Eingemauerte USB-Sticks:"Diese Technologie kann man nicht zuschrauben"

USB Dead Drops Aram Bartholl

Aram Bartholl nutzt einen der eingemauerten USB-Sticks in New York.

(Foto: Aram Bartholl, courtesy DAM galerie & xpo galerie)

Ein toter Briefkasten sorgt für Aufruhr: Auf einem eingemauerten USB-Stick vermutet Kölns Polizei Anleitungen zum Drogenherstellen und Bombenbauen. Der Künstler Aram Bartholl erklärt, was er mit den öffentlichen Speichermedien bewirken will.

Von Jannis Brühl, Köln

Aram Bartholl hat schon QR-Codes mit der Hand gezeichnet und kleine Beutel für Handys gebastelt, die die Geräte am Senden hindern. Der 42-Jährige Künstler aus Berlin beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Digitalisierung und Vernetzung auf den Lebensraum Stadt auswirken. Vergangene Woche wurden auf einem USB-Stick, den er in Köln an einer Straße in die Wand eingelassen hatte, Anleitungen zum Bombenbau und Drogenkochen gefunden.

SZ.de: Herr Bartholl, warum hat sich die Polizei vergangene Woche für Sie interessiert?

Aram Bartholl: 2011 hatte ich eine Ausstellung in Köln und als Teil meines Projektes einen "Dead Drop" am Gebäude der Galerie installiert - also einen USB-Stick in die Außenwand gemauert. Vergangene Woche will ein Journalist auf diesem USB-Stick Bombenbaupläne gefunden haben und hat daraufhin die Polizei alarmiert. Die brach den USB-Stick aus der Wand heraus, der Galerist musste der Kriminalpolizei das Projekt erklären.

Was ist das denn für ein Projekt?

"Dead Drops" ist ein Offline-Filesharing-Netzwerk, an dem jeder teilnehmen kann. Jeder kann einen USB-Stick in der Öffentlichkeit anbringen. Andere können dann ihren Laptop dort anschließen und Dateien hoch- und runterladen. Die Sticks hängen nicht am Internet, um herauszufinden, was drauf ist, muss man hinfahren. Ein sehr offenes Projekt, da können auch Viren oder eben Bombenbaupläne drauf sein. Ich habe 2010 in New York damit begonnen, seitdem hat sich das Projekt weltweit verbreitet. Anfangs waren es fünf Sticks, heute mehr als 1000.

Aram bartholl Köln Dead Drops USB

2011 mauerte Aram Bartholl den "Dead Drop" an der Kölner Gallerie ein, der jetzt die Polizei beschäftigt.

(Foto: Aram Bartholl, courtesy DAM galerie & xpo galerie)

Also eine Art analoges, physisches Torrent-Netzwerk?

Mir ging es um das Bild: Ein Stick, der in der Backsteinmauer steckt. Heute liegt alles in der Cloud mit entsprechenden GPS-Koordinaten, et cetera. Bei "Dead Drops" sind die Daten eingemauert, sie sind ausschließlich dort. Ein Gegenmodell zur totalen Vernetzung, in der alles online und digital ist: Man muss wieder rausgehen. Digitale Filesharing-Dienste sind aber natürlich viel effektiver.

Was laden die Leute denn so auf die USB-Sticks hoch?

Es ist immer eine schöne Kombination. Manche schreiben nur: "Ich war da" wie einen Logbucheintrag, Kinder laden Darth-Vader-Fotos hoch, andere Nutzer Ordner mit Urlaubsbildern. Ich rufe Künstler dazu auf, digitale Kunst zu hinterlassen. Dazu wird das Übliche geteilt: Musik und Filme. Aber das Spannendste sind private Dateien, die eine Geschichte erzählen: Wie das Video von einem Pärchen, das 20 Minuten lang mit dem Schlitten einen Alpenhang runterfährt.

USB-Stick Dead Drops

Für "Dead Drops" mauern die Projektteilnehmer USB-Sticks bevorzugt zwischen Backsteine.

(Foto: Aram Bartholl, courtesy DAM galerie & xpo galerie)

Auf dem Kölner Stick sollen sich auch Pläne zum Herstellen von Crystal Meth befunden haben ...

Das stammt wohl alles aus derselben PDF-Datei: Das sind aber alles Dinge, die man einfach im Internet findet. Die Frage ist doch: Warum gibt es diese Anleitungen und was sagt das über unsere Gesellschaft? Viele fragen mich jetzt: "Ist das nicht gefährlich?" Schon ist man mitten in der Diskussion über Netzneutralität: Müssen wir zensieren und wenn ja, was?

Freuen Sie sich als Künstler, dass so heikle Daten wie die Bombenpläne auf Sticks landen?

Freuen wäre übertrieben. Man kann diese Technologie aber nicht so zuschrauben, dass niemand mehr Böses damit tun kann. Der Buchdruck war auch mal eine neue, gefährliche Technologie, mit der sich Menschen radikalisierten. Wir zeigen immer gern auf China und deren große, böse "Firewall", mit der alles zensiert werde. Aber das Gleiche passiert bei uns ja auch. In England werden fleißig Filter eingebaut, die nicht nur radikale Seiten zensieren, sondern zum Beispiel auch die vom Chaos Computer Club. Deshalb sind Projekte wie das Verschlüsselungsnetzwerk Tor so wichtig, auch für Journalisten. In manchen Ländern mag ein Projekt wie Dead Drops eine ganz andere Bedeutung bekommen. In Kuba gibt es eine Kultur des Tauschens von USB-Sticks, weil viele Leute kein Internet haben.

Bekommen Sie ihren USB-Stick eigentlich von der Polizei zurück?

Naja, das Schöne ist: Der gehört mir ja gar nicht. Man mauert ihn ein, und dann ist er frei. Man könnte das ja sehen wie mit Joseph Beuys und seiner Fettecke: Die Polizei hat etwas entfernt, von dem sie nicht wusste, dass es Kunst war. Aber ich sehe eine andere amüsante Seite: Die Polizei hat den Kölner Stick aus der Wand gebrochen und ihn dabei so beschädigt, dass die Daten nicht mehr lesbar sind. Das Cybercrime-Zentrum des LKA in Düsseldorf versucht jetzt, sie wieder herzustellen. Ein Freund von mir hat zu Beginn der Aktion in einem Artikel geschrieben, dass auch diejenigen, die den Stick kaputt machen, irgendwie an dem Kunstprojekt teilnehmen.

In einem Tweet kommentierte Aram Bartholl den Polizeieinsatz:

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