Ein Anruf bei ...:Der Vater des Videospiels

Vor 40 Jahren hat Ralph H. Baer das erste Videospiel der Welt erfunden. Heute ist er 85 Jahre alt, lebt in New Hampshire und sitzt auch jetzt noch vor der Konsole. In dieser Woche besucht er Deutschland.

Wolf Schmidt

SZ: Herr Baer, vor 40 Jahren haben Sie zusammen mit einem Kollegen das erste Videospiel der Welt gespielt - es war Ihre eigene Erfindung. Erinnern Sie sich noch daran?

Ein Anruf bei ...: Finanziell ausgezahlt hat sich für ihn die Erfindung des Videospiels nicht: Ralph H. Baer.

Finanziell ausgezahlt hat sich für ihn die Erfindung des Videospiels nicht: Ralph H. Baer.

(Foto: Foto: Boston Globe)

Ralph H. Baer: Mein Kollege Bill Harrison und ich spielten eine Art Fangenspiel. Jeder hatte einen Joystick und konnte damit einen Punkt des anderen auf dem Bildschirm jagen. Ich habe verloren.

SZ: Wenn man die "Brown Box", wie Sie ihre Erfindung zunächst genannt haben, mit heutigen Videospielkonsolen vergleicht . . .

Baer: . . . das ist, als würde man eine Schubkarre mit einem Raumschiff vergleichen. Die Videospiele von heute, bei denen man in künstliche Welten eintaucht, gefallen mir nicht. Doch sie verkaufen sich offenbar. Also muss ich falsch liegen.

SZ: Der Erfinder des Videospiels spielt selber keine Videospiele mehr?

Baer: Ich bin jetzt 85 Jahre alt. Meine Augen-Hand-Koordination können Sie vergessen. Manchmal fordern mich meine Enkelkinder heraus, auf ihrem "Gamecube" oder der "Playstation" zu spielen. Aber ich schneide nicht so gut ab.

SZ: Reich geworden sind Sie mit der Erfindung der Videospielkonsole nicht. Ärgert Sie das?

Baer: Ich arbeitete damals für ein Unternehmen, das Radargeräte baute. Die Erfindung gehörte also der Firma. Aber Geld ist nicht alles. Ich hatte immer die Freiheit, zu tun, was ich wollte. Das ist verdammt noch mal mehr wert.

SZ: Ihre Konsole kam 1972 unter dem Namen "Odyssey" auf den Markt und verkaufte sich nur 350 000 Mal. Die "Atari 2600"-Konsole, die erst einige Jahre später in den Läden stand, soll sich 25 Millionen Mal verkauft haben. Atari-Gründer Nolan Bushnell hat sich deshalb als eigentlichen Vater des Videospiels bezeichnet. Wer hat denn nun Recht?

Baer: Himmelherrgott, er trug ja noch Windeln, als ich schon an einem Konzept für Konsolen gearbeitet habe! Das ist doch lächerlich. Bushnells Verdienst war es lediglich, Videospielautomaten in die Spielhallen zu bringen.

SZ: US-Präsident George Bush hat Ihnen für Ihre Erfindung im vorigen Jahr die "National Medal of Technology" verliehen. Eine späte Wiedergutmachung?

Baer: Oh ja. Es gibt keine höhere Auszeichnung, die Medaille ist der amerikanische Nobelpreis. Ich hatte eine Privataudienz beim Präsidenten!

SZ: In dieser Woche besuchen Sie München. Wie geht es Ihnen dabei?

Baer: Ich war letztes Jahr das erste Mal seit dem zweiten Weltkrieg wieder in Deutschland. Ich wollte warten, bis die ältere Generation nicht mehr lebt.

SZ: Sie stammen aus einer jüdischen Familie, viele Ihrer Verwandten starben im Konzentrationslager . . .

Baer: Mittlerweile habe ich die meisten Nazis überlebt und traue mich wieder nach Deutschland.

SZ: Was haben Sie bei Ihrem jetzigen Besuch vor?

Baer: Ich werde nach Österreich und Italien reisen, um mich zu erholen. Und zusammen mit meinem Sohn möchte ich in Berlin das Computerspielemuseum besuchen. Dort steht auch ein Exemplar meiner "Brown Box".

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