Datenschutz und Handy-Telefonate:Mobilfunk-Unternehmen horten sensible Daten ihrer Kunden

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Datenschützer sind entsetzt: Die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung sind außer Kraft, doch einige Handynetz-Betreiber scheint das nicht zu interessieren. Sie speichern über Monate hinweg die Verbindungen ihrer Kunden - und sehen ihr Vorgehen rechtlich gedeckt.

Die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsgericht kassiert - doch einige deutsche Mobilfunkanbieter interessiert das wenig: Sie sollen sensible Daten ihrer Kunden deutlich länger und in höherem Ausmaß als bislang bekannt speichern.

Und sie tun es doch: T-Mobile, Vodafone und E-Plus speichern Verbindungs- und Standortdaten ihrer Kunden länger als erlaubt. (Foto: dpa)

Große Anbieter wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus speicherten nach Informationen der Berliner Zeitung mindestens einen, maximal sechs Monate lang, welcher Mobilfunkkunde wann aus welcher Funkzelle wie lange mit wem telefoniert hat. Das Blatt beruft sich dabei auf eine vertrauliche Aufstellung der Münchner Generalstaatsanwaltschaft.

Die Unternehmen verstoßen damit nach Darstellung von Datenschützern gegen die Vorgaben eines Verfassungsgerichtsurteils zur Vorratsdatenspeicherung. Dem Bericht zufolge sind die sogenannten Verkehrsdaten bei mehreren großen Anbietern für 90 Tage vollständig verfügbar. Einzig der Anbieter O2 lösche das Gros der Daten bereits nach sieben Tagen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 geurteilt, dass die Unternehmen lediglich jene Daten erfassen und speichern dürfen, die sie für Abrechnungszwecke dringend benötigen. Alle anderen Daten müssten unverzüglich gelöscht werden. Nach Ansicht von Datenschützern ist es deshalb unzulässig, den Standort eines Telefonteilnehmers oder die ankommenden Gespräche zu speichern, weil sie bei Inlandstelefonaten niemals berechnet würden.

"Verstehen die Aufregung nicht"

Die Mobilfunk-Anbieter wiesen die Vorwürfe zurück. "Wir verstehen die ganze Aufregung nicht", hieß es etwa bei Vodafone. "Es ist eine lange gängige Praxis, die mit dem Datenschutzbeauftragten abgesprochen ist." Auch eine Telekom-Sprecherin betonte: "Der Vorwurf ist unsererseits nicht nachvollziehbar." Ein E-Plus-Sprecher hieß es: "Eine auch nur 'begrenzte' Vorratsdatenspeicherung im Sinne der durch das Bundesverfassungsgericht untersagten Praxis findet nicht statt."

Laut Telekommunikationsgesetz können Anbieter Verbindungsdaten bis zu sechs Monate lang speichern, soweit dies technisch oder für die Abrechnung nötig ist. Genau darauf berufen sich die Netzbetreiber. Zum Beispiel wenn ein Kunde später seine Mobilfunk-Rechnung beanstande, könnte es nötig sein, Verbindungsdaten oder Informationen über seinen Standort an einem bestimmten Tag nachzuschlagen. Oder wenn für bestimmte Tarifmodelle ermittelt werden müsse, ob der Kunde im Umkreis seines Wohnorts noch zu Festnetz-Konditionen mit dem Handy telefonieren dürfe.

In Branchenkreisen wird allerdings auch eingeräumt, dass diese innerbetriebliche Speicherung einen Nebeneffekt haben kann: Müssen die Anbieter ihre Informationen auf richterlichen Beschluss für Ermittlungsbehörden öffnen, gehören auch diese Daten dazu.

Verärgerung bei Datenschützern

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung - ein Bündnis von Datenschützern, das sich seit Jahren gegen die anlasslose Speicherung der Telefondaten wehrt - bezeichnete die Praxis der Telefonanbieter als illegal. "Das bringt Millionen von Menschen in die Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen, weil sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sind oder mit der falschen Person telefoniert haben", kritisierte Ulrich Breuer vom AK Vorratsdatenspeicherung in der Zeitung.

Völlig unverhältnismäßig nannte der Grünen-Netzpolitiker Malte Spitz die Speicherpraxis der Firmen. "Ich fordere alle betroffenen Unternehmen auf, diese Praxis schleunigst zu beenden", verlangte er.

Derzeit streiten die Parteien auf Bundesebene über eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung, wie sie in einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2006 gefordert wird.

Dabei ist auch in der Regierungskoalition derzeit kein Kompromiss absehbar: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) möchte die Telefondaten Verdächtiger anlassbezogen einfrieren lassen. Bei dem "Quick Freeze" genannten Verfahren können Staatsanwaltschaft und Polizei beim Verdacht einer Straftat die Telekommunikationsprovider verpflichten, die Verbindungsdaten zu speichern. Der Zugriff darauf kann nur erfolgen, wenn ein Richter später diesem zustimmt.

CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich geht ein solches Verfahren nicht weit genug: Er argumentiert, dass damit nicht ausreichend Daten für die Aufklärung von Straftaten vorliegen, die in der Regel vor dem Einsatzes des Quick Freeze geplant und ausgeführt worden seien. Ursprünglich hatte die Unionsfraktion deshalb auf eine anlasslose Speicherung von sechs Monaten bestanden.

Inzwischen signalisieren Innenpolitiker der CDU, dass diese Frist auf drei Monate verkürzt werden könnte - also genau für den Zeitraum, in dem Mobilfunkanbieter offenbar heute schon ohne gesetzliche Grundlage anlasslos speichern.

Auch SPD-Vorschlag sorgt für Kritik

Auch die SPD hat dazu jüngst einen Musterantrag zur Vorratsdatenspeicherung vorgelegt, der auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten verabschiedet werden soll ( pdf hier). In diesem ist eine Maximalspeicherfrist von bis zu sechs Monaten auf EU-Ebene vorgesehen, auf Bundesebene sollen Telefonverbindungen "maximal auf wenige Tage" beschränkt gespeichert werden, bei IP-Adressen soll diese Frist maximal etwa 80 Tage betragen. Die im Mobilfunkbereich übliche Speicherung von Standortdaten sowie die anlasslose Sicherung von E-Mail-Daten soll verboten werden.

Diesen Vorschlag kritisiert der IT-Jurist Thomas Stadler scharf: "In der Sache wird damit eine Vorratsdatenspeicherung gefordert, die zwar hinter dem zurückbleibt, was in Deutschland, wenn auch nur kurzzeitig, bereits Gesetz war", schreibt er in einem Kommentar für heise.de. "Dies ist aber noch keine besondere Errungenschaft, denn die alte Regelung war verfassungswidrig und kann deshalb ohnehin nur mit deutlichen Einschränkungen neu aufgelegt werden."

"Populistisch wie das ewige Gejammere der Konservativen"

Der Internet-Aktivist Alvar Freude, Mitglied des Arbeitskreises Zensur und Ko-Autor des Antrags, weist diese Kritik zurück. "Die Forderung auf jeglichen Verzicht der Speicherung von IP-Adressen ist genauso populistisch wie das ewige Gejammere der Konservativen über den angeblich rechtsfreien Raum Internet" heißt es in seinem Gastbeitrag bei heise.de.

Die beiden anderen Oppositionsparteien sehen dies offenbar anders: Grüne und Linkspartei lehnen die Umsetzung der EU-Richtlinie, über die auch noch der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entscheiden wird, ab.

Update: Der Artikel wurde um 15 Uhr um die Stellungnahmen der Mobilfunkbetreiber ergänzt.

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