Digitale Agenda:Wünschen und Wollen in Neuland

Die Bundesregierung hat ihre Vision zur digitalen Gesellschaft veröffentlicht. Ein Grundsatzpapier, das erklärt, wie die Welt von morgen aussehen wird. Was es nicht erklärt: Was die Politik tun will.

Von Hakan Tanriverdi

  • Die Bundesregierung präsentiert ihre Vision für die digitale Gesellschaft.
  • In den wichtigsten Punkten geht es um schnelles Internet und mehr Sicherheit für alle Bürger.
  • Zwar ist die Analyse des Status Quo sinnvoll, das allein reicht aber nicht aus.

Die Agenda ist ein Arbeitsprogramm

Die Bundesregierung hat an diesem Mittwoch ihre Vision für das Internet vorgestellt. Die "Digitale Agenda 2014-2017" wurde im Kabinett beschlossen und dreht sich im Kern um den Wunsch, dass bis 2018 so viele Bürger wie möglich über einen schnellen Internetzugang verfügen sollen. Die Rede ist von Übertragungsraten in Höhe von 50 Mbit pro Sekunde. Das entspricht in etwa den VDSL-Angeboten der großen Provider.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, der Anspruch der Agenda sei nicht, bereits abschließende Antworten zu präsentieren. Jedoch gehöre der digitale Wandel zu einer zentralen Aufgabe für die Regierung - neben der Energiewende und dem Fachkräftemangel. Die Digitale Agenda sei ein Arbeitsprogramm. "Es ist nicht unser Anspruch, dass alle Antworten richtig sind."

Die Agenda liest sich wie eine Uni-Vorlesung

Sowohl in den Entwürfen, als auch in der - angeblich - finalen Version (zu finden bei netzpolitik.org), wird betont, dass das Internet vor allem eine Chance sei. In dem Text steht zum Beispiel, dass der "Gegensatz zwischen "realer" und "virtueller" Welt" nicht existiere, sondern dass die Digitalisierung vielmehr eine zusätzliche Dimension darstelle.

In vergleichbar welterklärender Form bespricht die Bundesregierung in insgesamt sieben Handlungsfeldern jeden Begriff, der für die Digitalisierung in den vergangenen Jahren eine Rolle gespielt hat; Datenschutz und Sicherheit im Netz gehören dazu, ebenso die Förderung von Start-Ups und "Green-IT" (wie ökologisch sollen und können Unternehmen agieren?) bis hin zur "Industrie 4.0" (wie können Firmen und klassische Fabriken die Digitalisierung für sich nutzen?).

Die Agenda klingt wie eine Uni-Vorlesung. Sieben Handlungsfelder, die im Schnelldurchgang erklärt werden, Chancen und Risiken werden umrissen.

Bewertung:

Für sich genommen ist das Papier erst einmal zu begrüßen. Mit der Digitalen Agenda wird das Neuland offiziell erkundet. Die Agenda ist ein amtlicher Stempel dafür, dass die Digitalisierung gekommen ist, um zu bleiben und Stück für Stück sämtliche Lebensbereiche umkrempeln wird. Wichtig ist nun zu beobachten, ob diese Erkenntnis auch umgesetzt wird oder ob es bei bloßen Worten bleibt.

Die zwei wichtigsten Punkte: Breitbandausbau und Sicherheit

Breitbandausbau: Schnelles Internet für alle, das ist die Losung. Von den angepeilten 50 Mbit in der Sekunde ist Deutschland aktuell noch weit entfernt. Der Netzdienstleister Akamai kommt in seinem aktuellen Bericht auf eine durchschnittliche Anschlussgeschwindigkeit von 8,1 Mbit/s. (Tipp: Wenn Sie wissen wollen, wie schnell Sie in Ihrer Region ins Netz kommen, können Sie das auf dieser Seite prüfen.)

Sicherheit und "innovativer Staat": Spätestens seit der NSA-Affäre könne man sehen, dass es im Netz eine neue Währung gebe, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Diese Währung sei Vertrauen. Die Digitale Agenda setzt sich als Ziel, die Kommunikation über digitale Netze zu schützen, sprich: abhörsicher zu machen.

Außerdem soll die DE-Mail kommen. Mit ihr sollen Nutzer die Möglichkeit haben, rechtssicher Nachrichten und Dokumente über das Internet zu verschicken, zum Beispiel die Steuererklärung. "Das ist eine sichere Methode", sagte de Maizière.

Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen viele Behördengänge in Zukunft durch digitale Kommunikation ersetzt werden. Für Bürger sollen Konten eingerichtet werden, mit denen die "100 wichtigsten Aufgaben so gestaltet werden, dass man sie digital erledigen kann", so Innenminister Maizière.

Bewertung:

Auch wenn die Agenda in ihrem grundsätzlichen Blick auf die Welt richtig liegen mag, ihre Ausformulierung wird dem nicht ganz gerecht. Es ist schön, dass die Regierung davon ausgeht, dass die Menge an Daten in den kommenden Jahren zunehmen wird. Dobrindt nennt das "Daten-Tsunami". Wie der Breitbandausbau aber de facto auf die angepeilten 50 Mbit/s kommen soll, bleibt unklar. Die Telekom verlangt dafür 25 Milliarden Euro vom Bund. Wie und woher soll dieses Geld kommen? Eine schlüssige Antwort fehlt.

Auch die DE-Mail ist kritisch zu betrachten. Zwar sagte de Maizière, dass die Technologie eine "sichere Methode" sei. Die Postkarte, mit der die E-Mail oft verglichen wird, verwandelt sich in einen Brief - unlesbar von Dritten. Aber genau das ist die Kritik an der DE-Mail: Die Nachrichten werden "automatisiert entschlüsselt", um die E-Mails auf Viren zu überprüfen. Wenn das der Fall ist, dann ist diese E-Mail aber nicht sicher. Kein Brief, den nur die Beteiligten lesen, sondern höchstens eine Postkarte in einem offenen Kuvert.

Kritik an der Digitalen Agenda

Das Netzpolitik-Blog, das im Vorfeld der Präsentation mehrere Entwürfe der Agenda veröffentlichte, kommt zum Urteil: "Zu wenig, zu spät": "Absolut enttäuschend ist, dass über ein Jahr nach Snowden die Vollüberwachung der digitalen Welt überhaupt nicht angesprochen wird."

Explizit kritisiert werden vor allem zwei Punkte. Erstens, im Koalitionsvertrag steht (PDF), dass die Regierung den so genannten Routerzwang ablehnt. Die Nutzer müssen frei entscheiden können, welchen Router sie benutzen wollen. Bisher sind die Kunden in der Auswahl der Geräte von ihren Netzanbietern abhängig.

In der jetzt veröffentlichten Agenda fehlt dieses Bekenntnis. Zweitens die Störerhaftung: In der Agenda wird vorgeschlagen, die Störerhaftung neu zu regeln. Bisher erlegt das Gesetz den Betreibern von Wlan-Netzen eine Haftungspflicht auf. Egal, wer über das Netz illegales Material herunterlädt, Probleme bekommt der Besitzer des Anschlusses.

Dieser Passus wird nun gelockert - ein wenig zumindest. Wer eine Bar oder ein Café besitzt, soll ohne Bedenken ein offenes Wlan betreiben können. Kritikern geht dieser Schritt nicht weit genug. Sie fordern, dass dieser Grundsatz für alle gilt, also auch für Bürger. Die Hoffnung ist, dass so kostenloses Wlan flächendeckend verfügbar wird.

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