DVD:Mit Blaulicht ins Heimkino

Neue DVD-Generations speichern fünfmal so viele Daten wie herkömmliche Discs - und schon ist die ganze Filmindustrie in Aufruhr. Denn wer das Rennen in der Unterhaltungs- und Computerbranche macht, ist noch unkar.

Von Ingo Arzt

Blau statt rot - und schon ist die ganze Filmindustrie in Aufruhr. Die nächste Generation von DVD-Spielern erobert den Markt: Geräte, in denen nicht, wie bisher, ein roter Laser die rotierenden Scheiben abtastet, sondern ein blauer.

DVD: Wessen Streifen schauen wir an? Walt Disney oder Paramount? Nicht mehr Geschmack allein entscheidet.

Wessen Streifen schauen wir an? Walt Disney oder Paramount? Nicht mehr Geschmack allein entscheidet.

(Foto: Foto: dpa)

Bis zu fünf mal so viele Töne und Bilder lassen sich damit von einer Disc lesen oder schreiben - zum Beispiel die gesamte "Herr der Ringe"-Trilogie.

Die ersten Geräte werden bereits in Japan verkauft. Zum Weihnachtsgeschäft 2005 soll die neue Technik auch den Europäern angeboten werden. Doch wer das Rennen um den Zukunftsmarkt macht, ist offen: Die Unterhaltungs- und Computerbranche hat sich in zwei Lager gespalten, die auf unterschiedliche Standards der blauen Laser bauen.

Und weil sich mit dem einen die Filme des anderen Systems nicht abspielen lassen, kann es passieren, dass Filmabende daheim künftig an der Frage scheitern: Wessen Streifen schauen wir an? Walt Disney oder Paramount? 20th Century Fox oder Time Warner? Nicht mehr Geschmack allein entscheidet.

Wettstreit um Millimeter

Denn auch die Filmproduzenten loten derzeit aus, auf die Seite welchen Systems sie sich schlagen sollen. Blu-ray heißt das eine - vertreten von Sony und TDK, Philips, Panasonic und 44 weiteren Firmen.

Die Konkurrenz derweil setzt auf High Density-DVDs (HD). Zu ihr zählen 23 Firmen mit Toshiba, NEC und Sanyo an der Spitze. Mächtige Bünde - obwohl die Unterschiede in den Systemen filigraner Natur sind: Mit Blu-ray lassen sich mehr Informationen von einer Scheibe lesen als bei HD, weil der Blu-ray-Laser mit einer speziellen Linse enger gebündelt wurde.

Allerdings musste die Linse dafür näher an die Disc gerückt und die Schutzschicht der Scheibe verdünnt werden. Die HD-Technik galt daher zunächst als langlebiger: ein Wettkampf um Millimeter - mit weit reichenden Konsequenzen,

Dabei ist die Technik seit Einführung der CD in ihren Grundzügen die gleiche geblieben. In die zwölf Zentimeter großen Scheiben ist eine Vertiefung gebrannt, die spiralförmig von innen nach außen läuft.

Die Daten, die darin enthalten sind, sehen aus wie Fahrbahnmarkierungen: Winzige Striche und Punkte, so genannte Pits, die einen Laser schwach reflektieren.

Zwischen den Pits sind stärker reflektierende Stellen, so genannte Lands. Das Laser-Licht wird von einer Fotodiode aufgefangen und in elektrische Signale umgewandelt.

Im Vergleich zur herkömmlichen Technik dieses Musters ist die neue Generation lediglich feiner: Der Abstand zwischen den Bahnen der Spirale ist enger, die Pits und Lands sind kleiner, und auch der Laser ist enger fokussiert - durch eine kleinere Wellenlänge: blaues anstelle von rotem Licht.

Beim Blu-ray-System bündelt die Linse den blauen Strahl stärker als bei HD-DVD.

Den Durchbruch zum Blaulicht hatte 1994 der Halbleiter-Physiker Shuji Nakamura geschafft, damals noch bei der japanischen Firma Nichia. Ihm gelang es als erstem, blaue Laser-Dioden mit einer Wellenlänge bis zu 390 Nanometer zu konstruieren.

Bis 1999 war die Entwicklung dieser Halbleiter-Bauteile so weit fortgeschritten, dass sie 100.000 Stunden Lebensdauer aufwiesen - genug für den kommerziellen Einsatz.

Mit Blaulicht ins Heimkino

Auf die HD- Scheiben passen heute bis zu 15 Gigabyte, bei Blu-ray liegen bis zu 27 Gigabyte auf einer Datenschicht - fast 40 mal so viele wie bei der alten CD, dem optischen Speichermedium der ersten Stunde.

Warum aber nun auf das HD-System setzen, wenn Blu-ray mehr Daten fasst? Für das Hollywood-Studio Warner Bros. gab die höhere Haltbarkeit und Zuverlässigkeit der HD-Scheiben den Ausschlag.

Auf 0,1 Millimeter musste die Schutzschicht der Blu-ray-Scheiben verdünnt werden, sodass die bisher verwendeten Polycarbonat-Materialien die nötige Kratzer-Abwehr nicht mehr boten. Die ersten Scheiben waren deshalb so anfällig, dass sie mitsamt Schutzhülle in das Abspielgerät geschoben werden mussten.

Bei der HD-DVD dagegen sorgt, wie bei den herkömmlichen DVDs erster Generation, eine sechsmal so dicke Schicht für ausreichenden Schutz. Darauf hat das Blu-ray-Lager reagiert und an neuen Materialien getüftelt.

Dem japanischen Konzern TDK gelang es zuletzt, eine Beschichtung für Blu-ray-Scheiben zu entwickeln, die die Discs nach Angaben der Firma 100 mal widerstandsfähiger macht als herkömmliche DVDs. Diese Beschichtung besteht aus einem extra harten Kunststoff, ähnlich dem, der für die Kratzfestigkeit von Brillengläsern sorgt.

Dennoch glaubt sich die HD-Konkurrenz im Vorteil: Toshiba-Sprecher James Amour sagt, schon Verschmutzungen wie Fingerabdrücke oder Staub würden den kleineren Strahl der Blu-ray-Technik stärker streuen, wodurch die Disc leichter unleserlich würde. Die dickere Schutzschicht aus Acryl auf der HD-Scheibe mache den Laser dagegen kontrollierbarer.

Doch das Blu-ray-Konsortium schießt aus der Defensive zurück: Die erwähnten Probleme seien reine Fiktion, versichert Kees Schep, Leiter der Abteilung für Storage Signal Processing bei Philips. Er ist an der Entwicklung von Abspiel- und Aufnahmegeräten für das Blu-ray-Format beteiligt.

Gerade weil der Laser näher an den Daten sei als beim HD-System, sagt Schep, könne er weniger abgelenkt werden, da der Weg zur Oberfläche der Scheibe kürzer sei. Deshalb würden auch Verzerrungen durch die Wärme im Abspielgerät, wie sie auch bei jeder CD auftreten, nicht ins Gewicht fallen.

Neue Szenen per Telefonkabel

Selbst wenn beide Techniken gleich gut funktionieren sollten - ein entscheidender Faktor des Erfolgs wird das Verhalten der Computerindustrie und der Filmproduzenten sein.

Die beiden Konsortien melden monatlich, welche neuen Verbündeten sie an Land gezogen haben: Die Computerhersteller Dell und Hewlett-Packard und die Film-Riesen 20th Century Fox und Walt Disney unterstützen demnach Blu-ray.

Alte DVDs laufen auf beiden Systemen

Dagegen haben die Filmstudios Warner Bros. und Paramount, Universal und Time Warner erklärt, ihre Filme auf HD-DVD heraus zubringen. Einziger Trost für den Kunden im Wohnzimmer: Seine alten DVDs laufen auf beiden Systemen.

Warum aber setzt die Industrie angesichts des Erfolges der alten Scheiben überhaupt auf neue Standards? Oliver Pribramsky, Program Manager bei der Windows Digital Media Division ist da ganz offen: Sie böten, nebst mehr Speicherplatz, vor allem wesentlich mehr Sicherheit vor Raubkopierern.

Doch es sei schwierig, Software wie das 2006 erwartete neue Microsoft-Betriebssystem Longhorn an den Kopierschutz von HD-DVD und Blu-ray anzupassen. Deshalb werde sich auch die Computerindustrie auf eine der beiden Seiten schlagen. Eine Entscheidung für eines der Formate gebe es bei Microsoft allerdings noch nicht.

Zusätzliche Versprechungen

Mit zusätzlichen Versprechungen kämpfen die beiden Konsortien daher um die Gunst des Kunden im Wohnzimmer: Er ist der Schiedsrichter im Kampf der Systeme.

Blu-ray etwa wirbt damit, dass die Geräte über das Fernsehkabel oder die Telefonleitung automatisch neue Trailer von Filmen oder weiteres Material herunterladen könnten: Man stelle sich vor, die "Herr der Ringe"-Disc würde sich automatisch mit verbesserten Szenen aktualisieren.

Die Filmproduzenten wollen ihre Unterstützung des einen oder anderen Systems von der Nachfrage der Kunden abhängig machen. Disney beispielsweise relativiert seine Unterstützung für Blu-ray: Sollte sich der Markt für HD entscheiden, werde man jederzeit umsatteln. Und auch Hardware-Hersteller Philips sowie die großen Hollywood-Studios sehen die Sache so.

Welches Format sich auch durchsetzt: Die Weiterentwicklung der Film-Discs kommt mit dem Blaulicht zunächst an ein Ende. Der Physiker Detlef Hommel von der Universität Bremen erklärt: Ein bisschen kurzwelliger als die auf Gallium-Nitrit-Halbleitern beruhende Blaulicht-Laser gehe zwar noch, doch dann sei die Grenzen des Machbaren erreicht.

Außerdem sei die Strahlung dann so energiereich, dass die bisher verwendeten Kunststoffe der DVD zerstört werden würden. Doch Ruhe hat der Kunde wohl nur vorerst: Philips spricht davon, auch mit dem Blaulicht theoretisch 250 Gigabyte auf eine Disc packen zu können.

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