Augmented Reality:Dieser Mann machte Pokémon Go zum Millionenphänomen

Niantic, game developer of Nintendo's smash hit Pokemon GO, Chief Executive Hanke speaks during an interview with Reuters in Tokyo

Niantic-Chef John Hanke bei einem Interview in Tokio

(Foto: REUTERS)

Dabei hat für John Hanke, Gründer des Augmented-Reality-Unternehmens Niantic, alles nur mit einem Aprilscherz begonnen.

Von Jürgen Schmieder

Was für eine bescheuerte Idee! Mit dem Handy vor der Nase herumlaufen und in der realen Welt nach virtuellen Mini-Monstern suchen. Das muss ein Scherz sein. War es auch. Am 1. April 2014 gab es auf Google Maps die Pokémon Challenge, bei der die Nutzer unter Zuhilfenahme der virtuellen Landkarte Pikachu 149 Figuren finden sollten. Dem Sieger wurde eine Anstellung als Pokémon Master im Unternehmen versprochen. Solche Aprilscherze erlaubt sich das Unternehmen immer wieder, im vergangenen Jahr etwa wurde in die Landkarte das legendäre Computerspiel Pacman integriert.

John Hanke ist der Mann, der sich den Scherz damals erlaubt hat. Er ist Gründer und Chef der Firma Niantic Labs, nun weltweit bekannt als Entwickler des Augmented-Reality-Knallers Pokémon Go. "Wir haben schon damit gerechnet, dass dieses Spiel erfolgreich sein würde und haben die Infrastruktur dementsprechend auf viele Nutzer ausgelegt", sagte er dem Magazin Time: "Aber wir hätten niemals gedacht, dass es ein derartiger Erfolg werden würde. Wir basteln nun daran, dass auch wirklich alle Menschen spielen können, die spielen wollen."

Hanke reist gerade durch Japan. Die vergangenen Tage seien die verrücktesten seines Lebens gewesen, sagt er: "Ich bin voller Adrenalin und auch ein bisschen durch den Wind, aber ich werde mich jetzt keinesfalls beschweren."

Können die Pokémon den Markt für Videospiele revolutionieren?

Hanke, 49, war vor 20 Jahren bereits an der Entwicklung von Meridian 59 beteiligt, das erste Rollenspiel mit 3-D-Grafik, dass massenhaft Menschen gleichzeitig online spielen können. Danach entwickelte er mit seiner Firma Keyhole den Vorläufer von Google Earth, nach dem Verkauf an Google für 35 Millionen Dollar arbeitete er jahrelang am Kartendienst Google Maps und der Erweiterung Street View.

2010 gründete er innerhalb des Google-Konzerns Niantic, um neuartige Computerspiele zu entwickeln. Eines davon war Ingress im Jahr 2013, bei dem die Nutzer auf einer App andere Mitspieler herausfordern sollten, real existierende Gebiete zu erobern.

Es folgte der Aprilscherz, der derart erfolgreich war, dass Hanke der Pokémon Company und dem Mutterkonzern Nintendo eine Kooperation vorschlug. Was er nicht wusste: Pokémon-Geschäftsführer Tsunekazu Ishihara war ein begeisterter Ingress-Spieler. Und der mittlerweile verstorbene Nintendo-Chef Satoru Iwata suchte dringend nach einer Handy-Applikation für den Massenmarkt, weil sein Unternehmen die Smartphone-Revolution verschlafen hatte. "Wir mussten sehr wenig erklären, beide haben das Konzept sofort verstanden", sagt Hanke.

Nintendo steckt 20 Millionen Dollar in die Entwicklung von Pokémon Go

Als Google den Mutterkonzern Alphabet gründete, wurde Niantic ein eigenständiges Unternehmen und konnte frei von Restriktionen Kooperationen vereinbaren. Nintendo investierte 20 Millionen Dollar in die Entwicklung von Pokémon Go. "Es fügte sich wie von alleine zu einem stimmigen Bild zusammen", sagt Hanke.

Es gab nur ein kleines, ungewöhnliches Problem: Die Pokémon-Entwickler fanden Ingress wunderbar, die Niantic-Mitarbeiter dagegen waren Fans der Original-Pokémons. "Es gab hin und wieder heftige Debatten, aber es ist uns hoffentlich gelungen, den alten Spielen so treu wie möglich geblieben zu sein."

Ob Pokémon Go durch die computergestützte Erweiterung der Realität tatsächlich die Videospiel-Branche revolutionieren kann oder doch nur ein kurzlebiger Hype bleibt, ist derzeit nicht abzusehen. Hanke jedenfalls hat bereits Pläne für die Zukunft des Spiels. Eine davon ist, dass die Spieler künftig nicht mehr mit dem Handy vor der Nase durch die Gegend laufen, sondern bei der Suche nach Pokémons eine Brille tragen sollen. "Zu Beginn werden diese Brillen wohl nur in geschlossenen Räumen funktionieren", sagt Hanke: "In zehn Jahren werden wir sie auch draußen einsetzen können."

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