Baden-Württemberg:Kostenfreies Wlan für Flüchtlinge

Hanns-Martin-Schleyer-Halle wird  Notunterkunft für Flüchtlinge

Flüchtlinge in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart

(Foto: dpa)
  • In Baden-Württemberg sollen alle Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge mit kostenlosem Wlan versorgt werden.
  • Das Internet hilft Flüchtlingen dabei, ihr Leben zu organisieren und Kontakt zu ihrer Familie zu halten. Aber Datentarife können sich viele nicht leisten.
  • Auch Mitglieder der Freifunk-Vereine helfen dabei, Flüchtlingsheime mit kostenlosem Wlan zu versorgen. Doch ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung könnte das Ende für diese Initiative bedeuten.

Von Sara Weber

Wörterbuch, Radio, Bankfiliale, Computer, Telefon - das Smartphone ist für viele Flüchtlinge unersetzlich. Es ist oft der einzige Weg, mit ihrer Familie in Kontakt zu bleiben und hilft ihnen, die Flucht und den Alltag in ihrer neuen Umgebung zu organisieren. Doch Datentarife können sich viele nicht leisten und nur in den wenigsten Flüchtlingsunterkünften gibt es Wlan.

Das Land Baden-Württemberg wird freies Wlan in allen Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge bereitstellen, bestätigt ein Sprecher des Ministeriums für Integration. Ein Kabinettsbeschluss wurde bereits verabschiedet, dieser soll jetzt nach und nach implementiert werden. Einen genauen Zeitplan gibt es nicht, da noch verwaltungstechnische und technische Fragen zu klären seien, heißt es aus dem Ministerium. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen gibt es bereits freies Wlan auf dem gesamten Gelände, mit dem die Flüchtlinge über ihre Smartphones ins Internet gehen können.

Nach und nach werden immer mehr Flüchtlingsheime ans Internet angeschlossen. Doch nicht immer handeln die Länder. Vielerorts stellen deshalb Freifunker Wlan in Flüchtlingsheimen zur Verfügung. Freifunk ist eine Initiative, die sich für freie Funknetzwerke einsetzt und in lokalen Vereinen organisiert ist.

In Stuttgart und Umgebung werden aktuell sechs Unterkünfte von den Freifunkern mit Wlan versorgt, erzählt Thomas Renger vom Freifunk Stuttgart. "Alle Flüchtlingsheime, die sich künftig melden, werden wir genauso unterstützen", so Renger. Auch in Augsburg, Berlin, Bonn, Dortmund, Erfurt, Hamburg, Regensburg und vielen anderen Städten. Die Kosten für die Router werden in der Regel durch Spenden finanziert.

Nur ein Rädchen im System

Wenn es in der Unterkunft schon einen Internetanschluss gibt, sorgen die Freifunker dafür, dass das Wlan auf dem gesamten Gelände verteilt wird. In Gomadingen auf der Schwäbischen Alb sind Flüchtlinge in einem ehemaligen Feriendorf untergebracht. Die Hütten sind auf dem ganzen Gelände verteilt, ein einzelner Router reicht da nicht aus. Die Freifunker haben deshalb von einem zentralen Anschluss aus ein Netz von miteinander verbundenen Routern angelegt. "Wir sind nur ein Rädchen im System", sagt Renger. "Nur Wlan ohne Geräte bringt den Leuten auch nichts. Vor ein paar Jahren wäre die Versorgung für uns deshalb noch erheblich schwieriger gewesen."

Dass viele Flüchtlinge heute bereits Smartphones besitzen, hilft: "Mobiltelefone mit Internetverbindung aus der letzten oder vorletzten Generation sind heute nicht mehr teuer, außerdem werden auch viele Geräte gespendet", sagt Renger. Smartphones machen die Flüchtlinge selbstständiger, helfen ihnen beim Übersetzen und wer schon ein wenig deutsch kann, kann einfache Alltagsfragen selbst klären. "Das entlastet auch die Flüchtlingsheime, die sich dann um größere Probleme kümmern können."

Die rechtliche Situation bleibt unsicher

Um freies Wlan bereitzustellen, müssen Anbieter immer auch die rechtliche Situation im Auge behalten. In Deutschland gilt die sogenannte Störerhaftung: Wer ein Netzwerk zur Verfügung stellt, ist damit auch für all das verantwortlich, was über dieses Netzwerk passiert - also auch für mögliche Rechtsverstöße wie das Herunterladen urheberrechtsgeschützter Inhalte. Ausgenommen sind davon nur Provider, die als Zugangsvermittler von der rechtlichen Verantwortung entbunden sind.

Die Freifunker sichern sich gleich doppelt ab - auch in den Flüchtlingsheimen: Von den Routern, die dort installiert sind, wird der Datenverkehr über mehrere Stationen geleitet: Er wird über eine Virtual Private Network-Verbindung (VPN), die verschleiert, von welchem Gerät aus eine bestimmte Seite besucht wurde, zu den eigenen Routern der Freifunker geleitet. Erst dort wird die Verbindung ins Internet hergestellt. Dank dieser Schritte kann nicht zurückverfolgt werden, welche Person auf welchen Seiten unterwegs war. Zudem gilt für Freifunker das Provider-Privileg, wie das Amtsgericht Charlottenburg im Dezember 2014 beschlossen hat. Würde in den Flüchtlingsunterkünften direkt ein Wlan vom Betreiber zur Verfügung gestellt werden, müsste der für Rechtsverstöße der Nutzer haften - und das ist vielen zu riskant.

Private Anbieter müssten die Namen aller Nutzer kennen

Doch bald könnte es auch für Freifunker schwieriger werden, ihre Internetverbindung einfach so mit anderen zu teilen. Das Wirtschaftsministerium hat einen Entwurf zur Änderung des Telemediengesetzes vorgelegt, der aktuell von der EU geprüft wird. Danach sollen Wlan-Betreiber künftig "grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen" haften, die durch Nutzer ihres Wlan begangen werden, wenn die Betreiber "zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern".

Im Klartext würde das bedeuten, dass jeder Nutzer, der sich im Wlan eines Cafés oder eines anderen kommerziellen Anbieters einloggt, bestätigen muss, nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen. Dies könnte beispielsweise durch Akzeptieren der Geschäftsbedingungen geschehen. Private Anbieter hingegen müssten die Namen all jener kennen, die sich in ihrem Netzwerk anmelden, um von der Haftung freigesprochen zu werden.

"Der Entwurf ist schwierig, weil er schwammig formuliert ist", sagt Renger von Freifunk Stuttgart. "Würde Freifunk als kommerzieller Betreiber eingestuft, sind wir frei raus, würden wir als privat eingestuft, wären die Freifunker praktisch tot." Und das würde dann auch das Ende für den freien Internetzugang vieler Flüchtlinge bedeuten - zumindest durch die Freifunk-Bewegung.

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