Beats-Übernahme durch Apple:Absolut abwehrbereit

Apple will angeblich den Kopfhörer-Hersteller Beats übernehmen. Nicht allen in der Audiophilenszene gefällt das. Dabei dienen die großen Kopfhörer nicht dem Hören - sondern dem Abschirmen von der Außenwelt.

Von Gerhard Matzig

Apple will für eine unerhörte Phantasie-Summe die Dr.-Dre-Kopfhörer (Beats Electronics) übernehmen. Deshalb wurde es laut in der Audiophilenszene. So laut, dass man sich gerne das Modell "Monster Beats" mit ANC-Funktion gegriffen hätte. ANC: Active Noise Cancelling. Damit lässt sich die Außenwelt in akustischer Hinsicht abschalten. Mehr noch als durch die ohrumschließenden Polster wird man so in die Lage versetzt, sich abzuschirmen. Trüge man dazu noch die zauberhafte Schlafbrille "Tiffany" (die von Audrey Hepburn mit den aufgeklebten Wimpern ), so wäre man blind und taub. Jedenfalls auf Zeit - und: für den Rest der Welt.

Denn darauf kommt es an. Kopfhörer haben mehr mit dem ICH und dem Rest der Welt zu tun als mit der Frage, ob die tatsächlich erstklassig gestalteten, sich leider nicht immer auch technisch auf der Höhe ihrer Preise befindlichen Beats-Kopfhörer nun zu viele Details in den höheren Frequenzlagen verdecken oder nicht. Es geht doch überhaupt nicht nur ums Hören - sondern vor allem auch ums Sehen und Gesehenwerden. Wer Kopfhörer trägt, kann der Außenwelt Verschiedenes vermitteln. Zum Beispiel: Ich arbeite am Flughafen. Oder: Ich heiße Schweinsteiger. Oder: Ich höre gern Cliff Richard und will nicht, dass das jemand mitkriegt. Oder: Mir ist jede Mode recht, solange sie teuer ist, der Distinktion dient und mich außerdem in den Verdacht setzt, etwas zu sein, was man früher womöglich "cool" genannt hätte - wäre nicht schon das Wort an sich ein Ausweis dafür, das man es nicht ist.

Cliff Richard hat übrigens gerade festgestellt, dass man jetzt überall Menschen mit großen Kopfhörern sehe. Leider. "Wenn ich mir was auf die Ohren setze, ist man auf einem anderen Planeten und nicht im Hier und Jetzt." Abgesehen davon, dass die Menschen mit den großen Kopfhörern auch schon seit ein paar Jahren in der Welt sind (was im Straßenverkehr zu immer mehr Unfällen führt): Sie wollen uns damit genau das sagen, was Cliff Richard herausgefunden hat - dass sie einen anderen Planeten unserer Gesellschaft vorziehen. Na und? Der Kopfhörer ist ein temporärer Schutzschirm. Ein Mittel der Grenze: Ich höre was, was du auch sehen sollst.

Weshalb sich die In-ear-Hörer zu demonstrativ getragenen Bügel-Kopfhörern auf der Straße weiterentwickelt haben, wie sie früher nur von Revox-Enthusiasten daheim verwendet wurden. Sie sind ein Mittel von Distanz und Privatheit in Sphären, die aus immer mehr Öffentlichkeit und Nähe bestehen. Wie alle Sinne diente dem Menschen das Hören einst zum schieren Überleben. Zur Feindabwehr. Später kam die Kommunikation hinzu - als Mittel gesellschaftlichen Austausches. Und das Wunder der Musik. Jetzt dient der Kopfhörer sowohl dem Wunder als auch der Feindabwehr. Und Apple als Trend, dem man hinterherlaufen kann.

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