Datenschutz:Claudias Wundertüte

Die Grünen wollen sich neuerdings als Datenschutz-Partei profilieren - mit einer eigenen Website. Der Online-Auftritt ist nett gemeint, verfehlt aber sein Ziel.

Mirjam Hauck

So viel wie Claudia Roth aus ihrem Leben preisgibt, könnte man meinen, Datenschutz und Privatsphäre seien ihr egal. So offenbarte sie kürzlich im Society-Klatschblatt Bunte, dass sie ihr Single-Leben - das "Alleinsein genieße". Trotzdem macht die Grünen-Chefin samt Partei gegen das BKA-Gesetz mobil, das der Bundestag heute berät: Mit der Website: datenschutz-ist-buergerrecht.de.

Datenschutz: Ein Schäuble-Widget soll für Datenschutz sensibilisieren.

Ein Schäuble-Widget soll für Datenschutz sensibilisieren.

(Foto: Screenshot: Die Grünen)

"Das BKA-Gesetz, das heute im Parlament beraten wird, ist ein Best-of-Katalog des Überwachungsstaates, das alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellen und ausufernde Datenberge anhäufen will", sagt Roth. "Doch Datenschutz ist Bürgerrecht. Ein Bürgerrecht, das immer mehr vom Staat und auch Wirtschaftsunternehmen bedroht wird."

Die Grünen versuchen derzeit, sich als Datenschutz-Partei zu profilieren. Vergangene Woche brachten sie einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der das Recht "persönliche Daten selbst zu bestimmen" in die Verfassung aufnehmen will. Jetzt legen sie mit einer Website nach, die Bürger gegen den Schnüffelwahn des Staates mobilisieren soll.

Die Website begrüßt den Nutzer gleich recht persönlich: Sie sagt ihm, unter welcher IP-Adresse er surft, welches Betriebssystem er nutzt und welchen Browser er gerade offen hat. In der Hoffnung, dass der User über diese Auskunft, die im Prinzip jeder Websitebetreiber mitloggt, erschrickt, legen die Grünen mit einem Datenschutz-Test nach. Die Fragen drehen sich um Themen wie Scoring, Schutz der Privatsphäre in Social Communitys und Antivirenprogramme. Das Niveau der falschen Antwortmöglichkeiten bewegt sich etwas über den Lösungsvorschlägen von Quizfragen, mit denen einige Privatsender ihr Programm finanzieren.

Der User findet auf der Website weiter Informationen zur Vorratsdatenspeicherung, dem elektronischen Personalausweis und dem allgegenwärtigen Kundenscreening der Wirtschaft. Etwas verschämt verstecken die Grünen auf der Site auch ein kleines Unterhaltungsprogramm. Bislang besteht es aber lediglich aus dem allseits bekannten Youtube-Video der NDR-Show "extra3" zum Telekom-Spitzelskandal.

Wer protestieren will, der kann ein vorformuliertes Mailing verschicken. Es soll, so Claudia Roth, "Herrn Wiefelspütz und seine SPD-Kollegen auffordern, Schäubles Schnüffelstaat-Pläne zu stoppen." Immerhin haben die Macher bei dem Protestbrief ein Eingabefeld eingefügt. So kann der User der Unterschriftensammlung eine persönliche Note geben.

Wer auf konkrete Tipps hofft, erfährt unter der Überschrift "Wie Du Deine Daten schützt": "Am besten Du steigst gleich auf Linux um." Das freut die kleine Linux-Lobby, hilft dem User aber im ersten Moment nicht weiter. Zwar bestreitet niemand, dass eine Linux-CD wie die Grünen-Empfehlung Polippix sinnvoll ist - sie enthält neben der üblichen freien Software auch Anonymisierungstools wie TOR und Privoxy. Aber wer schon im Eingangstest an Fragen wie "Was ist ein Phishing- Angriff?" scheitert, wird mit einer Linux-Installation hoffnungslos überfordert sein.

Dass die Bundesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen das Thema Datenschutz mit einer eigenen Website aufgreift, ist nett. Praktische Hinweise, was jeder Einzelne technisch gegen die Schnüffelei tun kann, bleibt die Seite aber leider weitgehend schuldig.

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