Datenschutzbeauftrage:"Einen Maulkorb braucht sie nicht"

Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, soll künftig eine unabhängige Behörde leiten. Das ist zwar gut, sagt ihr Vorgänger Peter Schaar im Interview mit SZ.de. Doch seine Kritikpunkte an der neuen Regelung wiegen schwer.

Von Thorsten Denkler, Berlin

  • Peter Schaar war bis 2013 zehn Jahre lang Bundesbeauftragter für Datenschutz und in dieser Frage anerkannter Mahner.
  • Die Bundesregierung will die Behörde jetzt nach Vorgaben der Europäischen Union aus dem Zuständigkeitsbereich von Innenministerium und Bundesregierung herauslösen. Die neue Bundesbeauftragte Andrea Voßhoff soll per Gesetz demnächst eine unabhängige Behörde führen.
  • Glücklich sind mit dem Gesetz jedoch weder Voßhoff noch Peter Schaar.

Süddeutsche.de: Herr Schaar, die Bundesregierung muss und will die Funktion des Datenschutzbeauftragten in eine eigenständige Behörde umwandeln. Ein neues Gesetz macht sie dann unabhängig vom Innenministerium und der Bundesregierung. Klingt doch gut, oder?

Peter Schaar: Das kommt zwar sehr spät, aber wohl nicht zu spät, um doch noch ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission abzuwenden. Sie hatte ja dringend angemahnt, dass die Datenschutzbeauftragte des Bundes unabhängiger sein müsse. Also: Ja, die Stärkung der Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde ist richtig.

Ihre Nachfolgerin im Amt, Andrea Voßhoff, muss die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, als sie das Gesetz las. Zu wenig Personal, zu wenig Macht, erklärte sie jetzt. Was ist da passiert?

Sie soll alles in allem vier neue Mitarbeiter bekommen. Das deckt nicht einmal den Mehraufwand für die Verwaltung dieser neuen Obersten Bundesbehörde. Personalfragen etwa bearbeitet nicht länger das Innenministerium. Das muss die neue Behörde selbst leisten. Mindestens so gravierend sind die vielen neuen Aufgaben. So hat das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, dass die Anti-Terror-Datei und die in sie einfließenden Daten des Bundeskriminalamts, des Verfassungsschutzes und vieler anderer Behörden in regelmäßigen Abständen zu überprüfen sind. Das erfordert zusätzliches Personal in erheblicher Größenordnung. All das wird in dem Gesetz überhaupt nicht berücksichtigt.

Andrea Voßhoff will mehr Macht, die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen. Warum?

Die Landesbeauftragen für Datenschutz können seit eh und je Bußgelder verhängen oder sogar bei besonders schweren Verstößen die Datenverarbeitung untersagen. Diese Instrumente werden der Datenschutzbehörde des Bundes bis heute vorenthalten. Und daran soll sich wohl auch nichts ändern. Ein unhaltbarer Zustand.

Warum?

Weil das bedeutet, der ganze Bereich der Post- und Telekommunikation, für den die Bundesbeauftragte zuständig ist, kann von ihr nicht bestraft werden, wenn hier Datenschutzregeln missachtet werden. Sie ist dafür auf den Goodwill der Bundesnetzagentur angewiesen. Die ja nicht unabhängig ist und zudem noch ganz andere Ziele zu verfolgen hat, die mit dem Datenschutz überhaupt nichts zu tun haben. Europarechtlich ist das äußerst fragwürdig.

Was stimmt an dem Gesetz noch nicht?

Was mich wirklich schockiert hat, ist, dass das Aussagerecht der Bundesbeauftragten vor Gericht oder etwa vor dem NSA-Untersuchungssauschuss massiv eingeschränkt werden soll. Eine Zeugenaussage im sogenannten Kernbereich des Regierungshandelns ist dann nur noch möglich, soweit die Bundesregierung dies ausdrücklich gutheißt. Bisher gab es eine solche Einschränkung nicht. Bei der Nichtbeantwortung von parlamentarischen Anfragen und bei Auskunftsersuchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat sie diesen "Kernbereich" häufig recht weit ausgelegt und die Antwort verweigert. Die Datenschutzbeauftragte muss selbst entscheiden können, worüber sie was aussagt - einen Maulkorb braucht sie jedenfalls nicht.

Das kann schon bald ein Problem werden. Sie und Andrea Voßhoff stehen auf der Zeugenliste des NSA-Untersuchungssauschusses.

Ja. Wenn die neue Regelung in Kraft tritt, bevor wir aussagen müssen, bin ich gespannt, wie argumentiert wird.

Es sieht so aus, als hätte die Datenschutzbeauftragte mit dem Gesetz kein gutes Geschäft gemacht.

Es geht hier nicht um gute Geschäfte, sondern um den effektiven Schutz unserer Grundrechte. Deshalb halte ich es für sehr bedenklich, dass die verbesserte Unabhängigkeit durch die mangelnde Personalausstattung konterkariert wird. Für die IT-Sicherheit sollen die Sicherheitsbehörden jetzt an die 500 Stellen zusätzlich bekommen. Und nur vier für die Datenschutzbeauftrage, die kontrollieren soll, ob der Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, der BND und die anderen Sicherheitsbehörden die Datenschutzbestimmungen einhalten. Die Personalausstattung der Datenschutzbeauftragten für diese immer schwierigere Aufgabe bleibt so völlig unzureichend. Im Ergebnis ist sogar zu befürchten, dass die Schlagkraft der Datenschutzbehörde nicht gestärkt, sondern sogar geschwächt wird.

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