Design-Schau in Frankfurt:Wie Apple zum Popmythos wurde

Eine Frankfurter Ausstellung zeigt, wie das Design von Apple das Verhalten der Nutzer prägt - und warum der Hype um die Produkte von Steve Jobs bald vorbei sein könnte.

Laura Weissmüller

Popkultur hinter Glas funktioniert nicht. Die Gitarre von Jimi Hendrix lässt einen ziemlich kalt, wenn sie an der Museumswand hängt, auch Bob Dylans Lederjacke mag perfekt ausgestrahlt keinen großen Zauber verbreiten. Selbst persönliches Hab und Gut der Fab Four wirkt ziemlich leblos, wenn es seinen Platz in einer Vitrine gefunden hat.

Ähnlich verhält es sich mit Produkten der Firma Apple, die jetzt in einer Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt zum ersten Mal designhistorisch durchleuchtet werden.

Angestrahlt müsste man besser sagen und vielleicht ist der leicht fade Eindruck, der sich ziemlich schnell vor den Schaukästen dabei einstellt, gerade der beste Beweis für die Rolle, die diese Geräte in der Gegenwart längst eingenommen haben. Sie sind purer Pop, kondensierte Sehnsuchtswünsche in Bildschirm und Akku, wer sie besitzt, gehört dazu - nur: Um diesen Reiz auszulösen, muss man sie auch berühren können.

Umso mehr ist das der Fall, weil ja ein Gerät den Siegeszug von Apple endgültig eingeläutet hat, das dem taktilen Begreifen die zentrale Rolle zuspricht: der iPod. Bei dem MP3-Player, der vor exakt zehn Jahren von Hardware-Entwickler Tony Fadell erfunden wurde, hieß es drücken und drehen, um zu verstehen.

Die eigene Musiksammlung konnte plötzlich komplett in ein zigarettenschachtelgroßes Gerät gepackt werden, aber fast noch besser war die Tatsache, dass nach höchstens drei Klicks das gewünschte Lied zu hören war.

Beipackzettel überflüssig

Lange Beipackzettel mit komplizierten Bedienungsanleitungen machte das überflüssig, der iPod war zum Sofort-Benutzen da, nicht zum Erst-Verstehen-Müssen. Der heutige Chefdesigner Jonathan Ive hat es geschafft, die simple Handhabung in dem elegant minimalistischen Design des iPods zu spiegeln.

So konnte die Firma vom kleinen Außenseiterunternehmen zum wertvollsten Technologiekonzern der Welt aufsteigen - mit einem Börsenwert von mehr als 300 Milliarden Dollar und abgehängten Konkurrenten wie Microsoft.

"Good design is good business" heißt es bei Thomas J. Watson, dem Gründer von IBM, und es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass Apple den Realitätsbeweis dafür liefert. Die Firma, die wie jede ordentliche Erfolgsgeschichte der amerikanischen Postmoderne mit zwei Informatikstudenten 1976 in einer Garage von Silicon Valley begann, hat sich konstant zu einem Designimperium entwickelt.

Nicht bahnbrechende Erfindungen oder technische Höchstleistungen haben schließlich das Unternehmen aus Kalifornien zum Marktführer gemacht, sondern die so schlichte wie einprägsame Formensprache, die heute von Peking über Delhi bis Moskau sofort erkannt und der Firma zugeordnet wird. Apple, das ist sozusagen Design.

Dass das nicht von Anfang an so war, zeigt das Logo, das Ronald Wayne zusammen mit den Gründern Steve Jobs und Steve Wozniak 1976 der Garagenfirma zeichnete: Im Stil eines barocken Kupferstichs sitzt da der junge Isaac Newton unterm Baum, Buch und Feder in den Händen.

Direkt über seinen Kopf schwebt im Strahlenkranz ein Apfel. Eine Anspielung darauf, wie der Wissenschaftler auf sein Gravitationsgesetz gekommen sein mag. Doch schon kurz darauf verschwindet das dünkelhafte Bildchen mit flatternder Banderole wieder. Zurück bleibt der Apfel, diesmal angebissen - die Technikwelt hat ein wenig Spaß verdient.

Wie man sich den in etwa vorzustellen hat, zeigt Ridley Scott, der Regisseur von "Blade Runner", in seinem Werbevideo für Apple zur Einführung des ersten Macintosh 1984: Eine sportliche Blondine in knallroten Hotpants läuft hammerschwingend durch endlose Reihen grau bemäntelter Männer, die der Rede ihres Meisters am Großbildschirm vorne apathisch folgen. Mit einem gezielten Wurf zerstört die Frau Ansprache wie Monitor - Zeit, dass etwas Farbe in die Computerwelt einzieht.

Doch abgesehen von dem seit 1977 bunt gestreiften Apfel des Firmenlogos dauerte es noch ein paar Jahre, bis zum ersten Mal Farbe auf den Schreibtisch kam. Erst der iMac G3 löste 1998 das Versprechen ein, dem grauen Alltag ein Ende zu bereiten: Sein halb durchsichtiges Gehäuse war blau, rot, türkis.

Der i-Kosmos und die Gefahr des Scheiterns

Mit der Farbe verschwand auch der rechte Winkel. Die Geräte wurden rundlicher, organischer, der iMac G3 erlaubte sich das klassische Kindchenschema - obwohl 1998 der Computer noch lange nicht ins Kinderzimmer eingezogen war.

Doch das Gerät war ein Erfolg, die Firma, die damals kurz vor der Pleite stand, war gerettet, Steve Jobs, der für einige Jahre das Unternehmen verlassen hatte, feierte einen fulminanten Wiedereinstieg und Jonathan Ive durfte dank seines ersten Entwurfs für die Firma gleich die Position des Kronprinzen beziehen.

Umso erstaunlicher ist auf den ersten Blick, dass sich die Formensprache der Apple-Geräte Anfang des Jahrtausend gravierend änderte: Spätestens mit dem iPod ist Weiß wieder die vorherrschende Farbe des Unternehmens, die Rundungen werden flacher. Vom poppigen Spaßmacher zum kühlen Minimalisten heißt die Devise, die Ive ausgibt, womit er tatsächlich das weiterführt, was Hartmut Esslinger, deutscher Produktdesigner und Gründer von frog design, mit dem gebrochenen Weiß und der grafischen Linienführung 1984 beim Mac angestoßen hatte.

Dieses Motto zieht sich bis heute nicht nur durch die gesamte Produktpalette inklusive Verpackung, es wird auch in jeder einzelnen Filiale streng beherzigt: Es sind transluzente Kathedralen aus Glas, in denen nichts von den neuen Geräten ablenkt. Ein Gesamtkunstwerk - und höchst verkaufsfördernd.

Ging der iPod classic zwischen 2001 und 2008 mehr als 130 Millionen Mal über den Ladentisch, werden heute täglich 230.000 iPhones und iPads verkauft, das gerade eingeführte iPad 2 verspricht, neue Verkaufsrekorde aufzustellen. Was der MP3-Player vorbereitet hat, haben die zwei Touchscreen-Geräte nun vollends verwirklicht: Der eigene Finger wird zur Verbindung zur Welt.

Abgesang auf das Statussymbol

Spätestens jetzt wird das "i" vor den Produkten auch als "ich" verstanden. Der Benutzer wird Teil des i-Kosmos, die Geräte verändern sein Verhalten; sie bestimmen, wie er kommuniziert, shoppt, sich bewegt - mehr Kundenbindung geht nicht.

Ob das die Treue der Konsumenten zum Konzern erklärt? Schließlich hat Apple sich sein Design immer bezahlen lassen. Konkurrenzprodukte sind deutlich günstiger und nicht selten technisch besser.

Zusätzlich häufen sich die Fälle, in denen der Konzern ein paar schwarze Flecken auf sein strahlend weißes Image bekommt: Arbeiter, die sich umbringen, weil sie in den chinesischen Zulieferfirmen unter unmenschlichen Bedingungen beschäftigt sind. Andere, die sich beim Reinigen der Apple-Touchscreens vergiften.

Doch gefährlicher dürfte für das Unternehmen tatsächlich der eigene Erfolg werden: Was jeder hat, taugt nicht mehr zum Statussymbol. Das Erkennungsmerkmal für eine eingeschworene Gemeinde, die ihre Mitglieder allein am weißen Kabel ihrer iPod-Kopfhörer orten konnte, geht verloren. Noch ein Beweis, dass wir es hier mit einem Pop-Phänomen zu tun haben. Als selbst der Vater die Beatles gut fand, war es mit der Hysterie vorbei.

"Der i-Kosmos. Macht, Mythos und Magie einer Marke", Museum für Angewandte Kunst Frankfurt, bis 8. Mai, Infos unter www.angewandtekunst-frankfurt.de

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