Besuch auf der Facebook-Baustelle:Zuckerbergs Gespür für Schnee

Mitten im Wald, am Rande der Arktis baut Facebook Europas größte Serverfarm. Wie es kam, dass sich Gründer Mark Zuckerberg und sein Unternehmen trotz Bedenken von Datenschützern für den Standort Schweden entschieden.

Gunnar Herrmann, Luleå

Den Tag, als der Anruf aus Amerika kam, wird Karl Petersen so schnell nicht vergessen. Es war ein Freitagabend im Februar, der Bürgermeister von Luleå hatte es sich daheim gemütlich gemacht, da klingelte sein Handy, und ein Manager aus Kalifornien sagte: "Wir wollen nach Nordschweden."

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Wo bisher Wald war, stehen bald riesige Hallen: Ein Modell der neuen Facebook-Serverfarm in Schweden.

(Foto: AFP)

Petersen war ziemlich aufgeregt. Denn die Leute von Facebook hatten ihr Kommen an ein paar Bedingungen geknüpft. Ein Grundstück musste her, ein Bebauungsplan, Umweltgenehmigungen waren fällig - "eine ganze Menge Herausforderungen", sagt Petersen. Den Champagner ließ er an jenem Freitagabend im Kühlschrank stehen. Stattdessen klingelte er seine Mitarbeiter aus dem Wochenende, man kam zum ersten Planungstreffen für das Projekt Facebook am Sonntag zusammen.

Der Einsatz hat sich gelohnt. Seit Oktober ist klar, dass Facebook in Luleå, einer Stadt am Bottnischen Meerbusen, die größte Serveranlage Europas errichten wird. "Bis vor ein paar Wochen war hier noch Wald", sagt Tony Abramhamsson, Chef der neu entstandenen Großbaustelle am Datavägen, der Computerstraße.

Zufrieden betrachtet der Ingenieur, wie Bagger und Lkw im Minutentakt über die Rodungsfläche rollen, die sich vom Rand eines Gewerbegebietes aus ins Gehölz frisst. In einer Schneise schlängelt sich eine nagelneue Hochspannungsleitung durch den benachbarten Wald. Erste Fundamente sind gegossen.

2013 soll die erste Halle ans Netz

"Der Zeitplan ist eng", sagt Abrahamsson. Im März 2013 soll die erste Halle ans Netz gehen. Die Ausmaße der Anlage sind gigantisch: Auf einer Fläche etwa so groß wie elf Fußballplätze lässt Abrahamsson drei Hallen errichten, 300 Meter werden sie lang sein, 15 Meter hoch. Daten der Facebook-Nutzer aus ganz Europa und dem Nahen Osten sollen dort gespeichert werden. Millionen und Abermillionen von Anwendern, die Fotos, Videos und Kurznachrichten über Luleå in die Welt schicken.

Warum gerade Luleå? Die Stadt ist kaum für High-Tech bekannt, stattdessen dominieren Stahlindustrie und Bergbau. Doch Nordeuropa gilt in der Internetbranche als heißer Tipp, wenn Plätze für neue Rechenzentren gesucht werden.

Am Rande der Arktis finden die Daten-Unternehmen, was sie brauchen: Kaltes Klima und billige Energie. Projekte wie das Facebook-Rechenzentrum machen darum Politikern im Norden Hoffnung, dass ihre Regionen, die von Arbeitslosigkeit und Abwanderung geplagt werden, einen Aufschwung erleben werden.

Luleå will zur Daten-Drehscheibe werden

Zunächst war der Standort Schweden innerhalb der Netzgemeinde allerdings umstritten. Datenschützer warnten, die Abhörgesetze des Landes seien erschreckend umfassend. Da könne das Militär künftig jede Facebook-Kommunikation bespitzeln. Tatsächlich hatte die Stockholmer Regierung trotz massiver Proteste vor einigen Jahren der militärischen Behörde FRA großzügige Rechte eingeräumt. Sie darf seitdem alle Datenströme anzapfen, die die Landesgrenzen überqueren.

Einige IT-Unternehmen hatten wegen des Lauschangriffs damals spontan ihre Zentralrechner aus Schweden abgezogen. "Das FRA-Gesetz ist immer noch ein schwarzer Fleck auf unserer sonst so sauberen Weste", sagt Anna Troberg, Vorsitzende der schwedischen Piratenpartei. Bei Facebook hätten diese Bedenken aber offenbar nicht schwer gewogen. "Zum Ausgleich hat die Firma außerdem 100 Millionen Kronen Subventionen bekommen", meint Troberg bissig. Aber für die Gemeinde Luleå sei das natürlich ein phantastisches Projekt. Da könne man nur gratulieren.

Als Facebook im Herbst den neuen Standort für seine Server mitteilte, machte das auf der ganzen Welt Schlagzeilen. "Damit ist Luleå richtig bekannt geworden", strahlt Bürgermeister Petersen. Die 100 Millionen Kronen (etwa zehn Millionen Euro), die die Regierung als Investitionshilfe zahlt, sind aus seiner Sicht also gut angelegt.

In Luleå selbst ist zwar die Arbeitslosigkeit niedrig, aber die Region gilt als strukturschwach, darum durfte die Stockholmer Regierung nach EU-Regeln überhaupt eine Subvention zahlen. Ein bisschen Kritik gab es im Stockholmer Parlament zwar schon daran, dass mit Steuern IT-Milliardäre aus dem Silicon Valley gefördert würden. Aber sie verhallte rasch wieder, schließlich ist die Fördersumme eher gering im Vergleich zu den Gesamtkosten für das Rechenzentrum. Schätzungen zufolge kostet es drei bis fünf Millionen Kronen, also bis zu einer halben Milliarde Euro.

Knotenpunkt des internationalen Datenverkehrs

Das Riesenprojekt weckt Hunger auf mehr: Die Stadt hat nun unter dem Namen "The Node Pole" eine Gesellschaft gegründet, die Luleå als kommenden Knotenpunkt des internationalen Datenverkehrs vermarkten soll. "Wir wissen aus den USA, dass andere Firmen Facebook folgen, wenn das Unternehmen sich irgendwo etabliert", sagt Matz Engman, der sich im Auftrag der Stadt um Standortwerbung und die Ansiedlung neuer Betriebe kümmert.

Dass die Bedenken von Datenschützern Investitionen hemmen könnten, glaubt im Rathaus niemand. Engman erzählt, diese Fragen hätten bei den Verhandlungen keine Rolle gespielt. Facebook sei mehr an handfesteren Standortfaktoren interessiert: An den Datenleitungen, denn Schweden hat ein gut ausgebautes Glasfasernetz. Und vor allem an der Energieversorgung.

Die Stromrechnung ist der größte Kostenfaktor einer Serverfarm. Die Anlage in Luleå wird etwa so viel Energie verbrauchen wie ein Stahlwerk. Und das, obwohl die Kühlung im arktischen Klima deutlich weniger Elektrizität benötigt als anderswo. Dank der Kraftwerke am Luleälv - der Fluss produziert etwa doppelt so viel Strom wie der Hoover Dam in den USA - ist Energie in Luleå nicht nur reichlich vorhanden, sondern wird sogar noch umweltfreundlich erzeugt.

Das Hochspannungsnetz ist stabil

Außerdem habe das Hochspannungsnetz der Stadtwerke seit 1979 keine Störung gehabt, sagt Engman stolz. Denn ebenso wie Stahlwerke und Papierfabriken, die die Region einst groß gemacht haben, können sich auch IT-Unternehmen keine Stromausfälle leisten.

Für Tony Abrahamsson, den Baustellenchef, ist das Leben jetzt erst einmal anstrengend: Denn wenn es in Luleå Abend wird, geht in Kalifornien die Sonne auf. Und dann wollten die Auftraggeber genauestens über den Baufortschritt informiert werden. Bei so viel Arbeit sei er bislang einfach noch nicht dazu gekommen, das Angebot seiner Kinder anzunehmen, sagt Abramhamsson.

Die hätten versprochen ihm demnächst einmal zu zeigen, wie man ein Facebook-Konto einrichtet.

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