Ausstellung:Computer-Pionier Konrad Zuse: Seiner Zeit voraus

Konrad Zuse

Konrad Zuse in den späten 1980er Jahren vor einem Nachbau seiner Z1. Seine kreativste Phase hatte der Bauingenieur in den Jahren 1935 bis 1945.

(Foto: dpa)

Konrad Zuse leistete in den Jahren 1935 bis 1945 Pionierarbeit bei der Entwicklung von Computern. Eine Austellung in Heidelberg würdigt die Leistung des Ingenieurs.

Von Johanna Pfund

Die statischen Berechnungen per Hand langweilten Konrad Zuse. Konnte man diese mühsame Prozedur nicht automatisieren? Eine gute Idee. So machte sich der junge Bauingenieur im Berlin der 1930er-Jahre daran, eine Maschine zu bauen, die diese Routinearbeiten erledigen konnte, die noch mechanisch arbeitende Z 1, Vorläuferin des Computers. Eine raumgreifende Maschine mit Drähten und zahllosen Relais, ein Monstrum mit minimaler Leistung im Vergleich zu heutigen Laptops oder Smartphones. Jedoch nicht zur damaligen Zeit.

Zehn Jahre lang, von 1935 bis 1945, gehörte Zuse mit seinen Maschinen weltweit zu den Vordenkern - wie Alan Turing in Großbritannien oder John Atanasoff und Howard Aiken in den USA. Was Konrad Zuse (1910 - 1995) wie und unter welchen Bedingungen entwickelte, das ist Gegenstand einer Ausstellung, die der Informatikprofessor Raúl Rojas eigens zum Heidelberg Laureate Forum konzipiert hat.

"Es gibt nicht den einen Erfinder des Computers. Es gibt nur viele Erfinder des Computers."

Eines gleich vorneweg: Auf die gerne geführte Diskussion, wer denn nun den allerersten, wirklich allerersten Computer erfunden hat, lässt sich Rojas gar nicht ein. "Es gibt nicht den einen Erfinder, es gibt nur viele Erfinder des Computers", sagt der gebürtige Mexikaner, der an der Freien Universität Berlin lehrt und dessen Fachgebiet künstliche Intelligenz ist. Neben dem Projekt des selbstfahrenden Autos gehört zu Rojas' Arbeit auch die Betreuung des Studententeams, das fußballspielende Roboter entwickelt. Die "FUmanoids" errangen mehrmals den ersten Platz beim Robo Cup. Rojas wurde vergangenes Jahr vom Deutschen Hochschulverband zum Hochschullehrer des Jahres gewählt.

Für die Geschichte der Informatik interessiert sich der Wissenschaftler schon lange. "Ich habe mich aus historischem Interesse schon früh mit Zuse auseinandergesetzt, weil es immer wieder hieß, er sei der Vater des Computers. Aber ich habe damals nichts dazu gefunden", erläutert Rojas. Also hat er sich auf die Suche gemacht.

Interessant ist aus Sicht des Professors, dass weltweit zur gleichen Zeit, also in den späten 1930er- und frühen 1940er-Jahren, verschiedene Wissenschaftler unabhängig voneinander an ähnlichen Systemen gearbeitet haben. Innerhalb nur weniger Jahre entstanden der Atanasoff-Berry-Computer, Mark I von IBM und Harvard, Colossus in Großbritannien oder die Maschine ENIAC für die US-Armee - und alles während des Zweiten Weltkriegs.

Forschung im Wohnzimmer der Eltern

Zuvor, 1936, veröffentlichte der britische Mathematiker Turing - dem die Alliierten wenige Jahre später das Knacken der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma zu verdanken hatten - eine Arbeit, in der er das Prinzip seiner Turing-Maschine beschrieb. Etwa zur gleichen Zeit arbeitete Alonzo Church an der amerikanischen Princeton University in New Jersey an einer mathematischen Formalisierung der Berechenbarkeit.

Zuse forschte erst einmal weitgehend alleine in Berlin. Im Wohnzimmer der Eltern baute der 1910 geborene Sohn eines Postbeamten die ersten Versuche auf. Er legte sich auf das binäre System fest. Eine Ausnahme, erläutert Rojas, denn zu jener Zeit habe das Dezimalsystem den Standard gesetzt. Im Alter von 25 Jahren begann Zuse die Rechner-Architektur zu entwickeln und war damit seiner Zeit weit voraus. Sie war besser ausgedacht als die Maschinen der Amerikaner, argumentiert Rojas. Denn während die Amerikaner Material und Wissenschaftler im Überfluss zur Verfügung hatten, musste Zuse mit dem wenigen Material, das er hatte, haushalten.

"Spannend ist, wie jemand, der nicht aus dem Fach kommt, doch die richtigen Konzepte entwickelt", sagt Rojas. So erdachte Zuse die Maschine in Ebenen - die heutige Mikroprogrammierung. Die Addition findet nicht auf der Hauptschaltung statt, sondern basiert auf den erst folgenden Schritten. "Dadurch kann man die Maschine schnell verändern." Damit nicht genug: Zuse entwickelte auch das Plankalkül, die erste höhere Programmiersprache der Welt.

4th Heidelberg Laureate Forum; Konrad-Zuse-Ausstellung Heidelberg

Besucher der Konrad-Zuse-Ausstellung

(Foto: Christian Flemming)

Was hat Zuse nun alles gebaut? Wie sah das aus? Die Ausstellung zeigt in kreisförmiger Anordnung und chronologischer Folge die Entwicklung der Maschinen Z 1 bis Z 4 sowie der beiden militärischen Maschinen S 1 und S 2, die dazu dienten, die Flügel von Fliegerbomben zu korrigieren, und zeigt schematisch deren Architektur. Ziel des Ausstellungsmachers Rojas: Keine toten Kisten zeigen, sondern diese zehn Jahre zwischen 1935 und 1945, in denen Zuse seine kreativste Phase hatte, erlebbar machen. Zu sehen sind Originale aus dem Nachlass und Ausschnitte aus einem Dokumentarfilm, ein virtueller Besuch der Z 1 in Berlin ist möglich.

Die politische Geschichte bleibt im Hintergrund. Doch die Ausstellung markiert sehr wohl die wichtigen historischen Daten - den Anschluss Österreichs, den Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939. Im Vordergrund aber steht die wissenschaftliche Leistung von Konrad Zuse, der seine besten Jahre ausgerechnet in der Zeit des Nationalsozialismus hatte. Danach geriet er in Vergessenheit, Europa war nach den sechs Jahren Krieg verwüstet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es fünf Jahre, bis Zuse wieder eine Firma gründete

Fünf Jahre dauerte es, bis Konrad Zuse 1950 wieder eine Firma gründete. "Diese Pause war wie hundert Jahre", sagt Rojas. Den Vorsprung, den die Amerikaner in den Nachkriegsjahren gewonnen hatten, konnten die Deutschen nicht mehr aufholen. Doch den ein oder anderen hat Zuses Arbeit nachhaltig begeistert. Andreas Reuter, Mitglied des Vorstands der Stiftung Heidelberg Laureate Forum verdankt der Zuse- Firma seine Begeisterung für die Informatik. Da Reuters Vater bei Zuse arbeitete, konnte der Sohn noch als Schüler in der Firma Erfahrungen sammeln. "So habe ich freihändig programmieren gelernt. Von der Hardware bis zu den Applikationen haben wir uns mit jeder Schicht des Computers beschäftigen müssen", erzählt Reuter. Doch das, was der damals schon aus dem aktiven Geschäft ausgeschiedene Zuse geleistet hat, das lernte Reuter erst später zu schätzen: "Zuse zeichnete eine Kombination aus wissenschaftlicher Klarheit, Fleiß und Hartnäckigkeit aus - und Enthusiasmus. Seine Leistung war enorm."

"Konrad Zuse's Early Computing Machines" ist vom 17. bis zum 22. 9. täglich von 8.30 bis 19 Uhr im Senatssaal der Alten Universität Heidelberg, Grabengasse 1, zu sehen. Der Eintritt ist frei.

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