen kann ich nicht nennen, aber wir sollten demnächst unsere eigenen Investitionen eingespielt haben. Um die laufenden Kosten zu decken und uns vielleicht sogar ein kleines finanzielles Polster zu schaffen, werkeln wir parallel auch an Auftragsarbeiten. Es ist schon ein langer, steiniger Weg, aber wir machen dabei verdammt wertvolle und schöne Erfahrungen.

Jeder, der bei Fizbin fest arbeitet, lebt davon und arbeitet in Vollzeit hier. Verglichen mit einem "normalen" Job, wie zum Beispiel. bei einem Industriekonzern, ist die Bezahlung eher unterdurchschnittlich, da ist noch Luft nach oben. Aber es gibt uns nach drei Jahren immer noch. Das ist doch schon mal was!

Es ist aber ein bisschen ein Teufelskreis: Man benötigt erst einmal einige eigene Produkte, für die braucht man aber Investitionen. Einen Kassenschlager macht man nicht mal eben so, man benötigt dazu harte Arbeit und Glück. Noch ist unsere Planung maximal mittelfristig.

Ohne die Förderung von der Medien- und Filmförderung Baden-Württemberg (MFG) würde es *The Inner World gar nicht geben. Die Möglichkeiten in unserem Bundesland sind recht gut, auch für unser aktuelles Projekt haben wir eine kleinere Förderung erhalten. Viele Förderprogramme sind aber immer noch sehr auf "klassische" Unternehmen fokussiert, wie Industrie oder auch Handwerk. Aber inzwischen gibt es in Deutschland auch eine blühende Games-Branche. Ich denke, die MFG zeigt gut, wohin der Weg gehen kann, wohin er gehen wird. Auch mit Investoren gab es hier und da Gespräche. Da es uns aber extrem wichtig ist, unsere Rechte an Ideen und den Spielen zu behalten, ist das immer eher schwierig.

Jeff Vogel: "Avernum", "Avadon", "Geneforge"

Jeff Vogel, President von Spiderweb Software, bekannt für: "Avernum", "Avadon", "Geneforge"

Wir sind seit 20 Jahren im Geschäft. Seitdem hat sich wirklich alles komplett verändert. Als ich angefangen habe, bezeichnete man meine Spiele als "Shareware", Demos wurden auf Disketten im Einkaufszentrum angeboten. Das Internet hat praktisch kaum existiert. Heute leben wir in einem anderen Universum.

Ich habe mir von Anfang an ein vernachlässigtes Genre gesucht. Meine wortlastigen, rundenbasierten, einfach produzierten Rollenspiele, haben ein treues Publikum gefunden. Dass ich damit Geld verdienen kann, war Glück.

Ich habe keinen richtigen Businessplan, außer: "Mache Spiele. Verkaufe sie." Um Geld mache ich mir natürlich Sorgen, aber welcher kleine Unternehmer tut das nicht? Mir geht es aktuell gut, aber das kann sich über Nacht ändern. Dass ich noch lange dabeibleibe, ist allerdings sehr wahrscheinlich. Ich kann einfach nichts anderes.

Als kleiner Entwickler zu überleben, ist ein hartes Geschäft. Du musst schlank und effektiv bleiben, um langfristig durchzuhalten. Eine harte Zeit haben wir 2003 durchgemacht, als ein paar unserer Spiele sich nicht so gut verkauft haben wie erhofft. Ich habe mir damals unseren gesamten Arbeitsablauf angeschaut, gründlich analysiert, warum meine Spiele nicht mehr so ankamen und dann den Designprozess generalüberholt. Glücklicherweise hat das funktioniert.

Jan Bojaryn schreibt für verschiedene Medien über Games, Kultur und Technik. Arbeitsproben verlinkt er unter ryn.de.

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