Architekt über Smart Homes:"Die Technik soll den Benutzer nicht dominieren"

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Alles unter Kontrolle im intelligenten Zuhause? Noch sind die Smart-Home-Systeme verschiedener Hersteller nicht aufeinander abgestimmt. Das erhöht den Aufwand für Bauherrn. (Foto: Bloomberg)

Menschen sollen ihre Häuser digital kontrollieren können. Smart Homes wollen genau das ermöglichen, doch Aufwand und Kosten sind für die Bauherrn derzeit noch enorm. Ein Gespräch mit dem Architekten Harald Schindele über technische Möglichkeiten und Behaglichkeit.

Von Hakan Tanriverdi

Harald Schindele ist Architekt in Berlin. Er finde es interessant, sagt er, sich mit Menschen zu umgeben, die wissen wollen, was die Technik macht. Die sich dafür interessieren, wie weit der Stand der Dinge ist und ob es Vorteile hat, das alles aufmerksam zu verfolgen. Ein Gespräch über die technischen Möglichkeiten und Behaglichkeit.

SZ.de: Herr Schindele, wie viele Leute kommen zu Ihnen und sagen, dass sie gerne ein intelligentes Zuhause, also ein Smart Home, hätten?

Harald Schindele: Ungefähr die Hälfte meiner Kunden. Es hat eindeutig zugenommen. Ich würde es so formulieren: Mittlerweile werde ich von fast allen auf das Thema angesprochen, rund die Hälfte springt dann aber aufgrund der Kosten wieder ab.

Hört sich nach Luxusproblemen an.

Ja, wir sprechen von einer ganz hohen Ebene des Luxus'. Basiswerte für sozialen Wohnungsbau berühre ich damit gar nicht.

Trotzdem scheinen solche Konzepte keine Randerscheinung mehr zu sein.

Das Thema Smart Home dringt zunehmend zu den Bauherren vor. Die sagen: "Wir wissen, dass es das gibt. Können wir das inzwischen nutzen, ist da eine Qualität vorhanden?"

Und, ist sie das?

Ich habe erst kürzlich ein Haus gebaut. Dort haben wir Geräte von unterschiedlichen Herstellern gehabt, die wiederum unterschiedliche Steuerungssysteme haben. Das hätte dazu geführt, dass in jedem Raum eine Wand mit fünf bis sieben Modulen vollgebaut gewesen wäre, was mit der Ästhetik nicht unter einem Hut zu bekommen ist. Das ist ein großes Problem. Die Systeme der Industrie sind noch nicht ausgereift.

Wie haben Sie das gelöst in diesem Fall?

Wir haben einen Software-Spezialisten bezahlt, der uns eine App geschrieben hat, mit der alle Komponenten per iPhone und iPad gesteuert werden konnten.

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Eine eigene App für ein einzelnes Haus? Das ist sehr aufwendig.

Ja, es ist ohnehin ein großer Aufwand, sich mit einem Smart House auseinanderzusetzen. Man muss das verstehen und dafür bereit sein. Es soll letztendlich ja so einfach sein, dass auch Kinder das bedienen können. Es gibt regelmäßige Software-Updates, die man aufspielen können muss - oder ein Techniker kommt, um das zu machen. Es bedeutet, dass ich mich permanent um die Haustechnik kümmern muss. Dass ich mich zurücklehnen kann und alles passiert von alleine - das ist nicht der Fall. Und je pflegeintensiver solche Häuser sind, desto abschreckender sind sie. Für die Bauherren stellt sich die Frage des Geldes: Sind die Menschen bereit dazu, mehr Geld für ein Haus auszugeben, wenn es vollautomatisiert ist. Ist das der Fall, wird es öfter eingesetzt werden.

Wann schlagen Sie denn vor, über so ein Haus nachzudenken?

Gar nicht, das muss schon vom Kunden kommen. Die müssen technikverliebt und computeraffin sein. Wir bieten an, ein Haus mit einer gewissen technischen Kontrolle zu entwickeln, wollen das aber nicht übertreiben. Wenn die Bauherren aber sagen, dass sie gerne Kontrolle über das Licht, die Sicherheit und den Sound hätten, dann bin ich begeistert.

Warum genau?

Ich würde drei Gründe nennen. Erstens, die Energie-Effizienz: Man spart sich zum Beispiel Heizkosten. Zweitens, es ist grundsätzlich interessant, sich damit zu beschäftigen, was die Technik hergibt. Man kommt mit seinem Haus in der Jetztzeit an. Man kann von unterwegs mit seinem iPhone schauen, was in dem Haus so passiert. Drittens, rein architektonisch ist es interessant, weil viele Dinge weggeplant werden können.

Das heißt?

Die Lautsprecher werden zum Beispiel in die Rohdecken eingelassen. Das ist zwar ein Aufwand, aber später kann ich den Sound steuern und kontrollieren. Ich kann alles anwählen, entkoppeln und anbinden. Das gleiche gilt in Sachen Elektrik. Ich kann Stromkreise und Schaltungen zuweisen, kann so Stimmungen erzeugen. Zum Beispiel das "Heute Abend kommt meine Freundin"-Szenario oder aber ich will einen Film sehen und die Lichter werden entsprechend der Einstellungen gedimmt. Das finde ich sinnvoll, das ist definitiv ein Komfort, eine Flexibilität in der Kontrolle.

Also geht es um Behaglichkeit. Ist das, was Sie beschrieben haben, nicht ein bisschen wenig an Komfort?

Idealerweise würde es sich dahingehend entwickeln, dass das Smarthome auf meine physische Anforderung reagiert, auf mein Wohlbehagen. Dass es zum Beispiel meinen Körper scannt und merkt, dass mir kalt ist und die Wärme hochdreht. Das passiert, ohne dass ich alles selbst einstellen muss und stundenlang vor meinem Touchscreen stehe. Aber davon sind wir noch sehr weit weg.

Oft ist es so, dass intelligente Bürogebäude das Wohlbehagen überhaupt nicht berücksichtigen - da werden Jalousien hoch- und runtergefahren, ohne dass es nachvollziehbar wäre.

Ja, man muss die zwei Bereiche unterscheiden, also Häuser und Büros. Im Büro gibt es ganz andere Anforderungen. Da macht es mehr Sinn, das großflächig anzuwenden, um Einsparungen vorzunehmen. Da passieren Dinge willkürlich. Die Jalousien reagieren auf Reflektionslicht, das man persönlich nicht als unangenehm empfindet. Aber die Jalousien gehen zu und das Haus heizt sich weniger auf. Das sind ein paar Grad Wärme, also Einsparungen. Als Mensch in dem Gebäude ist man aber kurz erschrocken, dass sich die Jalousien von alleine bewegen.

Aber Sie als Architekt reden ja auch von Lichtstimmungen und Behaglichkeit, also argumentieren so, dass Menschen sich wohlfühlen sollen.

Ja, aber auf Büroebene ist das sekundär.

Was ist denn primär?

Dass das Gebäude optimiert wird. Es ändern sich die Verhältnisse, wenn Mitarbeiter in einem Raum sind und den aufheizen. Das muss gekühlt werden. Mehr als in anderen Situationen, wenn weniger Menschen da sind. Solche Häuser arbeiten ja auch durch die Strahlungswärme der vorhandenen Maschinerien und fügen nur in geringem Maße externe Wärme dazu. Da passieren Automatismen, die unerwünscht sind.

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Kann man dagegen etwas ausrichten?

Man kann individuell nacharbeiten, um das zu optimieren. Zum Beispiel mit der letzten Instanz des persönlichen Eingriffs. Man muss sagen können: "Jetzt langt es mir". Die Technik soll schließlich den Benutzer nicht dominieren.

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