Deutsche Telekom in der NSA-Affäre:Geldverdienen in Zeiten der Wut

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Nach dem NSA-Skandal versuchen sich deutsche Firmen über den Datenschutz zu profilieren

(Foto: AFP)

Maßlose Geheimdienste und sammelwütige Internet-Konzerne haben das Vertrauen in die digitale Welt erschüttert. Die Telekom will Kunden mit einem besonderen Smartphone nun die Hoheit über ihre Daten zurückgeben. Kann das funktionieren?

Von Varinia Bernau

Eigentlich kommen die Dinge immer dann in Bewegung, wenn die Wut groß genug ist. Doch die Debatte um einen einheitlichen europäischen Datenschutz zeigt gerade das genaue Gegenteil. Zwar steigt die Wut. Mit jeder neuen Enthüllung des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über die maßlosen Spähaktionen der Geheimdienste, die sogar Daten von Handy-Spielen abgreifen, wie am Montag bekannt wurde. Und sie steigt mit jeder weiteren Ankündigung von US-Technologiekonzernen wie Google, das Auto oder die Heizung zu erobern und so immer weiter in unseren Alltag vorzudringen.

Doch die Bemühungen der Europäer, sich auf einen einheitlichen Datenschutz zu einigen, stocken. Vergangene Woche erst musste Justizkommissarin Viviane Reding einräumen, dass es das Parlament nicht mehr schaffen werde, die Novelle der Datenschutzverordnung, an der seit zwei Jahren verhandelt wird, vor der Europawahl im Mai zu verabschieden. Immerhin hat Reding eine Einigung noch dieses Jahr in Aussicht gestellt.

Ob das etwas wird? "Ich kann nur hoffen, dass sie das einhalten kann", sagt Thomas Kremer, der im Vorstand der Deutschen Telekom für Datenschutz zuständig ist. "Wir brauchen den einheitlichen europäischen Datenschutz - damit sich auch die amerikanischen Unternehmen an die hiesigen Standards halten. Und damit die Bürger überall, egal wo sie die Internetdienste abrufen, einen einheitlich hohen Standard bekommen." Kremer wird nicht müde, seine Appelle an die Politik zu wiederholen. Und doch weiß er, dass es damit nicht getan ist.

Die digitale Souveränität zurückgeben

Die Rechnung der Telekom ist einfach: Je stärker die Menschen das Vertrauen in die digitale Welt verlieren, desto schlechter laufen die Geschäfte. Deshalb versucht sie, in Bonn das zu tun, was sie auch ohne die Politik tun kann - und sich so von den anderen abzuheben. Der neueste Versuch: Auf dem Mobile World Congress, zu dem sich die Branche im Februar in Barcelona trifft, will die Telekom ein Smartphone vorstellen, bei dem der Kunde bestimmen kann, welche Informationen er preisgibt - und welche nicht.

Wer sich heute eine App herunterlädt, muss dem Anbieter dafür in der Regel recht umfassenden Zugriff auf seine Daten gestatten. Es ist keine Seltenheit, dass man auch den Zugriff aufs Telefonbuch erlauben muss - voll und ganz. Bei dem Prototypen, den die Telekom nun vorstellen will, kann man beispielsweise bei einer Wetter-App wählen, ob man nur verrät, in welcher Stadt man gerade ist - oder sogar in welcher Straße. Der Kunde bestimmt, nicht der Konzern. "Wir wollen den Menschen die digitale Souveränität zurückgeben", sagt Kremer.

Haben Privatsphären-Phones Zukunft?

Tatsächlich trifft die Telekom damit einen gewissen Zeitgeist. Mit dem Blackphone hat ein weiteres Entwicklerteam für die Mobilfunkmesse in Barcelona auch das "weltweit erste Smartphone, das die oberste Priorität auf die Privatsphäre seines Besitzers setzt", angekündigt. Doch Annette Zimmermann, Analystin beim Marktforschungsinstitut Gartner, ist skeptisch, ob solche Geräte das Zeug dazu haben, die Masse zu begeistern. Die wichtigsten Kriterien beim Kauf eines Smartphones, so weiß sie aus Kundenbefragungen, seien die Geschwindigkeit und die Frage, wie lange der Akku hält. "Zwar betonen alle, wie wichtig ihnen der Datenschutz ist, aber wenn es wirklich darauf ankommt, sind sie doch bereit, da Abstriche zu machen."

An der Software, mit dem der Kunde die Hoheit über seine Apps gewinnen soll, hat die Telekom gemeinsam mit der Mozilla-Stiftung gearbeitet und auch schon dem Chaos Computer Club sowie kritischen Datenschützern zur Einschätzung vorgelegt. Solche Allianzen, so scheint es, sind der einzige Weg, um beim Datenschutz, aber in Sicherheitsfragen voranzukommen. Nicht zuletzt weil es den europäischen Unternehmen für einen Alleingang an Geld und guten Leuten fehlt. "Es wäre eine Illusion anzunehmen, dass ein Unternehmen alle Herausforderungen bei Datenschutz und IT-Sicherheit allein stemmen könnte", sagt Kremer.

Mehr Datenschutz, mehr Kompromisse

Doch Allianzen haben ihre Grenzen. Sie reichen nur so weit, wie man sich mit dem anderen auf ein gemeinsames Ziel einigen kann. Diejenigen aber, die in der digitalen Welt den Ton angeben, hüten ihren Datenschatz, weil er die Grundlage für ihre einträchtigen Geschäfte ist. Wer das von der Telekom angedachte Telefon nutzen will, muss sich damit abfinden, dass man nur die wenigen Apps verwenden kann, die für sein Betriebssystem, Firefox OS von Mozilla, geschrieben oder angepasst wurden. Dessen Marktanteil ist verglichen mit dem von Google sehr gering. Da liegt die Grenze.

So wie die von der Telekom angekündigte E-Mail-Verschlüsselung nicht greift, sobald man Post von einer T-Online-Adresse an eine außerhalb von T-Online schickt. So wie die angestoßene Initiative, den Internetverkehr in Europa zu belassen, ihre Wirkung verliert, wenn man Googles Suchmaschine ansteuert. Auch deshalb ist die Telekom darauf angewiesen, dass sich Europa schnell auf einen Datenschutz einigt.

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