Digitale Überwachung:Die Schatzkarte der NSA

Schatzkarte, Treasure Map

Das Programm Treasure Map ist für Geheimdienstler in den USA und Großbritannien tatsächlich ein Schatz.

(Foto: Stefan Dimitrov)

Geheimdienste aus den USA und Großbritannien sollen direkten Zugriff auf das Netz der Telekom und anderer deutscher Anbieter haben. Mit dem Programm "Treasure Map" können die Spione jedes einzelne Gerät, das mit dem Internet verbunden ist, sichtbar machen.

Von Johannes Boie

Eine Schatzkarte ist für die meisten Menschen eine Erinnerung an Abenteuerliteratur. Für die Mitarbeiter britischer, amerikanischer und wohl auch australischer, neuseeländischer und kanadischer Geheimdienste verbirgt sich hinter diesem Begriff etwas anderes: "Treasure Map" ist ein weiteres Programm, mit dem die detaillierte, zielgerichtete Überwachung einzelner Menschen durch das Internet möglich ist; sogar Überwachung und Zugriff auf Geräte einzelner Nutzer wie Handys, Tablets und Computer soll möglich sein. Dies berichtet das Magazin Spiegel, das sich auf neue Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden bezieht.

Als Teil des Programms sollen die Dienste tief in die kritische Infrastruktur der deutschen Unternehmen Telekom, Netcologne und Stellar eingedrungen sein, vermutlich sind noch weitere Firmen betroffen. Netcologne ist ein lokaler Internetprovider für mehr als 400 000 Nutzer in Köln, bei Stellar handelt es sich um ein spezialisiertes Unternehmen, das Internetverbindungen via Satellit anbietet, vor allem in Regionen, in denen bislang keine Kabel liegen, etwa in afrikanischen Wüsten. Das Programm "Treasure Map" ist bereits seit einem Bericht der New York Times im November bekannt.

Wie umfassend die Überwachung ist und wie sehr deutsche Firmen von dem Programm betroffen sind, wird allerdings erst jetzt deutlich.

Sollte die Überwachung so stattgefunden haben, wäre das ein Fall für die Staatsanwaltschaft

Die Dokumente, die zum "Treasure Map"-Programm gehören, zeigen, dass die Agenten mit der Technik verschiedene Ziele verfolgen. Einerseits soll "Treasure Map" die Infrastruktur des Internets abbilden, also aufzeigen, welchen physikalischen Weg über welche Leitungen und Verbindungen Daten nehmen. In entsprechenden Folien werden die Deutsche Telekom und Netcologne namentlich erwähnt und sind farblich hervorgehoben.

Außerdem enthalten Dokumente des britischen Geheimdienstes GCHQ, in denen es um Stellar geht, eine Liste von zehn Mitarbeitern des Unternehmens, darunter der Geschäftsführer, die offenbar wegen ihrer besonderen Kenntnisse der Firmentechnik überwacht wurden oder werden. Sollte die Überwachung wie von Snowden dargestellt stattgefunden haben, wäre sie nach deutschem Recht illegal und ein Fall für die Staatsanwaltschaft; zudem legt die Tatsache, dass Netcologne nur in Deutschland agiert, die Vermutung nahe, dass es zu einem Einbruch auf deutschem Boden gekommen sein muss.

Noch bedeutender für die Nutzer ist, dass "Treasure Map" den Spionen Zugriff auf die Netztechnik gewähren soll, darunter Router, also Rechner, die Datenverkehr regeln, und Kabel. Über diese können die Überwacher jedes einzelne Gerät, das irgendwie mit dem Internet verbunden ist, sichtbar machen. Das Überwachungssystem soll "nahezu in Echtzeit" funktionieren, es soll zur Lagebeobachtung und zur "Planung von Computerattacken und Spionageaktionen" eingesetzt werden.

Die betroffenen Unternehmen wurden von Journalisten bereits vor Wochen in Kenntnis gesetzt. Die Telekom sagte der Nachrichtenagentur Reuters, sie habe keine Anzeichen dafür gefunden, dass GCHQ oder NSA Zugriff auf ihr Netzwerk gehabt hätten, man untersuche den Vorfall. Außerdem habe man die deutschen Sicherheitsbehörden informiert. Falls die Geheimdienste sich Zugriffe verschafft hätten, "wäre das absolut inakzeptabel".

Die Telekom gehört zu einer kleinen Gruppe von Firmen, die weltweite Netze anbieten, sie hält auch Anteile an für die Netzinfrastruktur wichtigen Seekabeln, darunter das Kabel TAT-14, das oft im Zusammenhang mit Überwachung erwähnt wird. Es führt von Deutschland über Großbritannien in die USA. Entsprechend schwer ist es festzustellen, wo sich die Dienste eingeklinkt haben könnten. Wer den Zugang zu so großen Netzen knackt, kann viele Daten auf einmal abgreifen. Auch Netcologne hat bislang keinen Zugriff der Spione feststellen können. Die Stellar-Mitarbeiter zeigen sich in einem Spiegel-Video entsetzt über die Zugriffe. Die Firma ist nur eines von mehreren Unternehmen, die von den Geheimdiensten gehackt sein sollen. Den Reaktionen nach sind die Recherchen korrekt und legen nahe, dass die Überwachung so erfolgt ist, wie es die Snowden-Dokumente zeigen.

In den Papieren haben die Spione Geschäftsgeheimnisse der Kölner Firma aufgelistet - zum Beispiel, welche Kunden der Firma mit welcher Technik versorgt werden. Sie enthalten Passwörter von Stellar-Kunden in Klartext. Nach Angaben des Firmenchefs Ali Fares könnten die Geheimdienste mit den Informationen sogar Internetverbindungen einfach abschalten, zum Beispiel in Afrika. Seiner Darstellung zufolge können die Dokumente nur auf illegalem Weg beschafft worden sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: