Porter Erisman, 44, könnte ganz oben sein. Er könnte zur Führungsriege der chinesischen Internetfirma Alibaba gehören, die an der Wallstreet mehr wert sein soll als Ebay oder Amazon. Und er könnte der Vertraute von Firmenchef Jack Ma sein, den viele für ähnlich visionär halten wie Apple-Gründer Steve Jobs. Stattdessen steht Erisman in einem Hörsaal der Technischen Universität in München und scherzt: "Ich habe das Unternehmen verlassen, als sich Manager zum ersten Mal Flüge in der Businessclass leisten durften."
Ausgestiegen ist der Amerikaner 2008. Da war Alibaba, das in China ähnliche Dienste anbietet wie Ebay und Amazon, längst ein Internetgigant. Zuvor hatte Erisman acht Jahre lang den Weg des Start-ups zum Großkonzern begleitet, als Vizepräsident für internationales Marketing. Der Politikwissenschaftler war nach seinem Studium nach China gezogen, um die andere Hälfte der Welt kennenzulernen, wie er sagt. Um die Jahrtausendwende heuerte er dann bei Alibaba an. Dort stand er zusammen mit dem chinesischen Gründer Jack Ma zunächst die Dotcom-Krise durch. Im Jahr 2006 verdrängte der Alibaba-Ableger Taobao schließlich Ebay aus China. Die Plattform ist viel stärker auf die chinesischen Bedürfnisse zugeschnitten, statt auf das Ende einer Online-Auktion zu warten, können Käufer und Verkäufer direkt miteinander chatten und über den Preis verhandeln. Spätestens nach dem Taobao-Triumph war Alibaba eine Erfolgsgeschichte. Doch Erisman entschied sich, zu gehen. "Es war ein naheliegender Zeitpunkt, mir eine neue Herausforderung zu suchen", sagt er heute.
Zunächst wollte er ein Buch schreiben. Letztlich ist Erisman Regisseur geworden. Sein preisgekrönter Dokumentarfilm " Crocodile in the Yangtze" erzählt den Aufstieg Alibabas nach. "Ich hatte diese künstlerische Seite schon immer in mir", sagt er. Kaufen kann man den Film noch nicht, von Ende Mai an soll er aber auf einer Videoplattform im Internet erscheinen.
Eine Hommage - aber nicht neutral
Erismans Film ist eine Hommage an Jack Ma, dem er viel Charme und Durchhaltewillen bescheinigt. Mal kontert Ma im Film kritische Journalistenfragen, mal tanzt er in der Technodisco. In vielen Szenen hält der ehemalige Englischlehrer Motivationsreden. "Heute ist hart, morgen ist hart, aber übermorgen ist wunderschön", sagt Ma etwa.
Bei den Studierenden kommt die Geschichte vom hartnäckigen Internetpionier gut an. Was er aus seiner Zeit bei Alibaba mitgenommen habe, will ein Zuhörer bei der vom Start-up Paymill organisierten Veranstaltung von Erisman wissen. Seine Antwort: "Ich blicke nicht auf Leute herab, die nur eine schäbige Visitenkarte haben." Als Werbung will er den Film nicht verstanden wissen. Er habe keine Verbindung mehr zu seinem früheren Arbeitgeber. Ganz neutral sei er aber nicht: "Wenn der Film Alibaba schaden würde, hätte ich ihn nicht gemacht."
Schlecht scheint sein Werk bei den ehemaligen Kollegen jedoch nicht anzukommen. Jack Ma habe ihn eingeladen, den Film bei der Zehn-Jahres-Feier von Taobao zu zeigen, erzählt Erisman. Der geplante Gang an die Wallstreet überrascht ihn nicht. Seine Alibaba-Anteile habe er aber fast alle verkauft, nur aus Erinnerung halte er noch an ein paar Aktien fest.
Nun möchte er junge Unternehmer inspirieren. "Ich hatte das Glück, bei einer Erfolgsgeschichte dabei zu sein", sagt er. Zudem wolle er eine Brücke zwischen der Volksrepublik und dem Westen bauen. "Es herrscht eine unnötige Angst vor Chinas wirtschaftlichem Aufstieg", sagt er. Sein nächster Beitrag zur Völkerverständigung ist schon geplant: Aus Jack Mas Geschichte soll schon bald ein Spielfilm werden, die Rechte hat Erisman bereits nach Hollywood verkauft.