Ausbau des Glasfasernetzes in Deutschland:Deutschland verliert den Anschluss

Telekom sichert Kupferkabel mit künstlicher DNA

Es wird wohl noch dauern, bis die Kupferkabel der Telekom den Glasfaserkabeln endgültig weichen.

(Foto: dpa)

Die neue Regierung träumt von vernetzten Fabriken und Internetgründern. Doch bei der Frage, wer das Netz bauen soll, fehlen Visionen und Geld. Das superschnelle Internet, wie es zum Beispiel in vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks flächendeckend Realität ist, bleibt in Deutschland vorerst ein Wunschtraum.

Von Varinia Bernau und Helmut Martin-Jung

Eine Milliarde Euro. Das ist die Zahl, die zeigt, wie viel der neuen Bundesregierung die digitale Zukunft des Landes wert ist - oder eben auch nicht. Diese Zahl stand in einer ersten Fassung des Koalitionsvertrages. Das Geld sollte als jährlicher Zuschuss des Staates helfen, auch das platte Land ans schnelle Internet anzubinden. In der endgültigen Fassung des Koalitionsvertrags aber steht sie nicht mehr.

Es ist nicht so, dass man mit einer Milliarde Euro wirklich viel erreichen könnte. Denn das schnelle Internet gelangt am besten durch haarfeine Fasern aus Quarzglas zu den Leuten ins Haus. Und dieses Netz zu bauen, das dauert - und es ist teuer: Schätzungen zufolge würde es 20 Jahre dauern, alle Haushalte ans Glasfasernetz anzuschließen. Und es würde insgesamt etwa 80 Milliarden Euro kosten. Dennoch, so heißt es in der Technologiebranche, wäre der jährliche Zuschuss von einer Milliarde Euro ein Zeichen gewesen, dass der Staat dort mit anpackt, wo es der Markt allein eben nicht regelt.

Doch warum schafft es die Telekommunikationsbranche nicht, diese für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes so wichtige Voraussetzung zu schaffen? "Infrastruktur ist ein natürliches Monopol", sagt Herrmann Rodler, Vizepräsident der Initiative D21 und Deutschland-Chef der Nokia-Netzwerksparte. Nach der Liberalisierung des Marktes in den Achtzigerjahren seien in Deutschland und in Europa viele kleine Telekommunikationsanbieter entstanden, aber Hunderte kleine Anbieter könnten die nötigen Investitionen nicht stemmen. Deutschlands Dilemma: In kaum einem anderen europäischen Land ist der Ausbau so teuer - vor allem wegen der großen Flächen, aber auch wegen der hohen Arbeitskosten im Tiefbau. Aber in kaum einem anderen Land ist ein Internetanschluss so günstig zu haben - und das ist für die vielen kleinen Anbieter, die den Netzausbau stemmen sollen, ein echtes Problem. Am besten, sagt Rodler, wäre es, wenn es in ganz Europa nur noch drei Anbieter gäbe, die dann groß genug wären, um Multi-Milliarden-Investitionen tätigen zu können. Und in ländlichen Regionen müsse der Staat helfen.

Die Anbieter nämlich strengen sich vor allem dort an, wo das in den Ausbau investierte Geld auch wieder hereinkommt. Je dünner besiedelt eine Region, desto weiter werden die Strecken, über die Kabel verlegt werden müssen - und desto geringer ist die Aussicht, dort Kunden zu gewinnen. Das erklärt, warum noch nicht einmal vier Prozent aller deutscher Haushalte an das superschnelle Glasfasernetz mit Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 120 Megabit pro Sekunde angeschlossen sind. Bislang werden hierzulande längst nicht alle dieser Anschlüsse genutzt.

Beim Glasfaser-Ausbau liegen vor allem Länder des ehemaligen Ostblocks vorn. Dort waren die Netze schlecht und der Druck, etwas zu tun, entsprechend hoch. In Litauen und Lettland etwa wurden deshalb in den Neunzigerjahren bereits Glasfasernetze ausgebaut, die auch heute noch gute Dienste leisten - anders als im Osten Deutschlands, wo inzwischen veraltete Technik verbuddelt wurde. Im Westen war das alte Kupfernetz ohnehin gut genug. Die Frage ist nur: Ist es auch gut genug für die Zukunft? Für vernetzte Fabriken und kluge Internetgründer?

Internationale Internetabdeckung

Internationale Internetabdeckung Internationale Internetabdeckung, Grafik

(Foto: SZ Grafik, Julian Hosse)

Anders als in Frankreich und Großbritannien leben hierzulande viele Menschen weit verstreut. Und anders als in Skandinavien, sagt Wolfgang Heer vom Bundesverband Glasfaseranschluss, ist hier unter Hauseigentümern die Ansicht, dass ein Glasfaseranschluss doch eine gute Sache wäre, nicht sehr verbreitet. Deshalb bedauert er, dass es der Vorschlag, Eigentümern mit steuerlichen Anreizen solche Anschaffungen schmackhaft zu machen, nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat.

Eine weitere Möglichkeit: schnelles Internet via Mobilfunk

Glasfaser muss aber auch nicht die einzige Lösung sein. Nokia-Mann Rodler etwa plädiert dafür, die Funkfrequenzen, die für digitales Fernsehen über Antenne blockiert werden, für schnelles Internet über Mobilfunk zu nutzen: "Wir reservieren eine Riesen-Ressource für die zwei Prozent, die Fernsehen über Antenne gucken." Aber auch er weiß, dass seine Forderung in der Gemengelage zwischen Bund und Ländern schwer durchzusetzen sein wird.

Stattdessen hat die Regierung in ihren Koalitionsvertrag nun für den Netzausbau ein neues Sonderfinanzierungsprogramm bei der KfW-Bankengruppe festgeschrieben sowie einen Bürgerfonds. Mit einem Aufschlag über den derzeit üblichen Zinsen will die Politik Sparer anlocken - und das angelegte Geld nutzen, um den Breitbandausbau zu bezuschussen. Ob das hilft? "Das muss sich im Praxistest erweisen", sagt Heer. In der Branche ist man nicht gerade glücklich über die windelweichen Formulierungen.

An ihrem Ziel, bis zum nächsten Jahr 75 Prozent und bis 2018 alle deutschen Haushalte an ein Netz mit Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit/Sekunde zu bringen, hält die Regierung fest. "Wer eine so teure Musik bestellt, sollte auch bereit sein, den einen und anderen Euro selbst in die Jukebox zu stecken", sagt Heer. Derzeit sind nämlich erst etwas mehr als 50 Prozent angeschlossen.

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