Computer-Startprobleme:Wenn der Rechner lahmt

PCs werden zwar immer rechenstärker, doch zum Starten brauchen sie quälend lange. Hardware-Hersteller versuchen nun mit einigen Tricks, die Geräte schneller zu machen.

Helmut Martin-Jung

Man stelle sich vor, ein Sachbearbeiter würde jeden Morgen dreieinhalb Minuten nur damit verbringen, in der immer gleichen Weise ein Blatt Papier auf den Schreibtisch zu legen und einen Stift aus der Schublade zu holen. Der Mann wäre in kürzester Zeit seinen Job los.

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Auf die Plätze, fertig, warten: Einen Computer hochzufahren, nimmt immer noch mehr Zeit als nötig in Anspruch.

(Foto: dapd)

Geht es aber um das Arbeitsgerät des modernen Büromenschen, den Computer, nimmt man, wenn auch zähneknirschend, in Kauf, dass es quälend lange dauert, bis die Maschine endlich bereit ist, die ersten Eingaben entgegenzunehmen - bis sie also, wie es Computerexperten sagen, gebootet hat.

Doch seit Geräte auf dem Markt sind wie das iPad, das mit einem einzigen Knopfdruck nahezu verzögerungsfrei aus dem Schlaf erwacht, steigen die Ansprüche. "Die Bootzeit ist die wichtigste Messlatte für die Nutzerzufriedenheit", weiß Thorsten Stremlau, der für den chinesischen Computerkonzern Lenovo Firmenkunden in technischen Fragen berät.

Aber gar so einfach, wie es die Titel mancher Computermagazine reißerisch versprechen, ist es nicht, diese Zeiten substantiell zu verkürzen. Um das zu erreichen, muss man unten anfangen.

Unten, das wird symbolisiert von dem Buchstaben-Gekröse, das beim Hochfahren eines Computers über den Bildschirm huscht. Seit 35 Jahren richtet eine Software namens Basic Input/Output System, kurz BIOS, die Bauteile im Computer so ein, dass ein Betriebssystem überhaupt hochgefahren werden kann.

Schnellstart durch Hardware-Trick

Doch wenn die BIOS-Software, die auf fest eingebauten Chips im Computer gespeichert ist, schon 30 Sekunden für einen Selbsttest braucht, dann helfen auch die Bemühungen nur noch wenig, Betriebssysteme wie Windows oder beispielsweise Ubuntu-Linux für einen schnelleren Start zu optimieren.

Lenovo setzt daher auf ihren Rechnern, die besonders schnelles Booten versprechen, gar kein herkömmliches BIOS mehr ein, sondern ein System namens UEFI. Das Unified Extensible Firmware Interface kommt auch besser mit Computern zurecht, die mehr Daten pro Zeiteinheit parallel über die internen Leitungen jagen können. Weil diese sogenannte 64-Bit-Architektur sich mehr und mehr durchsetzt, stieß das alte BIOS ohnehin an seine Grenzen, weil es damit nur eingeschränkt klarkommt.

Um Computer in zehn bis 30 Sekunden komplett hochfahren zu können, hat sich Lenovo aber nicht nur mit der Softwarefirma Phoenix zusammengesetzt, die die UEFI-Software schreibt, sondern auch mit den Herstellern von Software, die die Hardware steuern. Diese sogenannte Treiber-Software regelt beispielsweise die Zugriffe auf die Speichermedien des Computers.

Für schnelles Hochfahren eignet sich besonders Flashspeicher, ein Speicher auf der Basis von Siliziumchips, wie er beispielsweise auch in Apples iPad eingebaut ist. Intelligente Ansteuerung der Speicherbausteine vorausgesetzt, können diese Daten schneller liefern als Festplatten mit rotierenden Speicherscheiben.

Da aber große Flashspeicher immer noch sehr teuer sind, werden sie oft mit herkömmlichen Festplatten kombiniert. So auch bei einigen Lenovo-Geräten. Das Besondere dabei ist nun, dass die Treiber so tun, als gäbe es nur eine Festplatte. Auf dem schnellen, dem Flash-Teil, speichert das System die Dateien, die beim Start gebraucht werden. Sie werden dabei schon in die richtige Reihenfolge gebracht, damit sie nur nacheinander aufgerufen werden müssen.

Welche Tricks Rechner schneller machen sollen

Ein weiterer Trick ist, dass Teile des Betriebssystems Windows 7 bereits geladen werden, wenn das UEFI noch gar nicht mit all seinen Aufgaben fertig ist. Das funktioniert aber nur, wenn die Daten, ohne die Windows nicht starten kann, geladen sind - Lenovo und andere Hersteller, die ihre Geräte zu schnellerem Hochfahren gerüstet haben, mussten daher nicht bloß mit dem BIOS-Hersteller, sondern auch mit Microsoft reden.

Der BIOS-Nachfolger UEFI braucht außerdem für den Selbsttest weniger als zwei Sekunden. Das ermöglicht Startzeiten von rund zehn Sekunden auf einigen Geräten, auf vielen anderen verspricht Lenovo immerhin eine Bootzeit von 30 Sekunden.

Was aber können Computernutzer machen, die sich nicht gleich einen neuen PC oder Laptop kaufen wollen? Die zwei Ratschläge, die Experte Thorsten Stremlau parat hat, sind einfach, aber wirksamer als viele angebliche Wunderprogramme: "Reduzieren Sie die Zahl der Programme, die das Betriebssystem beim Start lädt, auf das nötige Minimum."

Nicht jeder mag mit Systemwerkzeugen wie "msconfig" herumspielen, mit dem man das Startverhalten vieler Programme ändern kann. Viele Programme bieten in ihren Einstellungen die Möglichkeit zu verhindern, dass sie mit jedem Windows-Start geladen werden - ob man sie dann benutzt oder nicht.

Tipp Nr. 2 betrifft die Antiviren-Software. Ist sie veraltet, muss man damit rechnen, dass sie erheblich länger dazu braucht, die Dateien zu prüfen, die beim Start geladen werden. Das führt in der Konsequenz dazu, dass der Start eben auch ein gutes Stück länger dauert.

Gegen eine weitere Erscheinung, die den meisten Windows-Nutzern nicht unbekannt ist, hilft allerdings nur eine ziemlich brachiale Methode. Stremlau nennt das Phänomen Betriebssystem-Alterung. Windows neigt dazu, mit der Zeit immer langsamer zu starten, weil viele unsauber geschriebene Programme Spuren zum Beispiel in der zentralen Registrierungsdatei hinterlassen, auch wenn man sie vom Computer entfernt hat. "Da bleibt viel Müll zurück", weiß Stremlau.

Abbild der Systemfestplatte

Diese Datei aber arbeitet Windows bei jedem Start ab - und das dauert dann. Es gibt zwar auch Programme, die versprechen, solche Karteileichen zu entsorgen, doch das kann schnell schiefgehen, wenn man sich nicht sicher ist, ob ein Eintrag wirklich verzichtbar ist.

Die sauberste Lösung ist daher, nach der Installation des Grundsystems und der unverzichtbaren Programme mit einem Kopierprogramm ein 1:1-Abbild der Systemfestplatte zu erstellen und dies einfach darüber zu bügeln, wann immer der Rechner zu langsam wird.

Das hilft auch dann, wenn der PC von Viren befallen wurde. Um keine Daten zu verlieren, empfiehlt es sich, zum Beispiel Musik, Bilder, Videos und andere Daten auf einem anderen als dem Systemlaufwerk zu speichern - unter Windows ist das in den meisten Fällen das Laufwerk C:). Auch diese Daten sollten natürlich gesichert werden, zum Beispiel auf einer externen Festplatte.

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