Apples Flachcomputer im Test:iPad: Faszination und Schwäche

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Am Freitag kommt das iPad in Deutschland auf den Markt. Ein faszinierendes Gerät, das dennoch mit Schwächen und komplizierten Konzepten zu kämpfen hat.

Helmut Martin-Jung

Magisches Synthesizer-Gesäusel erfüllt den Raum und ja: die Sphärenmusik kommt wirklich aus dem Gerät, das Apple-Chef Steve Jobs im April mit dem bewusst lapidaren Satz ankündigte: "Wir nennen es das iPad."

Große Erwartungen: Dem iPhone (rechts) folgt am Freitag in Deutschland Apples iPad. (Foto: ap)

Auf dem nachtdunklen Bildschirm leuchten die Sterne, aber nicht irgendwelche. Es sind genau jene Konstellationen, die am Himmel stünden, wäre es gerade Nacht und das iPad ein magisches Fenster, das den Blick durch Decke und Dach erlaubt.

Programme wie "Star Walk" machen aus einem übergroßen iPhone, das nicht einmal telefonieren kann, am Ende doch ein faszinierendes Gerät. Aber dass man für fast jede Aufgabe, die man damit erledigen will, eine neue solche App braucht, ist zugleich auch die größte Schwäche des Konzepts.

Das Ende der Netbooks?

Das iPad kommt in Deutschland von 28. Mai an in Versionen mit und ohne den schnellen Datenfunk UMTS auf den Markt. Apple versucht damit - bisher sehr erfolgreich -, eine neue Kategorie zu etablieren, sogenannte Tablet-PC. Gut 24 mal 19 Zentimeter groß, 13 Millimeter dick und um die 700 Gramm schwer, will das iPad in die Lücke zwischen Handys und Laptops stoßen.

Die in Mode gekommenen Netbooks, Mini-Laptops, die sich hauptsächlich zum Surfen im Internet eignen, hatte Apple stets kritisiert. Seit das iPad vorgestellt wurde, weiß man, warum: Es ist diese Gerätekategorie, die Apple angreifen will. Doch kann es sie wirklich ersetzen?

Wer sein Netbook als vollwertigen Computer ansieht und benutzt, wird eher enttäuscht: Nicht einmal einen simplen USB-Speicherstick kann man in das neue Apple-Gerät einstöpseln, weil die dafür nötige Buchse fehlt. Über einen als Zubehör verkauften Adapter lassen sich immerhin Kameras und SD-Speicherkarten auslesen und dann auch Sticks, aber nur einige Dateiformate werden erkannt.

Videos spielt das iPad nicht in gängigen Formaten ab, sie müssen vorher umgewandelt werden - erst dann bequemt sich Apples Programm zur Verwaltung von Multimedia-Dateien, iTunes, den Film auf das iPad zu übertragen. Ist diese Hürde genommen, laufen Videos auf dem iPad aber ruckelfrei und dank dem hochauflösenden, kontraststarken Bildschirm in beeindruckender Qualität.

Ohne iTunes geht nichts

Ohne iTunes geht beim iPad ohnehin nichts. Wird das Gerät nicht schon im Laden mithilfe der Software aktiviert, verweigert das iPad den Dienst. Wer bisher noch nicht ins Apple-Universum eingetaucht ist, muss das 93 Megabyte große iTunes-Programmpaket erst herunterladen und installieren.

Die Dateien, mit denen das iPad etwas anfangen kann, werden dann automatisch und zügig übertragen. Um einen Mailzugang zu aktivieren, reicht es bei populären Anbietern, Benutzername und Passwort anzugeben.

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Das Surfen im Internet funktioniert einerseits gut, weil Prozessor und Betriebssystem des iPads auf Schnelligkeit getrimmt sind. Der große Bildschirm, verbunden mit der Möglichkeit, durch Spreizen und Zusammenziehen zweier Finger die angezeigte Seite zu vergrößern und zu verkleinern, erhöht den Surfspaß.

Doch merkt man dem Betriebssystem an, dass es von Apples Handy, dem iPhone, stammt. So lassen sich zwar mehrere Internetseiten parallel öffnen, aber nicht gleichzeitig auf den Schirm holen. Nahezu jede App verwaltet ihre Daten selbst, mit anderen kann man darauf meist nicht zugreifen.

Mäßige Verbindungen

Videos im Flash-Format kann das iPad nicht darstellen. Und es ist nicht möglich, Dateien über einen Dialog im Browser hochzuladen, etwa zum Fotoportal Flickr oder in ein Blog.

Unser UMTS-Testmodell bekam in Innenräumen eher mäßige Verbindungen ins Mobilfunknetz zustande, in der S-Bahn gar keine. Das W-LAN-Modul hingegen zeigte sich potenter als das in einem Netbook. Die virtuelle Tastatur auf dem Berührungsbildschirm funktioniert erstaunlich gut, mit einer Ausnahme: Um ein "ä" zu tippen, muss man länger auf die Taste "a" drücken, was den Schreibfluss merklich hemmt.

Zwiespältiger Eindruck

Als Lesegerät hinterlässt das iPad einen zwiespältigen Eindruck. Die Schrift steht weniger scharf da als bei dedizierten Lesegeräten wie dem Kindle von Amazon, die Hintergrundbeleuchtung des Bildschirms strengt die Augen mehr an, dafür entschädigt das intuitivere Design des Leseprogramms iBooks, das dem Umgang mit einem gedruckten Buch sehr nahe kommt.

So sehr Computerkenner nörgeln mögen über das iPad - das hübsch anzusehende Gerät ist eher für Benutzer gemacht, die gar keinen vollwertigen Computer mit all dessen Komplexität wollen. Sie werden sich über Dinge freuen wie den reaktionsschnellen und präzisen Bewegungssensor.

Er macht Rennspiele möglich, bei denen das Gerät Bildschirm und Lenkrad in einem ist. Googles inzwischen umstrittener Dienst Street View, die zu einem Panorama verwobene Ansichten von Straßen, scheint für das iPad gemacht zu sein. Und wenn etwas nicht funktioniert, das Ausdrucken einer Mail etwa, oder das Hochladen von Bildern, gibt es dafür in vielen Fällen eine App.

Kein Computerersatz

Mit der Zeit wird so nicht bloß der Bildschirm immer voller, sondern auch das Konto leerer. Apps gibt es nämlich nur in Apples Internetladen zu kaufen, viele davon immerhin in kostenlosen Probierversionen. Für das iPad und seinen großen Bildschirm wurden erst einige tausend Apps eingestellt, oft teurer als die iPhone-Versionen, es laufen aber auch jene Progrämmchen - mit Klötzchen-Grafik.

Ein eindeutiges Fazit lässt sich damit kaum ziehen. Einen vollwertigen Computer ersetzt das iPad nicht. Daran sind einerseits die Beschränkungen der Hardware schuld, in größerem Maß aber der Käfig, in den Apple das iPad sperrt. Golden ist der mehr für Apple als für die iPad-Besitzer. Wer ein schmuckes Gerät zur Unterhaltung für daheim wie unterwegs sucht und mit den genannten Einschränkungen leben kann, wird dagegen mit dem iPad womöglich glücklich werden.

© SZ vom 26.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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