Consumer Electronics Show:Internet der verrückten Dinge

Eine smarte Zahnbürste, eine Babyflasche für unbeholfene Eltern und ein Gürtel gegen den Winterspeck: Auf der CES in Las Vegas finden sich zahlreiche skurrile Produkte. Sind sie vielleicht der Selfie-Stick von morgen?

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

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Christine Unruh takes a 'selfie' with Kelechi Okorie of Nigeria using a selfie stick and a HiSY bluetooth camera remote during the 2015 International Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas

Quelle: REUTERS

Eine smarte Zahnbürste, eine Babyflasche für unbeholfene Eltern und ein Gürtel gegen den Winterspeck: Auf der CES in Las Vegas finden sich zahlreiche skurrile Produkte. Sind sie vielleicht der Selfie-Stick von morgen?

Kenji Kawakami ist ein humorvoller Mensch, er hat bereits vor 20 Jahren den Begriff Chindogu geprägt. Damit werden Erfindungen beschrieben, die auf den ersten Blick durchaus Sinn machen, bei näherer Betrachtung aber vollkommener Blödsinn sind. Sie stellen eine Lösung für ein Problem im Alltag dar, sind aber nicht praktikabel: Ein Inhalator, durch den ein Raucher in Zeitnot das Nikotin von 20 Zigaretten auf einmal zu sich nehmen kann. Ein Ganzkörper-Badekostüm für Menschen mit Angst vor Wasser. Eine Fischgesicht-Abdeckung, die verhindert, dass einen die Tiere beim Schlachten anstarren. Weil sie ja doch in gewisser Weise ein Problem lösen, werden sie von Kawakami als "unnutzlos" umschrieben.

Kawakami hat im Jahr 1995 ein köstliches Buch geschrieben, es heißt "101 Unuseless Japanese Inventions: The Art of Chindōgu". Es ist eine Sammlung unnutzloser Dinge aus Japan - beschrieben wird darin eine Kamera, die an einem Stock montiert ist, damit sich Menschen selbst fotografieren können. Es wird dargestellt als Produkt für Menschen, die sich gerne selbst auf Fotos sehen, sich aber nicht trauen, jemanden anzusprechen. Knapp 20 Jahre später ist dieses Ding bekannt als der Selfie Stick und verkauft sich besser als frisch geschnittenes Brot.

Die Lehre daraus: Eine Entwicklung, die heute als sinnlos abgetan wird, könnte den Erfinder in wenigen Jahren stinkreich machen. Auf der International Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas werden gerade zahlreiche Chindogu-Produkte vorgestellt. Höchste Zeit, sie auf ihren Unnutzlos-Faktor zu überprüfen.

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AcousticSheep SleepPhones:Die Schlafhörer

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Quelle: AcousticSheep/PR

Kennt noch jemand diese schrecklichen Stirnbänder, die sich die Menschen in den 90er Jahren statt kuscheliger Mützen aufgesetzt haben? Nun gibt es eine neue Verwendung für diese textilen Offenbarungseide: Weil sie offenbar nicht stören, wenn man sie im Liegen trägt, soll sie der Kunde nun beim Schlafen aufsetzen und dabei seine Lieblingsmusik hören. Die neuen Modelle funktionieren ohne Kabel, kosten jedoch auch knapp 100 Dollar. Sie sehen jedoch immer noch aus wie vor 20 Jahren, weshalb das Unternehmen AcousticSheep die japanische Sängerin Vivian Hsu engagiert hat, um die Stirnbänder zu vermarkten.

Unnutzlos-Faktor: hoch. Es ist großartig, während des Schlafens ohne nervige Kopfhörer Musik hören zu können. Doch Studien zeigen, dass man für gesunden Schlaf elektronische Geräte möglichst vom Körper fern halten sollte.

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DJI Inspire 1:Der Beobachter I

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Quelle: DJI/PR

Na klar, für professionelle Filmemacher ist DJI Inspire 1 gedacht - für wen auch sonst? Es ist eine Drohne, an der eine hochauflösende Kamera angebracht ist. Im Flug klappt das Gerät seine Tentakel mit Motoren nach oben, um der ganz unten montierten Kamera eine 360-Grad-Sicht zu ermöglichen. Knapp 3000 Dollar kostet das Gerät und soll Aufnahmen aus der Luft vereinfachen.

Unnutzlos-Faktor: sehr hoch. Natürlich kann so eine Drohne sehr nützlich für verschiedene Berufsgruppen sein - sie ist aber auch sehr interessant für neugierige Nachbarn, zumal die Drohne auch innerhalb von Häusern geflogen werden kann.

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Logbar The Ring:Ein Ring, sie zu knechten

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Quelle: Logbar/PR

The Ring erinnert natürlich an den Schatz aus den Büchern von J.R.R. Tolkien. Der Kunde trägt das Schmuckstück am Zeigefinger, er kann über Gesten sein Smartphone steuern oder den Fernsehkanal wechseln. Das Unternehmen Logbar sammelte über Crowdfunding knapp 900 000 Dollar ein und verkauft das Gerät für 270 Dollar - allerdings erst wieder von März an und mit verbesserter Technik. Derzeit sind alle Modelle ausverkauft.

Unnutzlos-Faktor: Gigantisch. Warum sollte jemand mit einem Ring sein Smartphone steuern, das sich laut Studien nie weiter als 80 Zentimeter vom Besitzer befindet? Allerdings: Ein Herr-der-Ringe-Ring ist cool.

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Parrot Pot:Grüner Daumen

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Quelle: Parrot/PR

Es klingt wie das perfekte Gerät für alle Menschen, denen die Natur statt eines grünen Daumens ein vergessliches Gehirn überlassen hat. Der Parrot Pot ist ein intelligenter Blumentopf, der Licht, Temperatur, Feuchtigkeit und Dünger misst und sie ans Smartphone der Besitzer übermittelt. Es gibt sogar eine Version, bei dem der Topf den Inhalt automatisch mit Wasser versorgt. In einer Datenbank sind mehr als 8000 Pflanzen vermerkt, ein Preis ist noch nicht bekannt. Der bisherige Pflanzensensor von Parrot, der Parrot Flower Power (im Bild), kann lediglich den Pflanzenbesitzer alarmieren, Blumengießen muss der aber noch selbst.

Unnutzlos-Faktor: eher gering. Es klingt verrückt, doch es gibt wohl kaum jemanden, der sich noch nicht genau diese Erfindung gewünscht hat. Ach ja: Eine Version fürs Aquarium mit Futter wäre nicht schlecht.

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Adidas MiCoach Smart Ball 3:Abschussball

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Quelle: Photographer:Bob Zaikoski; adidas/PR

Natürlich wird bei jedem Internet-of-Things-Produkt erwähnt, wie intelligent es ist - meist mit dem Präfix smart. So auch bei diesem Fußball von Adidas, der seine eigenen Bewegungen aufzeichnet und per Bluetooth übermittelt. Geschwindigkeit, Drall, Flugkurve und Zielort. Trainer bekommen so objektiv gezeigt, welcher Spieler filigran mit dem Ball umgehen kann - und wer eher als Rumpelfüßler zu gelten hat.

Unnutzlos-Faktor: hoch. Wer will schon wissen, dass er eigentlich gar nicht kicken kann? Andererseits hätte dieser Ball bei früherer Einführung Nationalelf-Einsätze von Paolo Rink, Sean Dundee und Thomas Brdarić verhindert.

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Vigilant Rainbow Toothbrush:Spielen beim Putzen

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Quelle: Vigilant/PR

Die Erfinder von Vigilant haben sich gedacht, dass es doch ein prima Idee sein könnte, eine intelligente Zahnbürste einzuführen. Die Idee ist grundsätzlich nicht neu: Die Bewegungen des Nutzers aufzeichnen und ihm dann Tipps geben. Diese Bürste (etwa 35 Dollar) weckt über interaktive Spiele - die beim Zähneputzen über das Smartphone gespielt werden können - den Ehrgeiz, die Beißerchen doch ein wenig ordentlicher zu schrubben.

Unnutzlos-Faktor: mittel. Klar sollen Kinder ihre Zähne ordentlich putzen, aber sollen sie gleichzeitig noch mehr auf dem Smartphone daddeln?

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Netatmo Welcome:Der Beobachter II

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Quelle: Netatmo/PR

Es hört sich spektakulär an: Da gibt es eine unauffällige Kamera für das Wohnzimmer, die mit Gesichtserkennung ausgestattet ist und die Daten sogleich an ein iPhone oder auch eine Apple Watch übermittelt. Der Besitzer weiß also stets, wer sich dort aufhält - und kann alles aufzeichnen. Klingt wunderbar, bis ein Besucher sagt: "Wenn ich nicht weiß, ob ich den Typen kenne, der sich in meinem Wohnzimmer aufhält, dann habe ich vielleicht größere Probleme." Ein anderer wird direkter: "Also kann ich damit erkennen, ob meine Frau mich betrügt?"

Unnutzlos-Faktor: grandios. Wer nicht weiß, was in seinem eigenen Wohnzimmer passiert, sollte vielleicht öfter nach Hause kommen.

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Emiota Belty:Gegen den Winterspeck

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Quelle: AFP

Es werden etwa 5000 Produkte vorgestellt, die sich um die Gesundheit und vor allem die Fitness der Kunden kümmern. Eines dagegen bleibt realistisch: Trotz aller Vorsätze werden wir auch beim nächsten Weihnachtsfest stöhnend auf der Couch fläzen und uns beklagen, dass Gans und Plätzchen mal wieder zu köstlich waren und der Gürtel nun protestiert. Dafür gibt es Belty, einen intelligenten Gürtel, der sich den Rundungen seines Trägers anpasst. Das funktioniert nicht nur nach der Weihnachtsgans, sondern auch bei alltäglichen Bewegungen wie Stehen, Knien oder Sitzen. Der Preis ist noch unbekannt.

Unnutzlos-Faktor: gering. So ein Ding gehört in viele Kleiderschränke.

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Breathometer Mint:Flirtfaktor

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Quelle: Breathometer/PR

Es ist der Albtraum bei der ersten Verabredung: die Haare sitzen, Oberarmmuskeln ebenfalls, der Humor ist justiert. Doch irgendwas stimmt nicht. Mundgeruch! Natürlich sagt Mief über den Charakter gar nichts aus, aber unangenehm ist es dennoch. Mint kann von August an über eine elektrochemische Zelle den Atem des Nutzers analysieren und dann in einer App darstellen. Was für die knapp 100 Dollar nicht mitgeliefert wird: Pfefferminz-Drops.

Unnutzlos-Faktor: hoch. Wer will schon gesagt bekommen, dass sein Atem so riecht wie eine Mischung aus Kloake und verfaultem Ei?

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Slow Control Baby Glgl:Für das Bäuerchen

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Quelle: Slow Control/PR

Schon vor zwei Jahren erregte Slow Control Aufmerksamkeit auf der CES mit einer intelligenten Gabel, die den Nutzer zu langsamerem Essen erziehen soll. Nun ist das Unternehmen zurück mit einer Babyflasche, die Koliken verhindern soll. "Baby Glgl" heißt das Produkt und zeigt den Nutzern, ob sie auch im richtigen Winkel gehalten wird. Zudem werden Trinkmenge und Trinkdauer an ein Smartphone übermittelt. Ehrgeizige Eltern können das Gerät von Herbst an für etwa 100 Dollar kaufen.

Unnutzlos-Faktor: hoch. Wer nicht weiß, in welchem Winkel er eine Babyflasche halten soll, sollte vielleicht über seinen Nutzlos-Faktor als Vater oder Mutter nachdenken.

© Süddeutsche.de/mahu
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