Smartphone-Dienst Grindr:Jagd auf Schwule - via Dating-App

Smartphone-Dienst Grindr: Der Aufenthaltsort der Grindr-Nutzer kann leicht gefunden werden - besonders kritisch in Ländern, in denen Homosexuelle verfolgt werden.

Der Aufenthaltsort der Grindr-Nutzer kann leicht gefunden werden - besonders kritisch in Ländern, in denen Homosexuelle verfolgt werden.

Ägyptische Polizisten sollen die Dating-App Grindr benutzen, um Schwule zu orten. Endlich reagiert das Unternehmen - dabei war es schon vor einem halben Jahr gewarnt worden.

Von Hakan Tanriverdi

Die Warnung kam im Februar per E-Mail, war nur vier Zeilen lang und schloss mit einem Hinweis: "Grindr zeigt die exakte Distanz zwischen Nutzern an. Dadurch wird es möglich, sie zu orten." Die Botschaft war klar: Das darf nicht sein. Denn Grindr ist die bekannteste Dating-App für homosexuelle Männer, sechs Millionen Menschen sollen sie nutzen, in 192 Ländern. Also auch dort, wo Homosexuelle verfolgt, verhaftet und getötet werden.

Doch die Verantwortlichen bei Grindr schwiegen. Erst Ende August kam eine Stellungnahme, die Firma wiegelte ab: Wer wolle, könne die Anzeige der Distanz doch ausschalten, über die das exakte Orten möglich sei. Das war alles.

Wer Grindr auf seinem Handy nutzen will, gibt dem Dienst seinen Standort preis. Daraufhin bekommt er 50 Profile von Menschen angezeigt, die ebenfalls Grindr nutzen und sich in der Nähe befinden. Nicht angegeben wird, in welche Richtung man gehen muss, um die Distanz zu verringern. Exaktes Orten aber ist trotzdem möglich: durch sogenannte "Triangulation". Wenn man weiß, dass die Person von einem Ort einen Kilometer entfernt ist und vom anderen Ort 800 Meter, weiß man, dass sich die Person gerade an einem von zwei möglichen Orten aufhält. Hat man einen dritten Ort, von dem sie beispielsweise 500 Meter entfernt ist, ist ihr Aufenthaltsort eindeutig bestimmbar.

Grindr hat die Gefahr unterschätzt

Smartphone-Dienst Grindr: Treffer: In der eigentlich als Dating-App gedachten Anwendung zeigt das Handy selbst Fotos der Gesuchten an.

Treffer: In der eigentlich als Dating-App gedachten Anwendung zeigt das Handy selbst Fotos der Gesuchten an.

(Foto: oh)

Apps wollen komfortabel sein - und für Menschen, die ohne Probleme offen schwul leben können, kann eine solche Funktion nützlich sein. Aber Technik ist nie neutral. Was also für die eine Person nützlich ist, kann anderen Personen schaden. Dieser Schaden wurde dokumentiert in Form eines Artikels auf der Internet-Seite Cairo Scene. Dort heißt es in der Überschrift: "Ägyptische Polizisten benutzen Grindr, um Jagd auf Schwule zu machen". Am Tag zuvor wurde auf Youtube ein Video hochgeladen, das zeigen soll, wie ein homosexuelles Pärchen in Ägypten auf einem Boot heiratet. Es wurde dutzendfach geteilt und in Talkshows gezeigt. Ein paar Stunden später hätten einige Nutzer von Grindr sich untereinander gewarnt, heißt es auf Cairo Scene.

Mittlerweile haben die Betreiber von Grindr zugegeben, dass ihre erste Reaktion falsch war, und in einem Blogbeitrag ausgeführt, dass sie die Nutzer schützen wollen, sofern sie in einem Land leben, in dem Gewalt an Homosexuellen regelmäßig stattfindet: "Bei Menschen, die Grindr in diesen Ländern benutzen, werden wir die Distanzfunktion automatisch ausschalten." Zu diesen Ländern gehören unter anderem Saudi-Arabien, Nigeria, Russland und eben Ägypten.

"Als die Berichte aus Ägypten kamen, drehte sich mir der Magen um"

Die vierzeilige Warnung im Februar schrieb Adrian E., der lieber anonym bleiben möchte. "Was mich an dieser Geschichte so massiv stört ist, dass es über ein halbes Jahr dauerte, bis sich etwas getan hat", sagt er. Adrian E. hat eine Zeitleiste seiner Aktionen veröffentlicht. Es ist auch ein Video zu sehen, in dem er die Standorte von Grindr-Nutzern bis auf das Haus genau bestimmen kann.

"Als die Berichte aus Ägypten kamen, drehte sich mir mehrfach der Magen um", sagt er, er wollte dann nicht länger warten. Er begann, die Nutzer selbst auf die Lücke hinzuweisen. Er suchte sich eine Liste von Ländern und deren größte Städte, gab einen willkürlichen Ort an und bekam daraufhin 50 Profile in der Nähe. Ihnen schrieb er eine Warnmeldung mit Links zu Videos, in denen er das Problem erklärte. Insgesamt, sagt er, habe Adrian E. auf diese Weise 600 000 Grindr-Nutzer in 3000 Städten gewarnt.

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