Chaos Computer Club über den Pass:"Die werden jeden Quatsch unterschreiben"

Der Bundeskabinett beschließt den E-Ausweis, der schlau wie ein Computer sein soll. Experte Frank Rosengart vom Chaos Computer Club warnt vor unkalkulierbaren Risiken.

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Herr Rosengart, der neue E-Ausweis im Scheckkartenformat soll 2010 das bisher von 62 Millionen Deutschen genutzte laminierte Dokument ersetzen. Entgegen der Pläne von Bundesinnenminster Schäuble müssen doch keine Fingerabdrücke auf ihm gespeichert werden. Die Bürger haben jetzt die freie Wahl, ob sie diese Daten abgeben wollen. Sind Sie damit zufrieden?

Chaos Computer Club über den Pass: Frank Rosengart, Sprecher des Chaos Computer Clubs

Frank Rosengart, Sprecher des Chaos Computer Clubs

(Foto: Foto: oH)

Frank Rosengart: Das ist ein komischer Kompromiss, den die große Koalition hier gefunden hat. Die SPD versucht sich gegen zu viel Überwachung zu positionieren und hat sich in dieser Frage durchgesetzt. Aber auch wenn die Angabe des Fingerabdrucks optional bleibt, werden die Meldestellen die Bürger zukünftig nötigen, diese biometrischen Daten preiszugeben.

Mit der Freiwilligkeit ist es vorbei, wenn es beispielsweise bei der Einreise nach Deutschland zwei Schalter gibt, und man an dem für Passinhaber ohne Fingerabdrücke eine Stunde anstehen muss, während die anderen nur drei Minuten warten müssen.

sueddeutsche.de: Die einen gelten als verdächtig, die anderen als unverdächtig?

Rosengart: Ja, und das obwohl sich Fingerabdrücke sehr leicht missbrauchen lassen. Als wir im Frühjahr Wolfgang Schäubles Fingerabdruck auf einer Folie veröffentlichten, haben wir gezeigt, wie leicht man damit die üblichen Biometriesysteme überlisten kann.

sueddeutsche.de: Ein anderes, umstrittenes Merkmal hat es aber auf den E-Pass geschafft: das biometrische Foto.

Rosengart: Wie beim neuen Reisepass wird ein Neuantrag ziemlich spaßfrei. Der Bürger darf auf dem Foto nicht mehr leicht schräg von der Seite lächeln. Er muss frontal in die Kamera schauen, ohne eine Miene zu verziehen. Das biometrische Foto ergibt aber nur Sinn, wenn die Bundesregierung auch entsprechende Anwendungen plant. Vielleicht will sie damit die Bürger noch stärker überwachen, beispielsweise durch Abgleiche auf Demonstrationen.

Mehr Sicherheit bringt das Foto nicht. Die derzeit genutzten deutschen Personalausweise sind die sichersten der Welt. In den letzten Jahren wurden nicht einmal 500 gefälscht.

sueddeutsche.de: Neben der Ausweisfunktion hat der E-Ausweis auch Nutzen für die Wirtschaft. Er soll beispielsweise das Online-Banking sicherer machen und E-Government erleichtern. Kann er das?

"Die werden jeden Quatsch unterschreiben"

Rosengart: Der neue Ausweis enthält einen Chip, der viele persönliche Daten und die elektronische Signatur speichert. Diese elektronische ID finde ich sehr problematisch. Damit Unternehmen diese nutzen können, muss extra eine neue Bundesstelle geschaffen werden, die die Seriösität von Firmen wie Ebay und Co. überprüft. Aber dafür fehlt im Bund die Kompetenz. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sind jetzt schon überfordert.

Der Betrüger GmbH wird es leicht gelingen, an sensible Daten zu kommen, wenn Menschen den E-Ausweis nutzen müssen, um im Internet einzukaufen. Und leider sind viele Bürger immer noch sehr naiv. Mit ihrer elektronischen Signatur werden sie ohne nachzudenken jeden Quatsch unterschreiben.

Auch Online-Banking wird mit dem Chip nicht sicherer. Es gibt ja längst gute Verfahren, die aber keiner nutzt. Das wird sich mit dem E-Ausweis nicht ändern. Denn auch hierfür braucht man wieder ein zusätzliches Lesegerät, das sich keiner kaufen wird, weil es mit 300 bis 400 Euro einfach zu teuer ist

sueddeutsche.de: Der neue E-Ausweis dient laut Bundesregierung dem Bürokratieabbau, weil er beispielsweise die ELSTER-Zertifikate bei der Steuererklärung ersetzen soll. Das ist doch sehr bürgernah und praktisch gedacht?

Rosengart: Jetzt ist es nicht mehr der internationale Terrorismus, der für neue Datenerfassungsinstrumente Pate steht, jetzt werden im Namen des Bürokratieabbaus Informationen gesammelt. Für viele wirkt dieses Szenario sehr einladend. Sie sagen sich, wir leben in einer Demokratie, was soll da schon passieren, wenn persönliche Daten zentral gespeichert werden. Dabei gab es nach dem Krieg gute Gründe, dezentrale Meldestellen einzuführen.

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