Boykott von IT-Firmen:Das Geld und der Hass

Kann man Firmen mit Boykottaufrufen packen, wenn sie ihre Dienstleistungen Websites wie denen des Ku-Klux-Klan verkaufen? In den USA zeigt sich: eher nicht.

Von Michael Moorstedt

Es sind nicht nur Apple, Facebook, Google, die mit Hass im Netz zu tun haben, sondern auch jene Firmen aus der zweiten und dritten Reihe des Silicon Valley, deren Produkte und Dienstleistungen zwar nicht unbedingt spannend, aber trotzdem nicht weniger systemrelevant sind.

Angefangen hat alles im Frühjahr mit Shopify, einem Anbieter von E-Commerce-Lösungen. Die Firma kennt kein Mensch, aber jährlich werden über ihre Plattform Transaktionen im Wert von 34 Milliarden Dollar abgewickelt. Zu den Shopify-Kunden zählt unter anderen auch die amerikanische Rechtsaußen-Nachrichtenseite Breitbart News. In deren Webshop finden sich allerhand Klamotten, Kaffeetassen und Stoßstangenaufkleber mit reizenden Sprüchen, die nach Grenzmauer, Patriotismus und genereller Trump-Linientreue verlangen. Dagegen gab es nun eine Petition mit mehreren Hunderttausend Unterschriften, die Shopify dazu aufforderte, die Kooperation einzustellen.

Erlaubt ist, was dem Geschäft nutzt

Breitbart News ist aber nur das prominenteste Beispiel. Die US-Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center veröffentlicht seit 1999 eine sogenannte Hate Map, mehr als 900 verschiedene Organisationen sind darin verzeichnet. Das kryptofaschistische National Policy Institute, auf dessen Veranstaltungen schon mal "Sieg Heil" gebrüllt wird, findet sich da, aber auch Gruppierungen wie die Nation of Islam, die von anderen Endpunkten des politischen Spektrums geifern.

Anhand dieser Karte haben die Aktivisten nun Tech-Unternehmen ausgemacht, die jene Organisationen zu ihren Kunden zählen. Darunter etwa Softwaredienstleister wie der Forenbetreiber Disqus, Zahlungsplattformen wie Paypal, Shopify und Donorbox oder Webhosting-Services wie Godaddy oder Squarespace. Ohne diese Unternehmen könnten die Hass-Organisationen kein Geld einnehmen oder würden ganz aus dem Internet verschwinden. All diese Unternehmen eint außerdem, dass sie nur schwer bei ihrem Image zu packen sind.

Meist ziehen sie sich auf die utilitaristische Grundeinstellung zurück, die so vielen Silicon-Valley-Firmen zu eigen ist: Erlaubt ist, was dem Geschäft nützt - und im Zweifelsfall verweist man eben auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und damit lässt sich, wie man weiß, so gut wie alles rechtfertigen: Auf den Servern von Godaddy etwa laufen die Websites von mindestens sieben dem Ku-Klux-Klan nahestehenden Organisationen.

Kein Wunder also, dass der Shopify-Aufreger rund um Breitbart News bisher nichts bewirkt hat. Seitdem hagelt es zwar Protestnoten, Petitionen und Boykottaufrufe noch und nöcher, doch wie trifft man als Normalo-Nutzer eigentlich Unternehmen, deren Produkte man nicht käuflich erwerben kann? Der uramerikanische Spruch "Vote with your wallet" - er zieht hier nicht mehr.

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