Chef einer Hackerbande:Die zwei Leben des Albert Gonzalez

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Er galt als Computergenie und arbeitete als hoch bezahlter Berater für den amerikanischen Geheimdienst. Nebenher machte Albert Gonzales noch Millionen mit Internetbetrügereien.

Sophie Crocoll

Albert Gonzalez steht im Frühjahr 2008 an einer roten Ampel, als er hinter sich einen Sportwagen mit getönten Scheiben bemerkt. Der Wagen folgt ihm, das spürt Gonzalez gleich. Er wechselt auf die Spur für Busse, gibt Gas, biegt scharf ab, der andere Wagen prescht vorbei. Gonzalez kann ins Innere des Autos sehen, es ist ein Polizeiwagen, der ihn überwacht. Gonzalez fährt zurück in sein Apartment. Er macht sich keine Sorgen. Gonzalez ist sicher, keine Spuren hinterlassen zu haben.

Albert Gonzalez gehört zu den prominentesten Hackern der Welt. (Foto: AFP)

Wenige Wochen später stürmen Polizisten um sieben Uhr morgens seine Suite in einem Luxushotel in Miami Beach und verhaften ihn. Gonzalez ist mit einer Frau dort, er hat zwei Laptops dabei und 22.000 Dollar in bar. Albert Gonzalez ist der Chef einer Hackerbande, die Daten von mindestens 130 Millionen Kreditkartenkunden gestohlen hat. Der Schaden für Kaufhäuser und Supermärkte, Banken, Versicherer und Finanzdienstleiter beträgt 200 Millionen Dollar, wahrscheinlich mehr. Der Generalstaatsanwalt wird später sagen, es handele sich bei Gonzalez' Fall um den größten und komplexesten Datendiebstahl, der in den USA je verfolgt wurde.

Als Albert Gonzalez zwölf Jahre alt ist, kauft er sich einen Computer. Er hat dafür gespart, für seinen Vater, der Landschaftsgärtner ist, gearbeitet. Gonzalez lädt etwas aus dem Internet und damit einen Virus auf seinen Rechner. Er beginnt, sich mit Computersicherheit zu beschäftigen.

Ein Nasa-Hack

In dieser Zeit wandelt er sich von einem offenen Jungen zu einem eigenbrötlerischen Teenager. Als Gonzalez 14 ist, kommt das FBI in seine High School in Miami: Er hat die Internetseiten der Nasa gehackt. Gonzalez macht das aus Neugier - und um den Programmierern einer Webseite zu zeigen, dass er schlauer ist als sie.

Er bricht das College ab, weil ihn die Einführungsseminare langweilen. Aber Computern langweilen ihn nicht. Gonzalez entdeckt ein Internetportal, auf dem sich Betrüger treffen und gefälschte Führerscheine, Sozialversicherungsausweise und Kreditkarten anbieten, er steigt in das Geschäft ein. 2003 wird er verhaftet, als er mit falschen Kreditkarten an einem Automaten Geld abheben will. Der Geheimdienst erkennt, wie schlau Gonzalez ist, und wie gut er sich mit Betrügereien am Computer auskennt.

Er bietet ihm ein Geschäft an: Gonzalez lässt im Oktober 2004 28 Hacker der Internetseite auffliegen. Dafür muss er selbst nicht ins Gefängnis. Als Informant bekommt Gonzalez vom Geheimdienst zeitweise 75.000 Dollar im Jahr. Seine Schwester schreibt später, Gonzalez habe das als Belohnung für sein Computerwissen empfunden. Die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst habe die Obsession ihres Bruders nur genährt.

Von da an führt Gonzalez ein Doppelleben. Er arbeitet für die Behörden. Und er beginnt die Operation Get rich or die trying - werde reich oder stirb dabei, es zu versuchen. Den Namen übernimmt er von einem Album des Rappers 50 Cent. Gonzalez heuert in Miami Hacker an, die mit dem Laptop im Auto herumfahren und nach Geschäften mit ungeschützten Netzwerken suchen. Sie parken vor den Läden, die Antenne ragt aus dem Auto, und hacken sich in das Bezahlsystem des Geschäfts. Sobald ein Kunde mit Kreditkarte bezahlt, stehlen sie die Daten und codieren damit leere Kreditkarten, mit denen andere dann Geld vom Automaten abheben.

Irgendwann hält Gonzalez das für zu gefährlich. Er lässt sich von einem Freund, der in der IT-Abteilung der Bank Morgan Stanley arbeitet, einen Schnüffelcode programmieren, mit dem die Hacker in die Datenbanken großer Konzerne statt einzelner Geschäfte eindringen können. Er beginnt, die Daten zu verkaufen, über einen Mittelsmann in der Ukraine: Der speichert die Daten auf neue Karten und verkauft sie in Nachtclubs auf der ganzen Welt.

Luxushotels und teure Autos

Die zwei Leben des Albert Gonzalez, sie bedeuten auch, dass er längst wegen des Geldes hackt. Mit dem Betrug soll er mindestens 1,6 Millionen Dollar verdient haben. Mit den Einnahmen steigen auch seine eigenen Erwartungen an den Lebensstil, Gonzalez kauft sich ein Apartment und einen BMW, an seinem 25. Geburtstag feiert er für 75.000 Dollar in New York. Er mietet sich in Luxushotels ein und schreibt dem Mittelsmann in der Ukraine, er wolle sich eine Yacht kaufen wie der russische Milliardär Roman Abramowitsch. Er lernt viele Frauen kennen, kauft ihnen Schmuck bei Tiffany. Manchmal schließt er sich mit Freunden ein ganzes Wochenende in Hotelzimmern ein und nimmt Drogen.

Und doch wohnt Gonzalez am liebsten zu Hause, in dem Arbeiterviertel in Miami, wo viele wie sein Vater aus Kuba geflohen sind, wo er isst, was seine Mutter kocht und wo er mit seinem Neffen spielt. Gonzalez will später selbst heiraten und Kinder haben und weiß, dass das einiges kosten wird. Er plant, langfristig einen echten Betrieb zu kaufen, um vorzusorgen, ein Reifengeschäft vielleicht. Mehr als eine Million Dollar vergräbt er im Garten der Eltern. Als Informant des Geheimdienstes hat er Einblick, wie die Beamten arbeiten, wie sie denken, wie wenig viele im Grunde von Computern verstehen. Er fühlt sich sicher.

Im Juli 2007 wird Gonzalez' Mittelsmann in einem Nachtclub in der Türkei verhaftet. In seinem Computer finden sich Hinweise auf Albert Gonzalez, fast ein Jahr später wird auch er festgenommen. Vor Gericht bekennt Gonzalez sich schuldig, der Vater sitzt weinend im Gerichtssaal, die Schwester versucht, ihn zu trösten. Im März 2010 wird Gonzalez zwei Mal zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, er darf sie gleichzeitig absitzen. Er ist damals 28 Jahre alt.

Albert Gonzalez könnte, bei guter Führung, 2025 entlassen werden. Er wird dann, so das Urteil, weitere drei Jahre keinen Computer benutzen dürfen.

© SZ vom 31.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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