Apple Macintosh-Jubiläum:Der erste seiner Art

1984 präsentierte Apple den Macintosh. Damit revolutionierte Steve Jobs nicht nur die Computerbranche - sondern auch die Werbung.

Christopher Schrader

Nach einem Vierteljahrhundert auf dem Markt gibt es für Apple-Macintosh-Computer wenig Grund für düstere Gedanken. Schade eigentlich. Man könnte sonst für die Geburtstagsrede schamlos das Rezept von Frank Capras klassischem Kitschfilm "Ist das Leben nicht schön?" kopieren. Darin steht der verzweifelte Wohltäter vor dem Selbstmord, bis ihm ein Engel zeigt, wie die Welt ohne ihn ausgesehen hätte: grau, kalt, chaotisch.

Apple Macintosh-Jubiläum: Revolutionärer Rechner: der Apple Macintosh mit grafischer Beunutzeroberfläche.

Revolutionärer Rechner: der Apple Macintosh mit grafischer Beunutzeroberfläche.

(Foto: Foto: allaboutapple.com)

Andererseits ist der Gedanke zu schön, ihn aufzugeben, bloß weil sich Apple trotz der Auszeit des Übervaters Steve Jobs nicht in einer Krise befindet und keine Rettung braucht. Selbst auf die Gefahr hin, das nicht unbeträchtliche Ego der Manager im Firmensitz Cupertino zu bedienen, sei hier also die Frage gestellt: Wie hätte die Welt ohne den Apple Macintosh ausgesehen? Dabei sei ein wenig künstlerische Freiheit gestattet, zumindest bei der Interpretation der Fakten. Wo es hier in Sachen Apple zu arg wird, meldet sich die Stimme des Gewissens.

Zuerst die Fakten. Angekündigt durch einen legendären Fernsehspot kam am 24. Januar 1984 der erste Apple Macintosh auf den Markt. Es war ein kleines, beiges Kistchen mit Schwarzweiß-Monitor und Diskettenlaufwerk, 128 Kilobyte Arbeitsspeicher, acht Megahertz Prozessortakt, ohne Festplatte und Gebläse zur Kühlung, mit einer klobigen Tastatur und einer Maus mit nur einer Taste. Preis: 2500 Dollar oder etwa 4000 Mark. Seither hat Apple der Computer-Industrie immer wieder durch Innovationen die Richtung vorgegeben. Was also wäre ohne den Macintosh aus der Branche geworden?

Zeilenweise kryptische Befehle

Ohne diesen Apple wäre der Computer an sich heute kein Gerät, das auf nahezu jedem Schreibtisch steht, das Kinder und Rentner sicher bedienen können und das ihnen den Zugang zu einem weltweiten Datennetz öffnet. Vor dem Ur-Macintosh nämlich musste der Benutzer seinem Computer zeilenweise kryptische Befehle eintippen. Der Apple hingegen hatte eine grafische Benutzeroberfläche. Der Bildschirm erinnerte an einen Schreibtisch, auf dem Dokumente lagen. Die Maus bewegte einen Zeiger auf dem Monitor, auf Klicks öffneten sich die Dokumente in eigenen Fenstern und konnten bearbeitet werden. Die Fenster legten sich zwanglos übereinander wie verschiedene Blätter Papier auf dem realen Schreibtisch. Wer eine Datei an anderem Ort speichern wollte, fasste sie mit dem Mauszeiger an und schob sie in den Zielordner; zum Löschen bugsierte man sie in den Papierkorb.

Das erscheint heute banal, damals war es revolutionär. Apple hatte mindestens ein Jahr Vorsprung bei Rechnern, die auf den Konsumenten-Markt zielten. 1985 kamen Computer von Atari und der Commodore Amiga mit grafischer Bedienung heraus, erst 1990 schaffte Microsoft mit Windows-Version 3 etwas halbwegs Vergleichbares. Daher muss die Stimme des Gewissens einräumen: Auch ohne den Macintosh gäbe es heute wohl Computer mit Maus, Ordnern und Papierkörben. Entscheidend an der Entwicklung beteiligt waren schließlich kluge Köpfe der Stanford University und des benachbarten Xerox-Parc-Forschungszentrums in Palo Alto, Kalifornien. Irgendwann wäre Apples Konkurrenz von allein draufgekommen. Doch es war eben Steve Jobs, der die Entwicklung als Erster auf einen Konsumenten-Computer übertrug.

Auf der nächsten Seite: Wie ein Apple-Werbespot eine Generation von Computer-Experten prägte.

Der erste seiner Art

Eine Athletin hetzt durch eine graue Welt

Die Einführung des Macintosh hatte noch auf anderem Wege entscheidenden Einfluss auf die Computerindustrie: über den Werbespot. Er lief nur ein einziges Mal regulär im Fernsehen, in der Pause des "Superbowl", des Football-Endspiels am 22. Januar 1984. Starregisseur Ridley Scott hatte die 60 Sekunden für 900 000 Dollar gedreht. Eine Athletin hetzt darin durch eine graue Welt, in der gleichgeschaltete Menschen der Botschaft eines Diktators zuhören. Die Atmosphäre ist George Orwells Romanklassiker "1984" nachempfunden. Verfolgt von Wachen erreicht die Läuferin den wandgroßen Bildschirm, von dem der Große Bruder dröhnt, und schleudert ihm einen Vorschlaghammer ins Gesicht. Aus dem Off erklärt eine Stimme, mit dem neuen Apple Macintosh werde 1984 eben nicht wie "1984".

Nie zuvor und nie danach hat TV-Werbung ein vergleichbares Echo ausgelöst. Am nächsten Tag sprachen mehr Menschen über den Spot als über das Spiel. Er hat nicht nur die Werbebranche verändert, sondern auch eine Generation von Computer-Experten geprägt. Es war die Generation, die im Silicon Valley in Kalifornien schließlich die digitale Revolution lostrat und die Büroarbeit ebenso wie den privaten Umgang mit Unterhaltungsmedien umgekrempelt hat.

Ohne den Macintosh wüssten heute auch nur Insider, wo Bondi Beach ist. Dieser Strand östlich von Sydney wurde 1998 zum Namensgeber für den Blauton, in dem das durchsichtige Gehäuse des ersten iMac-Computers von Apple schimmerte. (Stimme des Gewissens: Im Jahr 2000 fanden die olympischen Beachvolleyball-Wettbewerbe in Bondi Beach statt, es gibt also eine Quelle für das Wissen, die unabhängig von Apple ist). Mit dem rundlichen iMac übernahm Steve Jobs bei Apple wieder die Macht und zeigte der Welt, dass auch Computer Designobjekte sein können. Plötzlich waren Bonbonfarben für Rechner akzeptabel, später griff Apple zu gebürstetem Aluminium und weißem Kunststoff in Hochglanzoptik. Es unterstrich damit seinen Anspruch, Computer für eine Avantgarde zu bauen.

Maßstab für die Macken von Microsoft

Diese Zielgruppe bekommt auf ihren Rechnern vorgeführt, was eigentlich möglich ist. Apple stimmt seine Computer und Programme seit dem ersten iMac eng aufeinander ab, weil die Hard- nicht ohne die Software funktioniert und umgekehrt. So ist es möglich, dass ein Apple-Notebook in den Ruhezustand geht, wenn man den Bildschirm zuklappt. So konnte das Betriebssystem Mac OS X der installierten Software unabhängig vom Hersteller zentrale Dienste anbieten wie das Erzeugen von PDFs. Mac-Nutzer haben sich zudem daran gewöhnt, per Knopfdruck einen Überblick aller geöffneten Fenster zu sehen oder in nahezu jede Datei hineinzuschauen, ohne das entsprechende Programm öffnen zu müssen.

Dafür nahm es diese Zielgruppe viele Jahre lang hin, dass es für ihre Computer weniger Software gab als für die längst dominierenden Windows-PCs. Und dass der Austausch von Dokumenten zwischen den Rechnerwelten manchmal Probleme machte und merkwürdige Sonderzeichen in die Dateien brachte, wo vorher Umlaute standen. Diese Mängel begrenzten immer den Verkaufserfolg der Apple-Computer, sind inzwischen aber weitgehend behoben. Übriggeblieben sind Computer, die einfach gut funktionieren. Ohne den Macintosh hätte es diesen Maßstab nicht gegeben, an dem sich die Macken von Microsofts Windows abmessen lassen.

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