Microsoft und "Titanfall":Neues vom Schlachtfeld

Computerspiel Titanfall Screenshot Xbox One

Seit einer Woche auf dem Markt: das Computerspiel "Titanfall" für Microsofts Spielekonsole Xbox One.

(Foto: Electronic Arts)

Es soll das prägende Produkt für die Xbox One werden: Mit dem Computerspiel "Titanfall" will Microsoft auf dem Konsolen-Markt eine öffentliche Niederlage verhindern. Aus Großbritannien gibt es zum Start bereits gute Nachrichten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt diesen Moment, in dem es losgeht. Wenn der Schiedsrichter anpfeift, die Wahllokale öffnen oder das eigene Produkt endlich im Geschäft liegt. Die Zeit des Trainings, des Wahlkampfes und des Bastelns ist vorbei. Dieser Moment kann wunderbar sein, darf man doch seine erlernten Fähigkeiten präsentieren oder die Früchte seiner Arbeit ernten. Er kann aber auch schrecklich sein, weil die Niederlage, das Scheitern, die Blamage meist nicht im stillen Kämmerlein geschieht, sondern öffentlich.

Beim Computerspiel "Titanfall" war dieser Moment ganz besonders interessant, der Vielspieler-Shooter ist in der vergangenen Woche weltweit auf den Markt gekommen. Es ist das erste prägende Produkt für die Xbox One und damit immens wichtig für den Konsolenhersteller Microsoft. Microsoft-Vizepräsident Phil Spencer hatte im Herbst gesagt: "Ich spiele keine Zahlen und auch keine Auflösung. Ich spiele, weil mir ein Spiel Spaß macht." Der Erfolg einer Plattform definiert sich auch über die Beliebtheit der Produkte, vor allem jener aus dem Genre der Egoperspektiven-Schießspiele.

Microsoft braucht derzeit so ein beliebtes Produkt, um auf dem Konsolen-Schlachtfeld keine öffentliche Niederlage hinnehmen zu müssen. "Die Bedeutung von ,Titanfall' ist kaum zu überschätzen", sagt Microsofts Marketingchef Yusuf Mehdi. "Das Spiel ist ein System-Seller." Es soll sowohl die Verkäufe der Konsole fördern als auch die Anzahl der Mitglieder auf dem Onlinenetzwerk Xbox Live erhöhen. Einzeln kostet das Produkt 600 Dollar, das Paket von Spiel, Konsole und Ein-Monats-Mitgliedschaft ist für 499 Dollar zu haben - ein gewaltiger Rabatt.

Das Unternehmen konkurriert seit Mitte November mit Sony um die Gunst der Kunden. Die letzten vergleichbaren Zahlen sind nicht gerade aktuell: Im Jahr 2013 verkaufte Sony 4,2 Millionen Einheiten, das Unternehmen gab kürzlich bekannt, mittlerweile bei mehr als sechs Millionen zu liegen. Microsoft veröffentlichte bislang nur vage Zahlen der ausgelieferten - nicht der verkauften - Einheiten für 2013: mehr als drei Millionen. Die Playstation 4 (PS4) lag also zum Ende des vergangenen Jahres bei den Verkaufszahlen deutlich vorne.

Es gibt indes eine andere, für Microsoft günstigere Lesart: Die Xbox One kostet in den Vereinigten Staaten 499 Dollar und damit etwa 100 Dollar mehr als die PS4, laut dem Marktforschungsunternehmen NPD kauften die US-Kunden im Februar beinahe so oft die Xbox One wie die Playstation 4. "Aufgrund des höheren Preises lag die Xbox One nach eingenommenen Dollar vorne", sagt NPD-Analyst Liam Callahan. Diese Ankündigung sorgte dafür, dass Microsoft plötzlich wieder offensiv Zahlen nannte: In einem Statement des Unternehmens heißt es, dass die Konsole "weitermacht, in rekordbrechender Geschwindigkeit verkauft zu werden". In den USA seien im Februar 258 000 Einheiten verkauft worden.

Die Veröffentlichung des Spiels war aber auch ein bedeutsamer Moment für Vince Zampella und Jason West. Die waren einst für die Entwicklung von "Call of Duty" verantwortlich, waren jedoch vor knapp vier Jahren vom Publisher Activision wegen "Vertragsbruchs und Ungehorsams" aus der Tochterfirma Infinity Ward entlassen worden. Sie gründeten sogleich das Unternehmen Respawn Entertainment im Norden von Los Angeles, verpflichteten 38 ehemalige Infinity-Ward-Mitarbeiter und begannen, am Konkurrenzprodukt "Titanfall" zu arbeiten. Nach mehr als drei Jahren Entwicklung sollte sich nun zeigen, ob das Spiel tatsächlich mithalten kann mit "Call of Duty", deren Ableger den Spielemarkt in vier der vergangenen fünf Jahre dominiert hatten, oder ob Zampella und Ward auf großer Bühne scheitern.

Der Frust sinkt mit zunehmender Spieldauer

Es gibt auch für den Spieler diesen Moment - und um ehrlich zu sein: Er ist schrecklich. Es gibt in "Titanfall" keine Einzelspieler-Trainingshalle, in der man sich mit dem gewaltigen Krawall vertraut machen kann. Man wird sofort auf ein futuristisches Schlachtfeld geworfen, auf dem zwölf über das Internet verbundene Spieler mit- und gegeneinander antreten. Es dauert keine Minute: Zack, schon ist man tot. Das Sterben, die Niederlage, die Blamage, sie findet öffentlich statt - Videos der Tötungen können online gespeichert werden. "Sorge einfach dafür, dass du heldenhaft stirbst", sagt Zampella. Sind 15 Tode in elf Minuten heldenhaft? Wohl kaum.

Freilich sinkt der Frust mit zunehmender Spieldauer, genau das ist neben der Simplizität der Waffenwahl und der Komplexität der Steuerung (der Spieler kann mit Raketenrucksack hüpfen oder kurzzeitig an Hauswänden entlanglaufen) das prägende Verkaufsargument von "Titanfall": Man wird dazu animiert, sich zu verbessern, Equipment freizuspielen, den Moment der eigenen Blamage möglichst lange hinauszuzögern und dafür die Konkurrenten schmachvoll sterben zu lassen. "Es geht um Vertrautheit", sagt Zampella. "Jeder, der First-Person-Shooter spielt, hat gewisse Erwartungen. Man will die gewohnte Form nicht aufbrechen, sondern nur ein bisschen anknacksen und ein paar Erweiterungen einführen."

Es scheint zu funktionieren: Zampella gratulierte am Samstag auf Twitter einem Spieler, der bereits nach weniger als vier Tagen die höchste Spielstufe erreicht hatte.

Noch gibt es keine offiziellen Verkaufszahlen, aus England ist indes zu hören, dass in der vergangenen Woche beinahe doppelt so viele Einheiten der Xbox One verkauft wurden wie in der Woche zuvor. Das sind gute Nachrichten für Microsoft, das nun endlich einen Verkaufsförderer für ihre Konsole hat.

Allerdings gibt es gleichzeitig auch schlechte News: Marc Whitten, Chefentwickler der Xbox, wird Microsoft nach 14 Jahren Firmentreue verlassen. Er heuert bei Sonos an, einem Spezialisten für kabellose Lautsprecher.

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