Computerspiele:Ein Sport wie jeder andere?

Der elektronische Sport möchte anerkannt werden wie Skateboarden und American Football. Dazu fehlt es aber an Transparenz, Zuschauerfreundlichkeit und einheitlichen Regeln.

J. Schmieder, Seattle

Jae Yoon Ma lässt seine Hand über das Keyboard gleiten, seine Finger bewegen sich wie Tentakel eines Tintenfisches. Er blickt konzentriert auf den Bildschirm, ab und zu hebt er eine Augenbraue. Der Koreaner ist zweifacher Weltmeister im Computerspiel Starcraft und gilt als unschlagbar - bis vergangenen Sonntag zumindest. Dann wurde er im Finale der World Cyber Games in Seattle von seinem chinesischen Gegner besiegt.

Computerspiele: Emotion und Konzentration liegen beim eSport eng beieinander.

Emotion und Konzentration liegen beim eSport eng beieinander.

(Foto: Foto: AP)

Das Faszinierende an Jae sind die Statistiken, die es über ihn gibt - und die seine Fans - und davon gibt es zahlreiche in Seattle - auswendig kennen. Sechs aktive Befehle pro Sekunde kann Jae in seinen Computer eingeben. 360 pro Minute. Da manche Befehle mehr als nur einmal auf Keyboard tippen bedeutet, hämmert er bis zu 500 Mal pro Minute auf Maus und Tastatur ein. Das schafft die beste Sekretärin nicht.

Computerspielen ist Sport. Es erfordert Konzentration, Fingerfertigkeit und eine perfekte Hand-Augen-Koordination. Dazu taktisches Verständnis. Im Finale beim virtuellen Fußball etwa besiegte Daniel Schellhase seinen Gegner mit dessen eigenen Waffen. "Er hat auf Konter gespielt, weil der Spanier Probleme hat, das Spiel zu machen", sagt sein Zwillingsbruder Dennis, Mitglied der Hall of Fame, der Ruhmeshalle des Computersports.

Man kann elektronischen Sport (eSport) getrost mit anderen Sportarten vergleichen. Wohl auch deshalb fand das Finale der World Cyber Games im Qwest Field statt, dem Footballstadion der Seattle Seahawks. Schade nur, dass eSport auch die negativen Elemente anderer Sportarten übernimmt.

Es war beim Spiel Counterstrike, als das koreanische Team protestierte, dass sich die norwegischen Spieler während der Begegnung illegal bewegt hätten. Das Problem dabei: Die Fortbewegungsart - das so genannte Russenducken - ist im Spiel Counterstrike üblich. Nur bei den World Cyber Games ist sie verboten. Die Videoaufzeichnung wurde analysiert, die Schiedsrichter diskutierten. Ergebnis: Die Koreaner verwendeten den illegalen Befehl öfter als ihre Gegner.

Man diskutierte weiter, dann erschienen Männer in Anzügen. Auf ihren Akkreditierungen war das Wort "Sponsor" zu lesen, man unterhielt sich auf koreanisch. Neues Ergebnis: Die Koreaner erhalten noch eine Chance, das Spiel wurde wiederholt. "Ein handfester Skandal", sagt David Abel, Redakteur der Computersport-Seite readmore.de.

Ein Sport wie jeder andere?

Der Turnierdirektor rechtfertigte die Entscheidung mit der Begründung, dass die Schiedsrichter einen Fehler gemacht hätten und man der Fairness halber noch eine Runde spielen wolle. Ein fader Beigeschmack bleibt und irgendwie erinnerte die Szene ans Boxen, wo sportliche Entscheidungen auch außerhalb des Rings getroffen werden.

Der Vorfall bei den World Cyber Games zeigt die Probleme, mit denen sich die Computersportbranche seit Jahren herumschlagen muss. Man will als Sportart anerkannt werden - und muss deshalb gegen negative Auswirkungen kämpfen.

Da gibt es die Titel-Vielfalt wie beim Boxen, inkompetente Kampfrichter wie beim Eiskunstlaufen und betrügende Sportler, wie man sie vom Radsport kennt. In jedem Land gibt es mehrere Ligen, die miteinander konkurrieren. Die Spieler sind derzeit indifferent - sie spielen einfach dort, wo es am meisten Ruhm und Preisgeld gibt.

Es bräuchte einen einheitlichen Verband, der die verschiedenen Interessen regelt und unter einen Hut bringt. Man mag beim Fußball die Fifa oder das Internationale Olympische Komitee in vielen Punkten kritisieren. Aber es herrscht keine Unsicherheit wie bei den Computerspielen.

Vielleicht ist die Branche noch zu jung, um einen Weltverband einfordern zu können oder eine alles umfassende Weltmeisterschaft. Vielleicht entwickelt sich eSport auch von selbst, wenn unretable und unorganisierte Ligen verschwinden. Wie beim Pokern, wo es zahlreiche Turniere, Online-Spiele und Versionen gibt - aber am Ende die World Series of Poker als größtes Turnier mit dem höchsten Preisgeld als das wichtigste gilt und der Gewinner des Main Event sich Weltmeister nennen darf. Die World Cyber Games kommen dem Poker-Turnier in Las Vegas schon sehr nahe.

Freilich mosern Spieler und eSport-Journalisten an jeder einzelnen Liga herum und denken, sie hätten das Patentrezept für die ideale Computersport-Organisation. Ihnen sei gesagt: Keine Sportart ist perfekt - auch keine virtuelle.

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