Die Regeln des Web (16):Küss die Hand mit Papst und Putin

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Spätestens seit der schwäbischen "Star Wars"-Parodie weiß jeder, dass erst nachsynchronisierte Filme richtig großes Kino sind. Der Spaß geht jetzt noch weiter: Drei Österreicher vertonen Kirchen- und Kremlführer. Dies und mehr in unserer Netzweltkolumne.

Dirk von Gehlen

Regel 61: Das Netz gehört den Amateuren

Immer schön weglaufen (Foto: Bilder: runningfromcamera.blogspot.com)

Wenn jeder dabei ist (vgl. Regel 57: Die universelle Sprache im Netz heißt: Mitmachen), heißt das vor allem: Es kann nicht jeder ein Profi sein. Das Netz ist in erster Linie ein weltweiter Treff für Amateure - wie der Fotograf Stefan Jandl mit seiner Becker-Hecht-Galerie beweist: Der Fotograf hat Amateur-Tennisspieler fotografiert, wie diese den Single und Erziehungsratgeber beim Tennis spielen imitierten.

Mindestens ebenso gut ist das Projekt Running from Camera, bei dem ein holländischer Fotograf sich selber dabei fotografiert, wie er vor der Kamera wegläuft. Auf seiner Seite erklärt er: "Die Regeln sind einfach. Ich stelle den Selbstauslöser der Kamera auf einen Zeitraum von zwei Sekunden ein, drücke den Auslöser und versuche so weit wie möglich von der Kamera weg zu kommen." Das sieht sehr lustig aus - obwohl es allen professionellen Ratschlägen für ein Foto widerspricht.

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Regel 62: Das Netz ist allumfassend - jetzt auch mit eigener Partei

Wir sind das Netz (Foto: Screenshot: Senator-On-Line)

Es liefert kreativen Prostet (vgl. Regel 17), ist Plattform für Parlamentspolitiker (vgl. vgl Regel 20) und Bühne für virtuellen Widerstand (vgl. Regel 60). Kein Wunder also, dass das Netz jetzt auch eine eigene Partei hat: Senator On-Line (SOL) ist eine australische Wählervereinigung, die sich selbst als die erste Online-Partei bezeichnet. Auf der Partei-Website kann man seine Meinung äußern und unter YouTube/senatoronline kann man Wahlwerbung der Web-Partei anschauen. Einzigartig an SOL ist aber das Verständnis von direkter Demokratie: Die von dem Unternehmer Berge Der Sarkissian gegründete Partei will Gesetzesvorschläge online abstimmen lassen.

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Regel 63: Das Netz zeigt vor allem offline seine Wirkung

Als die Website WhatsYourPlace.de in der vergangenen Woche online ging, behaupteten die Macher zwar, es ginge auf der Seite um virtuelles Eigentum. In Wahrheit ist die Idee von WhatsYourPlace (hier kann jeder User seine Lieblingsorte kaufen) nicht mehr als eine Kopie mit Offline-Bezug (vgl. Regel 47: Das Internet schreckt vor Wiederholungen nicht zurück): Wie bei Alex Tews Million-Dollar-Homepage geht es darum, dass Menschen im Netz virtuelle Dinge kaufen, die sie mit echtem Geld bezahlen. Bei Tew waren es (Werbe-)Pixel, bei WhatsYourPlace sind es Grundstücke im Kartendienst GoogleMaps. Insofern zeigt die Website nicht nur, wie gut ein Mashup funktionieren kann (vgl. Regel 41 Das Netz verbindet), sie beweist auch: Besonders interessant wird das Netz im echten Leben. Wenn man beispielsweise online das Offline-Kanzleramt erwerben kann.

Dass das Web aber auch Wirkung zeigen kann, wenn man gar keinen Zugang hat, dafür sorgt die Mail-Adresse www@web2mail.com. Wer an diese Adresse ein Mail schickt und in der Betreffzeile die URL einer Website angibt, erhält innerhalb kurzer Zeit (fünf bis 30 Minuten) eine Kopie dieser Seite - per Mail. Das ist beispielsweise in den Ländern von großer Bedeutung, wo Regierungen gewisse Webseiten sperren lassen, weil diese unliebsame Informationen verbreiten. Für diese Fälle will auch www4mail@wm.ictp.trieste.it Abhilfe anbieten - Details zu dem Thema gibt es unter Web2Mail.

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Regel 64: Auch das weltweite Netz spricht Dialekt

Ganz klar: Das Internet spricht eine eigene Sprache (vgl. Regel 16), wenn es aber über die reine Verständigung hinaus geht, beherrscht das Netz auch zahlreiche Dialekte. Bereits in Regel 5 ( Das Netz funktioniert nach dem Prinzip: Weitersagen) waren dieses Dialekte Thema. In diesen Tagen tauchen sie wieder vermehrt im Netz auf. Unter dem Titel Bruce Willis und Ebay kann man sich anschauen, wie der Action-Star eine nicht gelieferte Bestellung des Auktionshauses selber abholen möchte. In Leonardo di Caprio und die schwäbische Wurst wird der "Titanic"-Schauspieler in die Technik des Wurst-Schneidens eingewiesen - auf Schwäbisch. Dass nicht nur Schwäbisch ein lustiger Dialekt ist, beweist Bill Murray in der Adaption des recht ähnlich lautenden Films Lost in Kölsch-Translation, Gleiches gilt für diese "Harry Potter"-Sequenz.

Dass man mit dem Nachsynchronisieren von Filmen viel Spaß verbreiten kann, beweisen die drei Österreicher von maschek. Unter youtube.com/user/maschek kann man sich ihr Werk anschauen, das den Papst beim Besuch in Österreich genauso verulkt wie Wladimir Putin, der in die Alpenrepublik reist. Peter Hörmanseder, Ulrich Salamun und Robert Stachel sind dabei so erfolgreich, dass sie ihre Film-Späße derzeit im Rabenhof Theater auf die Bühne bringen.

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