Datensammler Jay-Z und Samsung:Reime gegen Daten

Jay-Z

Das neue Album von Jay-Z enttäuscht einige Fans - allerdings nicht unbedingt musikalisch

(Foto: dpa)

Besitzer von Galaxy-Handys bekommen das neue Album von Jay-Z vorab. Dafür müssen sie Samsung allerdings weitreichende Zugriffsrechte einräumen - unter anderem auf Aufenthaltsort, Facebook- und Twitter-Konten.

Von Jannis Brühl

Verschwiegenheit ist Pflicht für Rapper, die mit Gangster-Geschichten ihr Geld verdienen. Kaum eine Beleidigung trifft so hart wie snitch - Petze. Ausgerechnet der König des Genres steht nun unter Verdacht, kommerziellen Schnüfflern zu mindestens einer halben Million E-Mail- und Social-Media-Konten verholfen zu haben. Hat sich Jay-Z für fünf Millionen Dollar zum willigen Helfer der Datensammler von Samsung gemacht?

"Magna Carta Holy Grail" - das neue Album des wohl erfolgreichsten Rappers hat nicht nur einen großspurigen Titel. Vertrieb und Marketing könnten die Musikindustrie verändern. Samsung schenkte Besitzern seines Galaxy-Handys das Album an diesem Donnerstag, drei Tage, bevor es online oder im Laden zu kaufen ist. So will der koreanische Konzern den Konkurrenten Apple noch aggressiver angreifen. Jay-Z bekommt fünf Dollar für jede der Million Kopien, die Samsung weitergibt - ein mehr als ordentlicher Einkaufspreis. Das Modell gilt als Schritt hin zu einer Emanzipation der Künstler von traditionellen Musiklabels.

Während Kritiker noch abwägen, ob der 43-jährige Meister noch einmal etwas Großes geschaffen hat, zetteln amerikanische Medien und ein Rapper eine Debatte darüber an, was der Deal mit Samsung für den Datenschutz der Hörer bedeutet. Die App, über die Kunden das Album herunterladen können, will ziemlich viel über die Rap-Fans wissen.

Zum Twittern gezwungen

"Jay-Zs neues Album ist im Prinzip eine massive Data-Mining-Operation", titelt Gawker.com. im Artikel fragt Autor Adrian Chen: "Warum muss Jay-Z meinen GPS-Standort wissen? Kommt er auf einem mit Platin überzogenen Jetski vorbei um sein Album persönlich zu überreichen?" Jon Pareles beschwert sich in der New York Times, dass ein Spezial-Feature nur freigeschaltet werden kann, wenn Nutzer der App Zugriff zu ihrem Facebook- oder Twitter-Konto gewähren. Nur wer dort eine von Samsung vorgeschriebene Nachricht mit Link postet, darf die Texte der Lieder auf der Website des Konzerns lesen - für jeden Song müssen Fans eine neue Nachricht absetzen, wieder und wieder. Pareles' Vorwurf: Datensammeln und Zwang zum Werben im Bekanntenkreis.

Jay-Zs Kollege, der deutlich weniger erfolgreiche, aber von Kritikern geschätzte Killer Mike (bürgerlich Michael Render), postete einen Screenshot der Nutzungsbedingungen. Die Magna-Carta-App will Zugriff auf den genauen Aufenthaltsort des Nutzers und Informationen über Anrufe. Samsung behält sich vor, das Telefon davon abzuhalten, in den Sleep-Modus zu schalten und "den Inhalt deines Speichers zu verändern oder zu löschen".

In Zukunft wird nicht mehr nur der Hörer dem Musiker lauschen, sondern auch andersrum. Daten gegen Reime.

Dass Konzerne gierig auf Kundendaten sind, um sie auszuwerten oder gar weiterzuverkaufen, ist nichts Neues. Wohl aber, dass ein Musiker zumindest indirekt Werbung für so eine App macht. Vor allem, weil Furcht vor Überwachung immer wieder Gegenstand von Jay-Zs Texten war. In "A Week ago" rappte er zum Beispiel schon 1998 über seinen Versuch, "Wanzen und Blutegel" in seinem Telefon aufzuspüren.

Jay-Z hängt zwar mittlerweile mit Poppern wie Coldplay-Sänger Chris Martin rum. In der Kunstwelt des Pop gehört sein Geschäftsmodell allerdings zu jenen, die auf Glaubwürdigkeit beruhen. Er ist auch deshalb so erfolgreich geblieben, weil er trotz alle Reime über Protz und Hedonismus glaubhaft für sich in Anspruch nehmen konnte, Überwachung und Polizeiwillkür gegen Amerikas Schwarze genau zu kennen. Die eigenen Erfahrungen als Drogendealer in den frühen Neunzigern, die Paranoia, das Katz-und-Maus-Spiel mit der Staatsgewalt, sind Grundpfeiler seiner Ich-Erzählung: Das Ghetto-Kind, das vom Kleinkriminellen zum Millionär aufsteigt, ohne sich zu verbiegen.

Das hat Sean Carter, wie Jay-Z bürgerlich heißt, nicht gehindert, ganz nah an die Macht heranzurücken. Er und Präsident Barack Obama betonen bei jeder Gelegenheit, was für gute Kumpel sie doch seien. Jay-Zs Ehefrau Beyonce durfte bei Obamas Vereidigung im Januar singen. Eine Symbiose, die dem Präsidenten ein bisschen "Street Credibility" bringt, Jay-Z gesellschaftliche Legitimation: Hip-Hop ist im Weißen Haus angekommen. Und jetzt auch in der Debatte über Datenschutz.

Gawker sieht sich an die Debatte über geheimdienst-Spähaktionen erinnert und kommentiert spöttisch: "Die NSA muss anfangen, Jay-Z-Alben zu verschenken. Die Leute werden Schlange stehen, um ihre Metadaten zu übergeben."

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