Björn Lasse Herrmann über das Silicon Valley:"Leidensfähigkeit von Gründern ist definitiv hoch"

Björn Lasse Herrmann über das Silicon Valley: Gründer Björn Lasse Herrmann: "Ich will Probleme lösen"

Gründer Björn Lasse Herrmann: "Ich will Probleme lösen"

(Foto: OH)

Auch im Silicon Valley sind längst nicht alle jungen Unternehmen erfolgreich. Björn Lasse Herrmann entwickelt deshalb einen Start-up-Kompass, der Gründern vorhersagt, ob ihre Projekte durchstarten oder scheitern. Vierter Teil einer Serie über Kaliforniens Hightech-Standort.

Protokoll: Matthias Kolb, Palo Alto

Wenn es um das Silicon Valley geht, dann ist die Rede von Innovationen, technischem Fortschritt und den immergleichen Unternehmen: Apple, Google und Facebook. Doch die Besonderheit des 77 Kilometer langen Streifen, der im Norden Kaliforniens von San Francisco durch das Santa-Clara-Tal runter nach San José führt, machen erst die zahlreichen Start-ups und deren Gründerinnen und Gründer aus.

In einer kleinen Artikelserie lassen wir acht Persönlichkeiten aus der Hightech-Region zu Wort kommen - Unternehmer und TV-Sternchen, Amerikas erfolgreichsten Immobilienmakler und einen Deutschen, der an einem "Start-up-Kompass" tüftelt, der Gründern vorhersagt, ob ihre Projekte durchstarten oder scheitern werden. Bereits zu Wort kamen David Sacks, Chef des sozialen Netzwerks Yammer, Cameron Teitelman, Leiter des StartX-Gründerzentrums der Uni Stanford und Soujanha Bhumkar, Gründer des Start-ups Cooliris. Heute stellen wir Björn Lasse Herrmann, 27, Gründer des Start-up-Kompasses vor.

Ich bin vor vier Jahren hierher gekommen, um ein Start-up zu gründen. Für alle, die nicht an einem Start-up arbeiten, vergleiche ich es oft mit der Entscheidung, an welche Universität man geht. Denn Silicon Valley ist einfach der Ort, wo man am meisten darüber lernt, wie man ein Technologie-Unternehmen erfolgreich macht. Es gibt noch andere interessante Ökosysteme wie Berlin, Tel Aviv, Moskau, London oder New York, aber im Silicon Valley werden Gründern bis heute die meisten Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Ich habe Volkswirtschaft in Mannheim studiert, aber das war mir zu theoretisch und so habe ich nie einen Abschluss gemacht, sondern stattdessen in Bangladesch und Russland gearbeitet, bevor ich ins Silicon Valley kam. Hier habe ich mich zum ersten Mal zu Hause gefühlt, denn viele Menschen denken so wie ich. Es gibt - anders als in Deutschland - wenige Naysayers, also Neinsager.

Viele sind bereit, einen bei Unterfangen zu unterstützen, die Leuten im Rest der Welt absurd erscheinen werden. Obwohl sich alles um Hightech dreht, funktioniert der Großteil des Fundraising, also des Einwerbens von Geld, oder des Rekrutierens neuer Mitarbeiter durch Empfehlungen: Ich bitte Leute, deren Arbeit ich schätze, darum, mir einen Kontakt zu vermitteln und umgekehrt helfe ich gern, wenn ich es kann. So denken eigentlich alle im Silicon Valley.

Unternehmen sind halbblind

Das Projekt, an dem ich gerade arbeite, mag für einen 27-Jährigen ambitioniert klingen: Mit meinen Partnern entwickle ich einen Start-up-Kompass, der Gründern vorhersagt, ob ihre Projekte durchstarten oder scheitern werden. Die failure rate von neuen Unternehmen ist unglaublich hoch, doch der Grund für ihr Scheitern ist meistens nicht, dass ein anderes Konkurrenzunternehmen besser ist. Das Problem ist, dass Unternehmen meistens mit viel Power unwichtige Dinge erzeugen - im Englischen sagt man they efficiently execute on the unnecessary. Das heißt, dass sie zu viele Features in ihr Produkt einbauen oder dass sie zu viele Leute zu früh anstellen.

Heute sind viele Unternehmen halbblind, sie tappen so langsam tastend vorwärts. Wir wollen ihnen bisschen mehr Farben und Kontraste geben, damit sie besser sehen können und so ihre Entscheidungsfindung verbessern könnten. Dazu haben wir Daten von mehr als 50.000 Start-ups in unser System eingespeist - die meisten haben im Schnitt acht Mitarbeiter und machen knapp eine Million Dollar Jahresumsatz.

Bisher haben wir 750.000 Dollar von Investoren eingeworben und gerade in der Anfangsphase haben uns Wissenschaftler aus Stanford, Berkeley und Oxford unterstützt. Dank unseres Start-up-Kompasses werden hoffentlich weniger Gründer scheitern und so mehr Innovationen entstehen - schon heute schaffen Start-ups allein in Amerika jährlich drei Millionen Arbeitsplätze (Hintergründe in dieser Studie).

Radikale Veränderungen

Ich wohne mit sieben Gründern in einem Haus in Palo Alto, einer von ihnen ist Cameron Teitelman, der Leiter des Gründerzentrums der Uni Stanford. Vorher habe ich in San Francisco gelebt - dort ist natürlich mehr los, doch wir wollen Ablenkungen vermeiden und uns ganz auf die Arbeit konzentrieren. Wir versuchen, jeden Quadratmeter optimal auszunutzen. Also wurde die Garage mit Parkettboden ausgelegt. Es gibt zwei Betten, die man hochklappen kann. Wir haben eine kleine Trennwand eingebaut, die wir zum Brainstorming nutzen, und eine Cisco-Anlage, die wir für Telekonferenzen nutzen.

Zudem stehen hier auch Tische mit Desktops, an denen wir arbeiten können. Und natürlich nutzen wir die Garage als Lagerraum. Diese Sparsamkeit haben wir uns von anderen erfolgreichen Gründern abgeschaut. Wenn man zusammen wohnt, zusammen arbeitet und kein eigenes Büro braucht, dann kann man die Kosten weit unten halten. Dropbox, AirBnB, all die Firmen, die jetzt erfolgreich sind, haben so angefangen.

Die Leidensfähigkeit von Gründern ist definitiv hoch: Sie versuchen sehr scrappy zu sein, also mit relativ wenig Ressourcen sehr viel Output zu erreichen. Das ist wirklich die Kunst eines Entrepreneurs. Mir geht es nicht darum, die nächste coole App für die Freizeitgesellschaft zu schaffen, sondern ich will wichtige Probleme lösen. Mich beschäftigt, wie sich unser Leben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten radikal verändern wird: Autos brauchen bald keine Fahrer mehr und ich bin überzeugt, dass Software viele Lehrer, Juristen und Ärzte überflüssig machen wird.

Hier im Valley bin ich von den Leuten umgeben ist, die diese neue Welt schaffen werden - mit Informatik, Biotechnologie oder auch Raumfahrttechnik. Einer der PayPal-Gründer versucht, mit SpaceX die Raumfahrt sehr viel günstiger zu machen. In der Nähe wohnt ein Münchner, der an einer neuen Firma arbeitet, um Blutzellen künstlich zu erzeugen. Das ist ein sehr ambitioniertes und riskantes Projekt, für das er nirgendwo sonst Geldgeber gefunden hat. Hier in Nordkalifornien gibt es Venture Capitalists, die eben an die großen Ideen glauben und in diese investieren.

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