Corona-Warn-App:Die große App-Verunsicherung

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Die Corona-Warn-App stieß auf große Resonanz. Das zeigte die schnelle Verbreitung im vergangenen Jahr. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Waren viele Corona-App-Nutzer wochenlang mangelhaft geschützt, wie ein Zeitungsbericht behauptete? Die Aufregung ist übertrieben, Android-Nutzer sollten aber ihre Einstellungen überprüfen.

Von Max Muth

"Warnfunktion war fünf Wochen kaputt, Regierung blamiert sich mit Corona-App", so titelte die Bild-Zeitung am Donnerstag. Eine Schlagzeile, die Millionen Deutsche verunsichern könnte, die sich und ihre Mitmenschen mithilfe der App vor Corona-Risikokontakten schützen wollen. Was genau sich hinter der Überschrift verbirgt, war hinter eine Bezahlschranke verborgen. Müssen sich App-Nutzer sorgen machen?

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Sachverhalt als deutlich weniger dramatisch. Tatsächlich gibt es Android-Nutzer, deren Betriebssystem die Warn-App bislang daran hinderte, ihnen auch dann Warnmeldungen über Risikokontakte zu schicken, wenn die App geschlossen war. Entwicklern und Herstellern war das Problem seit längerem bekannt, an der Lösung wurde gefeilt. In den FAQs der Corona-Warn-App fand sich seit Ende Juni ein Hinweis, wie Nutzer das Problem selbst in den Einstellungen beseitigen konnten. Seit dem App-Update vom Mittwoch macht die App es Nutzern nun etwas leichter. Sie müssen jedoch trotzdem noch einmal selbst aktiv werden.

Hintergrund sind die Energiespar-Einstellungen von Android. Google hat in sein Betriebssystem die Möglichkeit eingebaut, Apps zu verbieten, bestimmte Aktionen im Hintergrund weiter auszuführen. Die Erlaubnis kann entweder allen Apps auf einmal oder einzelnen Apps entzogen werden. Einige Smartphone-Hersteller haben sich entschlossen, Apps diese Hintergrundaktivität standardmäßig zu verbieten, um Strom zu sparen. Google selbst rät davon ab, und von Google hergestellte Smartphones verzichten auch auf diesen Funktion. Wer versucht, die Hintergrundnutzung der Corona-Warn-App manuell einzuschränken, dem zeigt Google folgende Systemwarnung an: "Um den Akku zu schonen, verhindere, dass Corona-Warn im Hintergrund Strom verbraucht. Eventuell funktioniert die App dann nicht mehr richtig und Benachrichtigungen werden verzögert angezeigt." Genau das ist nun mit der Corona-App der Bundesregierung passiert.

Die Kernfunktion des Contact-Tracings funktionierte einem Sprecher von SAP zufolge auch auf den betroffenen Geräten wie vorgesehen, der Austausch der Schlüssel der Handys fand also statt. Nur der Abgleich mit den über einen Server verschickten Schlüsseln Corona-Infizierter passierte bei den betroffenen Nutzern erst in dem Moment, in dem sie die App wieder öffneten. Alle anderen wären im Risikofall direkt von ihren Handys benachrichtigt worden. Ausgeschlossen wären also nur diejenigen gewesen, die die App nicht täglich öffnen.

Wie viele Nutzer betroffen waren, ist unklar. Einen Anhaltspunkt liefert eine Liste der Messenger-App Slack. Die hat ein ähnliches Problem mit den Handyherstellern und hat auf einer Hilfeseite alle betroffenen Smartphones aufgelistet. Demnach geht es um Nutzer verschiedener Geräte von Huawei, Samsung, OnePlus und Xiaomi. Doch niemand weiß, wie viele Corona-App-Nutzer diese Geräte besitzen. Ob tatsächlich, wie Bild berichtete, potenziell "Millionen" Nutzer betroffen waren, bleibt also ungewiss. Bei der aktuell geringen Corona-Fallzahl und der damit verbundenen geringen Zahl von Meldungen über die App ist sogar unsicher, ob überhaupt jemand einen Alarm verpasst hat.

Schon vor dem Update von Mittwoch wäre es Nutzern möglich gewesen, das Problem selbst zu beheben. Dazu hätten sie aber tief in die Einstellungen ihres Telefons hinabsteigen müssen, um der Corona-App eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Mit dem aktuellen Update machen es die Corona-App-Entwickler den Nutzern einfacher. Sie haben in den Einstellungen der App direkt einen Schieberegler eingebaut, mit der man der App die Erlaubnis für "priorisierte Hintergrundaktivität" erteilen kann. Eine Lösung, bei der App-Nutzer gar nicht selbst aktiv werden müssen, könnten nur die Smartphone-Hersteller selbst liefern.

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