Digitaler Nachlass:Sterben verboten

Digitaler Nachlass: Die Bürokratie bei Paypal macht auch vor dem Tod nicht halt

Die Bürokratie bei Paypal macht auch vor dem Tod nicht halt

(Foto: Simeon Muller / Unsplash)
  • Paypal schickte einer Verstorbenen einen Brief mit dem Hinweis, dass sie gegen die Vertragsbedingungen verstoße, da sie gestorben sei.
  • Das Unternehmen drohte der Toten unter anderem mit rechtlichen Schritten und einem Inkassounternehmen.
  • Dieser Fall zeigt, wie unsensibel Unternehmen sind, wenn sie auf automatisierte Schreiben vertrauen.

Von Marvin Strathmann

Wenn ein Mensch stirbt, müssen Hinterbliebene nicht nur ihre Trauer verarbeiten, sondern zudem viele Dinge regeln: Wie soll das Begräbnis aussehen, was ist mit dem Testament, welche bürokratischen Vorschriften müssen eingehalten werden? Bei vielen Unternehmen müssen Konten gekündigt und Daten verwaltet werden. Ein Fall in Großbritannien zeigt, dass vorgefertigte Antwortformulare und automatische Nachrichten von Unternehmen makaber wirken, wenn es um den Tod von Kunden geht. Leidtragende sind die Hinterbliebenen.

Die Britin Lindsay Durdle starb am 31. Mai an Brustkrebs. Ihr Mann Howard Durdle informierte anschließend Paypal über den Tod seiner Frau und stellte dem Unternehmen Kopien ihrer Sterbeurkunde, ihres Testaments und ihres Ausweises zur Verfügung. Trotzdem schickte Paypal ein Schreiben an die Verstorbene mit der Aufforderung, Schulden von 3240 Pfund zu begleichen - etwa 3660 Euro.

Als Begründung schreibt Paypal: "Sie haben gegen Klausel 15.4(c) in der Vereinbarung mit Paypal Credit verstoßen, da wir erfahren haben, dass Sie verstorben sind." Daher sei Paypal dazu berechtigt, den Account von Lindsay Durdle zu schließen und die Rückzahlung des ausstehenden Betrags zu verlangen. In einer Liste mit möglichen Maßnahmen droht Paypal unter anderem damit, rechtliche Schritte gegen die Verstorbene einzuleiten oder ein Inkassounternehmen zu beauftragen.

Witwer beschwert sich über Paypal

Laut dem Online-Portal The Next Web heißt es in der betroffenen Klausel 15.4(c): "Wir können das Guthabenkonto schließen und eine volle Rückzahlung des Betrags verlangen, den Sie uns schulden, wenn Sie sterben oder unzurechnungsfähig werden."

Howard Durdle veröffentlichte den Brief auf Twitter und beschwert sich über die unsensible Antwort von Paypal. Der BBC sagte er: "Wenn ich einen großen Wirbel darum mache, dann um sicherzustellen, dass Paypal oder andere Unternehmen, die solche unsensiblen Sachen machen könnten, den Schaden erkennen, den sie bei Hinterbliebenen anrichten können."

Paypal kontaktierte Howard Durdle, entschuldigte sich, erließ seiner Frau die Schulden und schloss ihren Account. "Wir haben die internen Unternehmensprozesse vordringlich untersucht und Veränderungen veranlasst, damit ein unsensibler Fehler dieser Art nie wieder vorkommt", sagte das Unternehmen der New York Times. Warum genau Paypal das Schreiben verschickte, sagt das Unternehmen nicht.

Durdle berichtete der BBC, dass Paypal ihm drei mögliche Gründe für den Brief an seine Frau nannte: Entweder war es ein Softwarefehler, eine schlechte Briefvorlage oder ein menschliches Versehen. Wenn es eine schlechte Briefvorlage war, dann haben vermutlich auch Dutzende andere verstorbene Kunden, beziehungsweise ihre Hinterbliebenen, eine ähnliche Nachricht erhalten. Ein menschliches Versehen würde bedeuten, dass ein Mitarbeiter den Brief autorisiert haben könnte, oder einfach das Wort deceased, also verstorben, in eine Vorlage eingetragen hätte.

Briefe an Tote zu schicken, wirkt in jedem Fall makaber. Selbst wenn ein berechtigtes Interesse besteht, etwa wenn Paypal ausstehende Beträge einfordern möchte. Dann ist es auch egal, ob ein Computer diese Nachrichten automatisch versendet oder ein Mensch bestimmte Vorlagen ausfüllt.

Paypal ist kein Einzelfall

Aber das ist nicht nur ein Problem von Paypal. Viele Unternehmen stoßen mit automatisch generierten Nachrichten und Vorlagen an eine Grenze, wenn es um den Tod eines Menschen geht. Für einen Computer und in den internen Abläufen im Unternehmen mag der Tod nur ein weiterer Grund für eine Kündigung oder das Eintreiben von Schulden sein, für die Hinterbliebenen ist er allerdings ein einschneidendes Erlebnis.

2014 schickte ein Unternehmen für Bürobedarf einen Werbebrief an eine Familie in Chicago, die ein Jahr zuvor ihre Tochter bei einem Autounfall verloren hatte. In der Adresszeile stand unter anderem "Tochter getötet bei Autounfall". Eine Erklärung dafür erhielten die Eltern nicht.

Ebenfalls 2014 musste Facebook erfahren, dass auf dem sozialen Netzwerk nicht nur Katzenbilder oder Urlaubsfotos gepostet werden. Facebook erstellte am Ende des Jahres einen Rückblick über die vergangenen zwölf Monate und erinnerte den Grafikdesigner Eric Meyer an Dinge, die er zu dem Zeitpunkt vermeiden wollte: An den Tod seiner sechsjährigen Tochter. "Ich habe an diesem Nachmittag nicht nach Trauer gesucht, aber sie hat mich trotzdem gefunden", schrieb Meyer damals. Er bekam ein Foto seiner verstorbenen Tochter zu sehen, das er früher geteilt hatte, umringt von Menschen, die eine Party feierten. Weitere Nutzer beschwerten sich, dass sie von Facebook an verstorbene Menschen erinnert wurden.

"Große Unternehmen sind nicht besonders gut darin, damit umzugehen." So beschreibt Howard Durdle seine Erfahrungen dem Sender BBC Radio 2. Nach dem Brief von Paypal erreichte ihn ein weiteres Schreiben für seine verstorbene Frau, von der Bank Barclays. Auch diesem Unternehmen hatte Durdle zuvor mitgeteilt, dass seine Frau verstorben war.

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