China: Apple-Geräte als Statussymbol:Biete Niere, suche iPhone

China ist im Apple-Wahn: iPad und iPhone gelten als unverzichtbare Statussymbole, für die Teenager absurde Angebote machen. Der Konzern reagiert - mit noch mehr Läden im Reich der Mitte.

Marcel Grzanna

Der Vater hatte ihr den Wunsch verwehrt. Also wandte sich die junge Chinesin übers Internet an Millionen ihrer Landsleute - mit einem unmoralischen Angebot: "Gibt es jemanden, der mir ein iPhone 4 schenken möchte?", fragte sie, stellte ein Foto und ihre Handynummer dazu - sowie ein Versprechen: "Ich würde meine Jungfräulichkeit für dich hergeben." Kein Einzelfall: Auch ein 17 Jahre alter Student aus der Provinz Anhui verkaufte für das iPad 2 seinen Körper.

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"Die Leute nutzen diese Produkte, um damit anzugeben": Ein iPhone-Besitzer aus Hongkong

(Foto: REUTERS)

Der Teenager hatte auf eine Anzeige im Internet reagiert. 20.000 Yuan, umgerechnet etwa 2100 Euro, wurden ihm dort geboten, sollte er sich von einer Niere trennen. Die Aussicht auf das neueste Spielzeug aus dem Hause Apple war so groß, dass sich der Junge an die Organhändler verkaufte - ohne, dass seine Eltern davon wussten. Die Mutter kam ihrem Sohn zwar auf die Schliche. Doch das Krankenhaus, in dem die Operation stattfand, haftbar zu machen, das gelang ihr nicht.

Gewinner im Land

China ist im Apple-Wahn. Egal, ob es um die Telefone oder die Tablet-PCs mit dem angebissenen Apfel geht: "Die Leute nutzen diese Produkte, um damit anzugeben", sagt der Wirtschaftsprofessor Wang Hao von der Universität Peking - und zitiert jenes ungeschriebene Gesetz, dem sich vor allem die Jugendlichen unterwerfen: "Wenn du kein iPhone besitzt, dann solltest du dich besser erst gar nicht auf die Straße trauen."

Apple ist es gelungen, auf dem größten Wachstumsmarkt der Welt mehr Begehrlichkeiten zu wecken als jeder andere Mitbewerber. iPhone und iPad gelten als Statussymbole. Wer solch ein Gerät besitzt, der will zeigen, dass er zumindest einen kleinen Teil vom Wohlstand ergattert hat. Dass er zu den Gewinnern im Land zählt.

Apples Zielgruppe, das sind jene 50 Millionen Chinesen, die mindestens 20000 Dollar pro Jahr verdienen. "Es geht in China nur noch ums Materielle. Das ist wichtiger als alles andere", sagt der Pekinger Sozialwissenschaftler Ding Dong. Soziale Werte würden überhaupt keine Rolle mehr im Land spielen. Es ist diese Ignoranz, die wohl am besten erklärt, dass der US-Konzern gleich mehrere Skandale bei seinem weltweit größten Zulieferer Foxconn überstanden hat - ohne an Umsatz einzubüßen.

Erst sorgte eine Selbstmordserie von mehr als einem Dutzend Mitarbeiter wochenlang für negative Schlagzeilen und eine Diskussion über die unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken. Dann erkrankten einige Arbeiter schwer, weil sie bei der Fertigung von iPhones giftige Dämpfe eingeatmet hatten. In beiden Fällen bemühte sich Apple-Chef Steve Jobs nur halbherzig um Aufklärung. Doch die chinesischen Kunden stürmten die Läden mit dem Logo des angebissenen Apfels. "Die Kunden interessieren sich für die Toten von Foxconn nicht", sagt Professor Wang. Als vor wenigen Wochen das 17. Selbstmordopfer bei Foxconn gemeldet wurde, empörte das niemanden mehr - so wie noch im Frühjahr 2010.

Schlägerei ums iPad

Zwar werden iPhone und iPad in China hergestellt. Trotzdem reicht die Produktion nicht aus, um die Nachfrage auf dem legalen Weg zu stillen. "Die Leute haben regelrecht Angst davor, dass die Versorgung knapp werden könnte", sagt Wang. Vor einem Apple-Laden im Pekinger Szeneviertel Sanlitun war es sogar zu einer Schlägerei gekommen: Schwarzhändler kauften gleich mehrere Dutzend der Alleskönnerhandys, um sie vor dem Laden mit einem ordentlichen Aufschlag anzubieten.

Mit erbosten Kunden gerieten sie in Streit. Daraufhin verschärfte Apple den Sicherheitsdienst in der Filiale - und wies seine Kunden fortan durch ein Gitterlabyrinth den Weg zum Eingang.

25 Apple-Läden in China

Und doch ist für Apple im Reich der Mitte noch mehr zu holen: Die Begeisterung für elektronische Waren nimmt in der Volksrepublik stetig zu. Am chinesischen Markt für Mobiltelefone, Musikspieler oder Computer hält Apple einen Anteil von weniger als fünf Prozent.

Gerade einmal zwei Prozent seines Umsatzes macht das Unternehmen in dem Land. Schätzungen gehen davon aus, dass sich diese Kennziffer binnen der nächsten fünf Jahre auf zehn Prozent verfünffachen wird. Vier bis fünf Millionen iPhones könnten dann jährlich in China über die Ladentheken gehen.

Derzeit ist das Unternehmen damit beschäftigt, die nötige Infrastruktur dafür zu schaffen. Bis zum nächsten Jahr soll es 25 Apple-Läden in China geben; bislang sind es nur vier. Der größte davon befindet sich in Shanghai und beschäftigt 175 Angestellte. Das Netz von Händlern, die Apples Produkte verkaufen dürfen, ist im vergangenen Jahr auf 2000 gestiegen.

Und auch der Schwarzmarkt boomt. Die Zahl der illegal ins Land eingeführten Apple-Produkte beläuft sich auf mehrere Millionen. Ende vergangenen Jahres wurden 14 Frauen an der Grenze zwischen Hongkong und Shenzhen verhaftet, die versucht hatten, insgesamt 88 iPads und 340 iPhones nach China zu schmuggeln. Eine der Damen hatte 65 Mobiltelefone unterhalb ihrer Taille in ihre Kleidung eingenäht.

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