Datenschutzgipfel:Im Revier der Datenjäger

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Auf einem Gipfeltreffen sucht die Bundesregierung Wege, wie etwa die Weitergabe von Millionen Adressen aus öffentlichen Melderegistern verhindert werden kann.

Daniela Kuhr und Marc Widmann

Für windige Adresshändler sind sie verlockend: die öffentlichen Melderegister, in die sich jeder Deutsche mit Namen, Geburtsdatum und Anschrift eintragen lassen muss. Doch ausgerechnet aus dieser staatlichen Quelle können sich dubiose Adresshändler viel zu leicht bedienen, warnen Verbraucherschützer vor dem sogenannten Datenschutz-Gipfel von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin. "Die kommunalen Melderegister sind kein Selbstbedienungsladen für Datenjäger", sagt etwa Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein.

Wer macht was mit welchen Daten - nicht nur Fingerabdrücke werden gern genommen. (Foto: Foto: AP)

Es geht um Firmen, die zunächst im Auftrag von Banken oder Versandhäusern nach säumigen Kunden suchen. Sie fragen bei den Meldeämtern an, um die neue Anschrift des Kunden herauszufinden. Für die "einfache Melderegisterauskunft" müssen sie nur den Namen des Gesuchten und die alte Adresse nennen, nicht aber das berechtigte Interesse ihres Anliegens nachweisen.

Speichern statt löschen

Haben sie die Daten erhalten und den Auftraggeber informiert, müssten sie die Angaben eigentlich löschen, sagt Weichert. "Stattdessen speichern sie die Daten und verkaufen sie weiter." So würden "bundesweite Melderegister" in privater Hand entstehen. Weichert warnt vor einem "flächendeckenden Problem" mit zigtausenden Betroffenen.

Mindestens acht Firmen sind bekannt, die damit geworben haben, "hochwertige Adressermittlungspools" aus Meldeamtsdaten zu besitzen. Ein Unternehmen schmückte sich damit, 72 Millionen Datensätze zu besitzen. Mehrere Bundesländer haben ihren Ämtern daher empfohlen, diesen Firmen keine Auskunft mehr zu erteilen. Für die Städte und Gemeinden sind die Anfragen ein Zuverdienst; zwischen vier und sieben Euro kosten sie je nach Kommune, im Jahr ergibt das zum Teil sechsstellige Summen.

Allgemeines Widerspruchsrecht gefordert

"Die Meldedaten werden auch dann weitergegeben, wenn überhaupt kein berechtigtes Interesse vorliegt", kritisiert Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz. "Insbesondere, weil diese Daten für einen hoheitlichen Zweck erworben werden", stehe er der Entwicklung äußerst kritisch gegenüber, sagte Schaar der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Er fordert ein allgemeines Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe der Daten aus Melderegistern. Bis jetzt können Bürger nur verhindern, dass ihre Adresse an Parteien, Kirchen oder Verlage weitergegeben werden. Einen völligen Schutz können sie dagegen nur einfordern, wenn sie bedroht werden und Angst um Leib und Leben haben.

Das Thema dürfte auch auf dem Datenschutz-Gipfel eine Rolle spielen, zu dem Schäuble eingeladen hat. Der Bundesinnenminister trifft sich mit seinen Kabinettskollegen Brigitte Zypries (Justiz), Horst Seehofer (Verbraucher), Michael Glos (Wirtschaft) sowie dem Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar und Experten aus den Ländern.

Anlass ist allerdings nicht die Aufregung um die Daten aus den Meldeämtern, sondern der Skandal um illegal gehandelte Kontodaten. Auch über die Fälle Lidl und Telekom will Schäuble reden. "Es geht darum herauszufinden, was passiert ist und wie man reagieren kann", sagt eine Sprecherin des Ministeriums.

Schäuble bezweifelt, dass neue Gesetze notwendig sind. Seine Kabinettskollegen sehen das anders. Glos will den Handel mit Adressen zu Werbezwecken komplett verbieten. Zypries und Seehofer fordern, dass er nur noch erlaubt ist, wenn der Betroffene vorher zugestimmt hat. "Ich möchte nicht, dass etwa ein Bücherbund meine Kontonummer einfach weiterverscherbelt", sagt Seehofer.

Gewinne abschöpfen

Auch halte er es für sinnvoll, bei Verstößen die daraus erzielten Gewinne der Firmen abzuschöpfen. Das hatte bereits die Justizministerin vorgeschlagen. Zypries will zudem Unternehmen verpflichten, ihre Kunden zu informieren, sobald sie Kenntnis von Fehlern haben. Auch höhere Strafen und Bußgelder sind im Gespräch.

"Der Gesetzgeber muss jetzt Schluss machen mit dem Ausverkauf persönlicher Daten", sagte Gerd Billen, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, der Süddeutschen Zeitung. Die Bundesregierung müsse "den Daten- und Verbraucherschutz den Herausforderungen des digitalen Zeitalters anpassen". Mit Beschwichtigungen würden sich die Verbraucher nicht zufriedengeben. "Wir brauchen endlich ein Datenschutzgesetz, das gewährleistet, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur auf dem Papier existiert."

Auch aus den Ländern werden Forderungen laut. Die personelle Ausstattung sei eine "absolute Katastrophe", sagte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Hartmut Lubomierski. Er habe viel zu wenig Mitarbeiter, um alle datenverarbeitenden Unternehmen in Hamburg beaufsichtigen zu können. "Die besten Strafdrohungen nützen nichts, solange die Firmen keine Angst haben müssen, erwischt zu werden", sagte Lubomierski.

© SZ vom 4.9.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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