Computerspiel: "The Beatles Rockband":Ein Mal Pilzkopf sein

Digitale Wiedervereinigung: Wer ein "Song vergeigt!" verträgt, kann sich im Musikspiel "The Beatles Rockband" in große musikalische Fußstapfen wagen.

Titus Arnu

Die Rickenbacker-E-Gitarre jault, dazu brummt der Höfner-Bass. Vom Schlagzeug kommt Puddingsound mit viel Beckengeschepper und weicher Basstrommel. Aus den Lautsprecherboxen erklingt die leicht schräge Stimme des Sängers: "Ähm, with a little help from my friends." Sind das nicht die Beatles?

Für Fans und Anfänger

Nein, es handelt sich nicht um die Fab Four, sondern um die Fab Family: Mutter, Vater und zwei Kinder rocken im Wohnzimmer ab. Was sie mit ihren Spielzeug-Instrumenten, einer Spielkonsole und einem Mikrofon fabrizieren, klingt fast wie die Originalmusik der Beatles. Finden zumindest die vier Hobby-Pilzköpfe. Bei einer schwierigen Passage im Song "Helter Skelter" steigt allerdings zuerst der Schlagzeuger aus, dann trifft auch der Gitarrist keinen Ton mehr. Auf dem Fernsehbildschirm erscheint ein vernichtendes Urteil: Song vergeigt!

Macht nichts, die Beatles erleben gerade ein glänzendes Comeback. John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr sind 39 Jahre nach dem Ende der Beatles wieder vereint - wenn auch nur als virtuelle Figuren auf dem Fernsehschirm. Fast zeitgleich zu den digital aufpolierten Versionen der Beatles-Studioalben ist ein Spiel erschienen, das die Musik, die Marotten und die Mode der vier aus Liverpool neu aufleben lässt. "The Beatles Rockband" läuft auf den Konsolen Xbox, Playstation und Wii - und soll sowohl reifere Beatles-Fans als auch Beatles-Anfänger ansprechen.

Kreischende Teenager und legendäre Konzerte

Die Skepsis der Fans war vor dem Erscheinen des Spiels ebenso groß wie die Erwartung der Spieleindustrie. Lassen sich die Beatles in das Korsett eines Videospiels pressen, bei dem es um Punkte und Hitlisten geht? Bands wie Metallica, Aerosmith und AC/DC haben vorgemacht, wie man alte, millionenfach auf CD verkaufte Heuler mit Hilfe von Computerspielen nochmals zu Geld macht. Auch hinter der Beatles-Spielerei stehen handfeste Ziele der Musikindustrie. Denn es ist nicht mehr so leicht, Musik allein über Radio und CDs zu vermarkten - um jüngere Generationen zu erreichen, muss man auf dem Computerspielemarkt und im Internet präsent sein.

Die Musik der Beatles scheint für ein familientaugliches Spiel wie gemacht zu sein, denn die meisten Titel sind zeitlos, leicht eingängig und sprechen Kinder ebenso an wie Ältere. Vor allem Erwachsene gehören zu den Käufern des Gesamtpakets mit den nachgebauten Original-Instrumenten, was allein durch den Preis zu erklären ist - das "Premium-Bundle" mit Schlagzeug, Paul McCartneys Höfner-Bass und Mikro kostet an die 200 Euro.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die noch lebenden Beatles von dem Computerspiel halten.

Digitale Rocker-Karriere

Mit Hilfe der Requisiten und einer Spielkonsole schlüpfen die Teilnehmer in die Rollen von John, Paul, George und Ringo. Die computeranimierten Figuren musizieren sich durch die Karriere der Band, vom Cavern Club in Liverpool über die erste US-Tour mitsamt kreischenden Teenagern bis zum Konzert auf dem Dach des Apple-Studios.

Es darf schräg gesungen werden

Auf Plastik-Klampfen und dem elektronischen Schlagzeug spielen die Neu-Beatles nach dem Luftgitarren-Prinzip Stücke wie "A Hard Day's Night", "She Loves You" oder "Here Comes The Sun". Die Gitarren haben keine Saiten, sondern farbige Plastikknöpfe, auf die man im Rhythmus des Songs drücken muss, der auf dem Bildschirm mit leuchtenden Punkten vorgegeben wird. Je besser man die Töne trifft, desto mehr Punkte bekommt man.

Um "Rock Band"-Neulingen das Leben zu erleichtern, wurde ein besonders niedriger Schwierigkeitsgrad eingeführt. Egal wie schräg die Töne klingen, hier wird keiner von der Bühne gejagt. Jedes zu Ende gespielte Lied wird mit dem Freischalten von Beatles-Fotos belohnt. Die Witwe von George Harrison hat dafür ihr privates Archiv geöffnet.

Dass die beiden noch lebenden Beatles Ringo Starr und Paul McCartney sowie Yoko Ono und Olivia Harrison, die Witwen von John Lennon und George Harrison, so viel Material freigegeben haben, erstaunt die Fachwelt. Denn die Beatles waren lange dafür bekannt, dass sie sich aus Angst vor Raubkopierern gegen die Digitalisierung ihrer Lieder sperrten, erst recht gegen elektronisches Spielzeug auf Basis ihrer Musik. Das hat sich nun anscheinend geändert.

Hitliste nicht vollständig

Paul McCartney und Ringo Starr haben das Videospiel sogar selbst mitgestaltet: "Das Spiel ist gut. Die Graphik ist sehr gut. Und wir waren großartig", sagte Ringo Starr in seiner schlichten Art bei der Vorstellung des Spiels in London. An den neuen Alben und dem Videospiel verdienen die ehemaligen Bandmitglieder und ihre Erben mit. "The Beatles Rockband" wird von der Beatles-Firma Apple, dem Musik-TV-Sender MTV und dem Spielehersteller Harmonix produziert.

Kritiker monieren, dass Hits wie "Yesterday" oder "Let It Be" nicht im Spiel enthalten sind - wer mehr haben will als die 45 Titel, muss sie im Internet kaufen. Nick Mason, Drummer von Pink Floyd, äußerte sich in einem BBC-Interview zudem missmutig über die Entwicklung solcher Musikspiele, da Kinder verlernen könnten, wie man richtige Instrumente spielt. Andererseits müsse man sich immer vor Augen führen, wie man Musik heute noch absetzen kann, fügte Mason hinzu - Pink Floyd seien nicht abgeneigt, wenn sie die Möglichkeit bekämen, einen eigenen Rockband- oder Guitar-Hero-Titel zu bekommen. Der Klassiker "Money" wird sicherlich enthalten sein.

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