Arbeitsbedingungen:Aufstand der Facebook-Fahrer

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Jeden Tag bringen sie mit ihren Bussen gut verdienende Facebook-Mitarbeiter von San Francisco ins Silicon Valley - und sind frustriert: Die Fahrer der Tech-Shuttles fordern bessere Arbeitsbedingungen und wollen sich gewerkschaftlich organisieren. Doch sie stoßen auf Hindernisse.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Aus Jimmy Maerina, so viel lässt sich prognostizieren, wird in diesem Leben kein Diplomat mehr. "Was für eine Scheiße ist das denn? Sie locken gerade neue Fahrer mit 500 Dollar Prämie an, und wir kriegen als Jahresbonus einen 25-Dollar-Einkaufsgutschein", redet sich der 54-Jährige in Rage.

Maerina ist Facebook-Busfahrer - und sauer. Von montags bis freitags befördert er gutbezahlte Mitarbeiter des sozialen Netzwerks aus San Francisco und den umliegenden Gemeinden in das Hauptquartier des Milliardenkonzerns nach Menlo Park, am Abend bringt er sie wieder zurück. Doch die Arbeitsbedingungen frustrieren ihn und viele seiner Fahrerkollegen.

Da wäre die Sache mit den Dienstzeiten: Die Chauffeure machen sich in der Regel zwischen fünf und sechs Uhr morgens auf den Weg zur Arbeit, um die ersten Tech-Arbeiter in San Francisco aufzulesen und durch die quälende Rush-Hour ins Silicon Valley zu transportieren.

Unfreiwillige Mittagspause

Doch der Frühdienst ist keiner: Weil zwischen dem späten Vormittag und 17 Uhr kein Bedarf an den Pendel-Shuttles herrscht, müssen die Facebook-Fahrer ihre Schicht in dieser Zeit unterbrechen und eine extralange Mittagspause machen. Das gefällt verständlicherweise nicht jedem.

Ein Großteil der Busfahrer lebt nicht im teuren Silicon Valley, sondern weit weg im günstigeren Norden und Osten der Bucht. Die fünfstündige Pause verbringen sie deshalb nicht zu Hause, sondern in ihrem Bus oder in der Facebook-Cafeteria. Geld erhalten die Chauffeure für die Wartezeit nicht. Ab 17 Uhr beginnt dann der Mitarbeiter-Rücktransport, der weitere drei bis vier Stunden dauert.

"Die Fahrer sind vom Morgengrauen bis in den Abend im Einsatz, aber sie bekommen nur neun Stunden bezahlt", klagt Rome Aloise, "was hilft es da, wenn sie 18 Dollar pro Stunde bekommen?" Nun ist Aloise nicht irgendwer, sondern ein mächtiger Funktionär der örtlichen Teamster-Gewerkschaft, der die Facebook-Fahrer nun beitreten wollen.

Wie Adelige in der Kutsche

Unhaltbare Zustände seien das, so lautet seine Botschaft, der Arbeitgeber würde entgegen aller Versprechungen nichts zu Pensionsplänen beitragen, die betriebliche Krankenversicherung sei lausig. "Ich zahle für meine Familie und mich 1200 Dollar Monatsbeitrag, um krankenversichert zu sein", sagt Busfahrer Maerina, "das ist die Hälfte meines Gehalts." Da wirkt der 25-Dollar-Gutschein für jeden Busfahrer wie ein schlechter Witz.

Teamster-Mann Aloise hat deshalb einen Brief an Facebook-Chef Mark Zuckerberg geschrieben: "Das alles erinnert mich an eine Zeit, als Adelige sich von ihren Dienern mit der Kutsche herumfahren ließen. Es hat sich nichts geändert", heißt es da voller Pathos. Eine Antwort hat er nicht erhalten, was auch daran liegen könnte, dass die Fahrer nicht direkt bei Facebook angestellt sind: Der Milliardenkonzern bezahlt einem Busunternehmen viel Geld dafür, die Fahrten zu organisieren.

In der Konzernzentrale möchte man zu der Angelegenheit deshalb nichts sagen.Wenn man so will, hat Facebook Pech gehabt, jetzt im Mittelpunkt der Diskussion zu stehen: Auch andere Tech-Unternehmen wie Google, Apple oder Electronic Arts bieten Shuttles an, die Bedingungen sind in der Regel ähnlich. Irgendwo müsse man ja anfangen, erklärt Gewerkschafts-Mann Aloise. Sein Ziel ist es, am Ende alle Shuttle-Fahrer unter den Teamster-Hut zu bekommen.

Jeff Leonoudakis hat etwas dagegen: Er ist der Chef von Loop, jenem Bus-Unternehmen, das die Facebook-Busse betreibt und auch für andere Tech-Firmen fährt. "Wir richten uns bei den Schichten nach den Wünschen unserer Auftraggeber", sagt er, und überhaupt gehöre er noch zu den arbeitnehmerfreundlichen Anbietern auf dem Markt.

Der Vorwurf mangelhafter Krankenversicherungs- und Rentenleistungen sei falsch, aber er wolle dazu gar nicht viel sagen. Seine Mitarbeiter seien schließlich derzeit nicht in der Gewerkschaft. In einer ersten Abstimmung hat sich allerdings ein Großteil der etwa 40 Facebook-Fahrer für den Teamster-Beitritt ausgesprochen.

Fahrer sind gefragt

Das Geschäft mit den Tech-Bussen wird wachsen, das zeigen die Stellenangebote, in denen neue Fahrer mit einmaligen Bargeld-Zahlungen gelockt werden. Zwar geben die meisten Internet-Konzerne in den Vereinbarungen mit den Busfirmen einen Rahmen vor, um Sozialausbeutung vorzubeugen, doch der lässt immer noch genug Spielraum. Die Frage lautet am Ende, wie verantwortlich sich die Großunternehmen für die Arbeitsbedingungen der Dienstleister fühlen.

Von seinen Facebook-Passagieren erhalte er viel Zuspruch für sein Anliegen, sagt Busfahrer Maerina. Ohnehin sei das Verhältnis gut, betonen Mitarbeiter beider Seiten. Nicht zuletzt durch einige tätliche Angriffe von Aktivisten auf die als Gentrifizierungssymbole geltenden Busse sei das Gefühl entstanden, im selben Boot zu sitzen.

Google hat kürzlich angekündigt, das Sicherheitspersonal für seine Zentrale in Mountain View selbst anzustellen, statt sich auf Dienstleister zu verlassen. 200 Stellen sollen es sein, die Arbeitsbedingungen dürften sich verbessern. "Facebook sollte uns Busfahrer lieber direkt bei sich anstellen, mit Loop verbessert sich nichts", sagt deshalb auch Maerina. Weil er die Vergewerkschaftung vorantreibt, läuft er Gefahr seinen Job zu verlieren.

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