Datenschutz im Internet:Ausbeutung der #Neuland-Ureinwohner

Die spanischen Eroberer tauschten einst Glasperlen gegen Gold. Moderne Conquistadores wie Facebook und Google sammeln Daten und machen sie zu Geld - und die Ureinwohner des digitalen Neulands lassen sich das gefallen. Diese Praxis kann aber keine Zukunft haben.

Von Karl-Heinz Büschemann

Als die spanischen Eroberer im 16. und 17. Jahrhundert in die Neue Welt kamen, erkauften sie sich das Vertrauen der Eingeborenen auch mit simplen Dingen wie bunten Glasperlen. Billige Mitbringsel wurden zur Grundlage für ein fragwürdiges Tauschgeschäft, das Jahrhunderte währte und die Welt veränderte. Gold, Silber oder Zinn aus den Minen im heutigen Lateinamerika machten Europa reich, weil die Völker, die auf diesen Bodenschätzen saßen, für ihre Rohstoffe nicht angemessen bezahlt wurden. Sie wurden beraubt.

Ähnlich ist es bei der Eroberung des Internets, das die Kanzlerin zu Recht als Neuland bezeichnet hat. Das Netz ist ein noch weitgehend unbekanntes Universum, und wieder gibt es Conquistadores, die die neue Welt zur Schaffung von Reichtümern nutzen. Es sind Big-Data-Konzerne wie Google oder Facebook, die aus den Informationen, welche die Nutzer ihnen überlassen, Milliarden machen. Man kann diese Geschäfte für ähnlich verwerflich halten wie die der alten Spanier. Die Millionen Nutzer verhalten sich wie die Eingeborenen. Sie verschenken arglos Informationen an freundlich wirkende Konzerne, die sie systematisch verwerten.

Der Datenkapitalismus geht zu weit. Er verletzt das Prinzip der Gleichheit

Daten sind mehr wert als Glasperlen, sie sind ein Rohstoff wie Gold und Silber. Mit Daten lassen sich neue Geschäfte entwickeln, erst recht, wenn die Gegenleistung gering ist und sich die Datenspender mit dem Gratisversand von Fotos oder der Nutzung von Suchmaschinen abspeisen lassen. Dass dieser Handel einseitig ist, zeigt sich an den Milliardengewinnen der Netz-Konzerne. Der amerikanische Informatiker und Schriftsteller Jaron Lanier hat für seine Kritik an dieser Art der Wirtschaft 2014 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekommen.

Der Internet-Konzern Facebook hat am Freitag mit der Veröffentlichung neuer Nutzungsbedingungen für seinen Dienst eine Diskussion über die Funktionsweise der Big-Data-Konzerne ausgelöst. Wer sich den rigorosen Vorstellungen des US-Konzerns über die Verwendung der bei den Nutzern gesammelten Daten nicht unterwerfen will, muss seine Mitgliedschaft kündigen. Das bringt Datenschützer zu Recht auf die Palme.

Was viele der Datenkonzerne im Netz treiben ist oft mit den Gesetzen für den Schutz von personenbezogenen Daten nicht vereinbar. Aber ebenso wichtig wie der Schutz der Daten von Nutzern ist die monetäre Seite des digitalen Tauschhandels. Die Regierungen müssen im Auge haben, dass es nicht nur darum geht, das Recht auf den Schutz der Privatsphäre zu sichern. Die Regierungen müssen auch dafür sorgen, dass die Daten, die ein Nutzer einem Datenkonzern zur Nutzung überlässt, angemessen bezahlt werden.

Fast jeder Mensch hinterlässt Spuren im Internet

Fast jeder Mensch, der am öffentlichen Leben teilnimmt, hinterlässt elektronische Spuren. Wer eine Telefonnummer wählt oder eine Internetadresse ansteuert, wird registriert. Wer über das Internet eine Banküberweisung erledigt, hinterlässt genauso persönliche Daten wie der Passagier, der sich Meilen für eine Flugreise gutschreiben lässt.

Spuren zu hinterlassen ist nicht notwendigerweise ein Übel. Auch wer keinen Computer besitzt und niemals ein Telefon benutzt, kann von seinen Mitmenschen beobachtet und ausspioniert werden. Die Nutzung von Daten ist nicht grundsätzlich verwerflich, es gibt sie, seit der Mensch die Erde bevölkert und er aus einzelnen Beobachtungen Gesetzmäßigkeiten abzuleiten versucht, die er als Expertenwissen zu Geld machen kann.

Der heutige Datenkapitalismus geht aber zu weit. Er verletzt das Prinzip der Gleichheit der Teilnehmer am Markt. Es führt zwangsläufig zu Konflikten, wenn Anbieter oder Nachfrager ihre Macht ausspielen und andere permanent ausbeuten. Wer seine Marktmacht missbraucht, wird deshalb zu Recht von Wettbewerbsbehörden in die Schranken gewiesen.

Die jetzige Praxis kann keine Zukunft haben

In Zukunft muss es auch Regeln dafür geben, wie die Daten der Menschen zu vergüten sind. Das ist lösbar. Aber erst muss sich bei Internet-Nutzern und Politikern das Bewusstsein dafür einstellen, dass Daten einen Wert haben und Datenkonzerne ihre Nutzer übervorteilen. Wer Milliardengewinne aus Daten für sich behalten will und die Allgemeinheit vom Nutzen der Datengesellschaft weitgehend ausschließt, sorgt für Armut und die Konflikte von morgen. Die jetzige Praxis der digitalen Wirtschaft kann keine Zukunft haben.

Die Geschichte hat bewiesen, dass Geschäfte mit Rohstoffen auf Kosten anderer zu Krieg und Unruhen führten und nicht zu Wohlstand für alle. Auf dem digitalen Kontinent darf sich diese Schieflage nicht wiederholen. Die Korrektur der Machtverhältnisse darf nicht noch einmal Jahrhunderte dauern.

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