Aufregung um Online-Rollenspiel:Namenskrieg bei World of Warcraft

Wer einen Beitrag im offiziellen Forum von World of Warcraft schreibt, muss künftig seinen echten Namen angeben. Doch die Community wehrt sich auf ihre eigene Art.

Johannes Kuhn

Elf Millionen Menschen spielen nach offiziellen Angaben World of Warcraft (WoW). Das Online-Multiplayer-Rollenspiel mit seinem komplexen System von Erfahrungspunkten, Gilden und Missionen ist allerdings selbst für regelmäßige Nutzer nur schwer zu durchblicken.

Aufregung um Online-Rollenspiel: Spieler von World of Warcraft auf einer Messe: Im Spiel anonym, im Forum mit vollem Namen.

Spieler von World of Warcraft auf einer Messe: Im Spiel anonym, im Forum mit vollem Namen.

(Foto: ag.ap)

In den offiziellen WoW-Foren suchen Spieler deshalb Hilfe oder tauschen sich aus. Doch dort stehen Veränderungen an. Veränderungen, die zu einem Aufschrei der Entrüstung geführt haben.

Am Anfang der Woche teilten die Mitarbeiter des WoW-Herstellers Activision Blizzard mit, dass Nutzer künftig ihre Beiträge in den offiziellen Spieleforen nur noch mit ihrem vollen Vor- und Nachnamen absetzen können. Ihren WoW-Phantasienamen können Sie nur noch zusätzlich angeben. Der Klarnamenpflicht entkommen können die Nutzer nur schwierig: Activision Blizzard kennt die Angaben aus den Zahlungsinformationen, da für den Zugang zu WoW eine monatliche Gebühr fällig ist.

Anti-Troll-Politik sorgt für Wut

Der Grund für den Schritt liegt nach Aussage des Unternehmens im schlechten Diskussionsklima. Das Forum habe "mit der Zeit auch den Ruf erlangt, ein Ort zu sein, in dem sogenannte 'Flame Wars', Trollerei und andere unerfreuliche Dinge gedeihen", schreibt ein Blizzard-Mitarbeiter im deutschsprachigen Bereich, "wenn der für Online-Unterhaltungen typische Schleier der Anonymität entfernt ist, wird dies zu einer besseren Umgebung in den Foren führen".

Von dieser Argumentation zeigen sich viele Mitglieder der WoW-Community allerdings wenig überzeugt, ist es doch die Regel, dort mit Pseudonymen zu schreiben: Über Hunderte Forenseiten hinweg sieht sich Activision Blizzard heftiger Kritik ausgesetzt. Im englischsprachigen Forum sind bereits mehr als 40.000 Beiträge zum Thema eingegangen.

Verschmelzung von realer und virtueller Welt

"Ich finde den Schritt einfach lächerlich, sorry", schreibt ein Nutzer mit dem Namen "Pinjan" und fürchtet, dass "irgendwelche Idioten meinen Namen auf Telefonbuch.de raussuchen und bei mir sturmklingeln können."

Diese Angst vor der Verschmelzung von realer und virtueller Welt wird häufig erwähnt: Eine Google-Suche, so das Argument, würde nun mit wenigen Mausklicks die Identität eines Spielers offenlegen - und somit Identitätsdiebstahl und Stalking Tür und Tor öffnen.

Wie WoW-Foristen einen US-Mitarbeiter büßen ließen

Die Debatte um die Anonymität trifft ins Zentrum der Faszination von World of Warcraft: Hier findet sich vom Anwalt bis zum Fließbandarbeiter eine Community aus allen Gesellschaftsschichten zusammen, die miteinander durch die virtuelle Welt zieht, kämpft und per Headset plaudert.

Findet nun ein Arbeitgeber heraus, dass sich ein Mitarbeiter in der Rollenspielwelt bewegt, könnte es dessen Ruf schaden, wird WoW doch oft im Zusammenhang mit dem Problem der Online-Sucht genannt und von vielen Außenstehenden als sinnlose Daddelei gesehen.

Zudem gehört es zum Reiz der Phantasiewelt, hinter seiner Rolle im Spiel zu verschwinden: Je mehr die Spieler übereinander herausfinden, desto weniger kann die World of Warcraft von der wirklichen Welt getrennt werden - und desto mehr verliert das virtuelle Märchenreich seinen Zauber.

Anfang vom Ende der Anonymität?

Bereits jetzt bietet Activision Blizzard in seinem Online-Spieleportal Battle.net Nutzern die Möglichkeit, unter realem Namen Freundschaften zu schließen ("Real ID"). Auch eine Facebook-Integration ist geplant, um die Freundeslisten dort mit denen in der virtuellen Welt abgleichen zu können.

Sean Brooks von der US-Bürgerrechtsgruppe Center for Democracy & Technology vermutet deshalb neue Vermarktungsmodelle hinter dem Schritt. Er merkt an, dass sich Activision Blizzard laut US-Geschäftsbedingungen vorbehält, gesammelte Informationen über seine Nutzer mit den Daten von Drittanbietern anzureichern. Dies könnte auf Geschäftsmodelle wie personalisierte Werbung deuten - und hier sind möglichst viele Informationen nicht nur virtuelles Gold wert.

In wenigen Tagen wird das Forum des Blizzard-Spiels "Starcraft II" auf Klarnamen umgestellt, das Forum von "World of Warcraft" soll später im Zuge der Veröffentlichung der dritten Erweiterung "Cataclysm" umgestellt werden. Blizzard ließ erklären, "definitiv dem Feedback der Nutzer zuzuhören" und die Reaktionen abzuwarten. Im Spiel World of Warcraft selber werden weiterhin keinerlei Klarnamen verlangt oder gegen den Willen der Nutzer angezeigt.

US-Mitarbeiter muss Telefonnummer ändern

Der Ärger der WoW-Community entlädt sich derweil an den Mitarbeitern des Unternehmens. Den Autor des Forenbeitrags mit den neuen Regeln erwischte es zuerst: Der Mann, der bislang unter dem Pseudonym "Bashiok" Beiträge im Forum schrieb, wollte mit gutem Beispiel voran gehen und veröffentlichte seinen echten Namen.

Innerhalb weniger Minuten ließen ihn Mitglieder des Forums die Folgen dieses Schritts spüren: Sie veröffentlichten seinen Lebenslauf, seine Adresse und Telefonnummer, Namen und Adresse von Familienmitgliedern, die Schule seiner Kinder und ein Bild von seiner Eingangstür. All diese Informationen waren im frei zugänglich im Internet zu finden.

Der Mann hat inzwischen seine Profile in sozialen Netzwerken gelöscht und seine Telefonnummer ausgetauscht. Über diesen Schritt dürften bald auch andere Blizzard-Mitarbeiter nachdenken: Inzwischen existiert ein Blog, in dem ein anonymer Autor persönliche Informationen über weitere Angestellte veröffentlicht.

Update, 12. Juli 2010: Am Wochenende hat Blizzard auf die Kritik reagiert und den Klarnamenzwang zurückgenommen.

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