Computer in der Schule:Der Laptop-Flop

Lernen Kinder wirklich durch digitale Medien? In den USA mehren sich Zweifel daran. Einige Schulen haben Computer wieder aus den Klassenzimmern verbannt.

Elmar Jung

Mark Warschauer hat es momentan nicht gerade einfach. Eigentlich ist es der Pädagogik-Professor an der University of California in Irvine nicht gewohnt, dass ihm ein derart scharfer Wind ins Gesicht bläst. Die Arbeit mit Computern fördere die Kreativität und Selbstständigkeit von Jugendlichen, hatte Warschauer immer wieder gepredigt und das in seinem 2006 erschienenen Buch Laptops and Literacy: Learning in the Wireless Classroom auch niedergeschrieben.

laptop in der Schule, dpa
(Foto: Foto: dpa)

Bisher fanden das alle immer gut. Allen voran die amerikanische Regierung, die in den vergangenen Jahren Milliarden in die flächendeckende Ausrüstung von Schulen mit Computern und Laptops gesteckt hatte.

Seit einiger Zeit jedoch ist ausgerechnet im Land der Bits und Bytes eine Kehrtwende in Sachen digitale Erziehung zu beobachten. Manche Schulen nehmen den Teenagern die Laptops wieder weg - auch weil die Schüler damit lieber auf Seiten pornografischen Inhalts im Internet surfen, statt ihre Hausaufgaben zu erledigen.

Geplatzte Politiker-Träume

Die Träume vieler Bildungspolitiker von einer aufgeklärten Digitalgesellschaft sind offenbar geplatzt. So, wie einst die New Economy-Blase. "Auch nach sieben Jahren haben wir keinen Beleg dafür, dass der Einsatz von Computern im Unterricht die Leistung der Schüler verbessert hätte", sagte Mark Lawson der New York Times.

Lawson ist Leiter der Schulbehörde in Liverpool im US-Bundesstaat New York, und sein Bezirk hatte als einer der ersten im großen Stil die Schulen mit Laptops ausgerüstet. Lawson hätte es im Rückblick anders gemacht.

Er berichtet von Schülern, die sich lieber stundenlang in Chaträumen aufhalten oder versuchen, irgendwelche Firmencodes zu knacken, als die Computer für den Unterricht zu nutzen. An der Liverpool Highschool hatte ein Zehntklässler nicht nur das schulinterne Sicherheitssystem geknackt, sondern die Anleitung dazu auch gleich ins Netz gestellt.

Nicht nur deswegen hält Lawson mittlerweile den elektronischen Unterricht für "schädlich". Die Jugendlichen würden zudem abgelenkt und litten unter Konzentrationsschwächen. Die digitale Revolution frisst ihre Kinder.

Super-Mario statt Mathe

Auch andernorts in den USA bricht sich die Enttäuschung Bahn über den ausbleibenden Lernerfolg der Generation Online. So hat die Matoaca Highschool in Richmond/Oregon sämtliche für den Unterricht gedachten Computer entfernen lassen - nachdem dort vor fünf Jahren Laptops für alle eingeführt wurden.

Schwarzärgern für den Scheck

1,5 Millionen Dollar jährlich kostete das Programm. "Wir sollten unser Geld in sinnvollere Projekte investieren", sagte ein Sprecher der Bezirksregierung. Ähnlich lief es bei der Northfield Mount Hermon School, einer Privatschule in Massachusetts.

Auch hier stoppten die Verantwortlichen ihr Millionen Dollar teures Computerprogramm - teilweise sehr zur Freude der Eltern. Im Bewusstsein, dass es sein Sohn eher zum Super-Mario-Meister brachte als zu einem Mathe-Ass, "habe ich mich jedes Mal schwarzgeärgert, wenn ich den nächsten Scheck für die Schulgebühren ausstellen musste", sagte Richard Ferrante.

Eine im April veröffentlichte Studie des amerikanischen Bildungsministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass es für die Leistungen der Schüler keinen Unterschied mache, ob im Unterricht neue Medien eingesetzt werden oder nicht. Eine Enttäuschung für alle Philanthropen, die sich von der technischen Spielerei eine Verbesserung der Lernsituation an Schulen erhofft haben.

Projekte wie das von Nicholas Negroponte erscheinen da gleich in einem ganz anderen Licht. Der Gründer und langjährige Leiter des Media Labs am Massachusetts Institute of Technology (MIT) will Schwellenländer mit 100-Dollar-Laptops beliefern. Negroponte glaubt, die Ausstattung könne den Schülern in manchen Bereichen einen Bildungsvorsprung verschaffen.

"Darüber sind wir hinweg"

Glaubt man dem Deutschen Lehrerverband (DL), haben sich deutsche Pädagogen längst von der Computer-Euphorie verabschiedet. "Darüber sind wir hinweg", sagt DL-Präsident Josef Kraus, "das hatten wir Mitte der neunziger Jahre." In jüngster Vergangenheit sei übersehen worden, dass das Lesen zu den wichtigsten Kulturtechniken gehöre. Und "wer sich in einem Buch nicht auskennt, kennt sich auch im Internet nicht aus", sagt Kraus.

Dennoch halte er eine panische Abwehrreaktion, wie sie derzeit in den USA zu beobachten sei, für verfehlt. Die neuen Medien von den Schulen zu verbannen, halte er für falsch. "Wir brauchen einen gesunden Mittelweg."

Nikola Ristic, Referent für Medien des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), weiß, wie der aussehen könnte. Unter dem Stichwort "Lehrerfortbildung" zeichnet er ein Bild für die Zukunft, in der Schüler sinnvoll mit Computern umgehen, weil sie es von ihren Lehrern gezeigt bekommen haben. "Wir stecken Unsummen in die Hardware, und für die Lehrerfortbildung ist dann plötzlich kein Geld mehr da", sagt Ristic. "Ökonomischer und pädagogischer Unsinn" sei das. Grundsätzlich seien neue Medien an Schulen aber sinnvoll.

Pädagogik-Professor Mark Warschauer aus Irvine/Kalifornien würde so etwas wohl gerne hören und ist überzeugt: "Kurzfristig mögen Computer an Schulen vielleicht wenig hilfreich sein. Wenn wir aber auch in Zukunft Leute wie George Lucas (Star Wars) und Steve Jobs (Apple) hervorbringen wollen, dann sind sie doch sehr nützlich."

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