Datenverkauf im Netz:Alles muss raus

Für 200 Dollar verscherbelt ein amerikanischer Student seine persönlichen Daten. Diese Mischung aus Kunstprojekt und Zeitgeistkritik ist für manche Start-Ups eine Geschäftsidee. Wenn Google und Facebook an Daten verdienen, warum sollten die Nutzer das nicht auch selbst tun?

Von Michael Moorstedt

Jeder könne ein Stück von ihm haben, schrieb der New Yorker Student Federico Zannier vor einigen Wochen. In einer Mischung aus Kunstprojekt und Zeitgeistkritik bietet der junge Mann seine persönlichen Daten auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter zum Verkauf. Für 200 Dollar erfahren neugierige Nutzer, welche Websites er besucht hat und welche Apps er benutzt hat, selbst seine Aufenthaltsorte in den letzten sieben Monaten hat Zannier über GPS-Tracking nachvollzogen und verkauft sie im Gros.

Was für Federico Zannier zynische Kritik ist, hält Michael Fertik für eine super Geschäftsidee. Der CEO des Start-Ups reputation.com möchte Internetnutzer dazu bewegen, selbst mit ihren Daten zu handeln. Ursprünglich bot reputation.com an, Nutzern bei der Suche nach Informationen, die über sie im Netz gespeichert sind, zu helfen und diese bei Bedarf auch zu löschen.

Doch mittlerweile ist klar, dass sich die Daten, sind sie einmal im Umlauf, nicht mehr aus der digitalen Welt entfernen lassen. Sie dienen als Schmiermittel einer gigantischen Werbe-Maschinerie, werden von Datenhändlern verkauft und wieder verkauft. Eine absolute Kontrolle ist also nicht mehr möglich. Aber vielleicht kann man wenigstens die Hoheit über sie zurückgewinnen.

Selbstermächtigung durch Selbstvermarktung

Aus diesem Grund plant reputation.com sogenannte Consumer Data Vaults, also Online-Tresore, in die der Nutzer seine personenbezogenen Daten einspielen und festlegen kann, unter welchen Bedingungen und zu welchen finanziellen Konditionen die Daten Dritten zugänglich gemacht werden dürfen.

Fertiks neues Geschäftsmodell folgt einer Idee, die man entweder für obszön oder konsequent halten kann. Seine Überlegung geht folgendermaßen: Wenn Facebook und Google mit den Informationen über Klick- und Konsumverhalten ihrer Nutzer Geld machen können, warum sollten diese das nicht auch selbst versuchen können? Selbstermächtigung durch Selbstvermarktung, so lautet das Motto.

Die Nutzer sollen also selbst mit ihren Daten handeln und von den interessierten Firmen dafür Preisnachlässe und andere Vergünstigungen erhalten. Ende 2013 will reputation.com mit seinen Datentresoren online gehen. Und auch die ersten Nachahmer stehen in den Startlöchern. Vergangene Woche stellte ein Start-Up namens personal.com ein ähnliches Konzept vor.

Marktlage sieht düster aus

Das Ausverkaufs-Projekt des Studenten Federico Zannier wurde übrigens vollständig finanziert. Insgesamt erhielt er mehr als 2000 Dollar von seinen Unterstützern, die sich dafür schon bald in seinem Leben umsehen dürfen. Schade nur, dass Zannier damit eine absolute Ausnahme bleiben dürfte. Denn die Marktlage sieht eher düster aus.

Vor kurzem errechnete die Financial Times den Wert von Standardinformationen wie Alter, Geschlecht, Einkommen und Adresse eines einzelnen Menschen, dessen Daten im Großhandelsstil verkauft werden. Er betrug gerade mal 0,0005 Dollar.

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