Apple-Keynote:Das iPhone X bricht Rekorde - auch beim Preis

  • Das iPhone X ist Apples erstes komplett neu entwickeltes Smartphone seit Jahren.
  • Es kommt mit randlosem Display, Gesichtserkennung statt Fingerabdrucksensor und kann drahtlos geladen werden.
  • Für sein neues Premium-Smartphone verlangt Apple mindestens 1149 Euro.
  • Auf der Keynote hat Tim Cook außerdem das iPhone 8, eine neue Apple Watch mit LTE-Modul und die vierte Generation des Apple TV vorgestellt.

Von Simon Hurtz

Wenn diese Keynote eine Game-of-Thrones-Folge gewesen wäre, müsste man sie als Enttäuschung bezeichnen. Das Netz war seit Wochen voll mit Spoilern, ein Missgeschick von Apple sowie ein mutmaßlich missgünstiger Mitarbeiter hatten sämtliche Details vorab verraten. Die einzige Überraschung war, dass jegliche Überraschung ausgeblieben ist.

Diese Keynote war aber keine Game-of-Thrones-Folge, sondern das größte Apple-Event seit vielen Jahren. Vom Namen über den Preis bis hin zu den technischen Details konnte der interessierte Apple-Fan zwar alles über das neue iPhone X auf diversen Tech-Portalen finden. Das ändert jedoch nichts daran, dass Apple zum ersten Mal seit mehreren iPhone-Generationen wieder ein komplett neu entwickeltes Smartphone vorgestellt hat - auf das sich Nutzer nun freuen können, Leaks hin oder her.

Und auch abgesehen vom iPhone X haben Tim Cook, Phil Schiller, Eddy Cue, Craig Federighi und weitere Apple-Manager (in zwei Stunden durfte nur eine Frau die Bühne betreten, der Abgang von Bozoma Saint John zu Uber macht sich bemerkbar) Produkte vorgestellt, die in anderen Jahren der Star einer eigenen Keynote gewesen wären. Hier die wichtigsten Ankündigungen im Überblick:

iPhone X

Passend zum zehnjährigen iPhone-Jubiläum kommt das iPhone X, gesprochen: "iPhone Ten". Es ist das erste iPhone mit randlosem Display. Front- und Rückseite bestehen aus Glas, so kann es drahtlos geladen werden (Aluminium stünde dem Wireless Charging im Wege). Der Bildschirm misst 5,8 Zoll. Apple folgt also dem Trend zu immer größeren Smartphones, den Hersteller wie Samsung eingeleitet hatten.

Erstmals verbaut Apple ein OLED-Display, das im Gegensatz zu anderen Technologien schwarz auch wirklich als schwarz anzeigt - die entsprechenden Pixel bleiben komplett finster, statt nur abgedunkelt zu werden. Das ermöglicht besonders hohe Kontrastwerte und kommt außerdem der Akkulaufzeit zugute, da Teile des Bildschirms nicht beleuchtet werden müssen. Insbesondere mit dunklem Hintergrund erhöht sich die Laufzeit spürbar. Viele Hersteller von Android-Smartphones setzen bereits seit Jahren auf OLED- oder AMOLED-Displays. Apple nennt den Bildschirm "Super Retina Display".

Wegen des randlosen Displays verschwindet der gewohnte Home-Button. Um das Smartphone zu aktivieren, sollen Nutzer einfach nur den Bildschirm antippen. Um ins Hauptmenü zu gelangen, reicht es, von unten nach oben zu wischen. Swipe-Gesten nach links und rechts wechseln zwischen den Apps. Lediglich Siri muss man weiterhin über einen Knopf an der Seite des Smartphones bedienen. Viele Nutzer werden sich umstellen müssen. Apple war allerdings immer bekannt dafür, Geräte zu bauen, die sich intuitiv bedienen lassen. Dementsprechend könnte es gut sein, dass die Umgewöhnungsphase nicht allzu lange dauern wird.

Bislang enthielt der Home-Button auch den Fingerabdrucksensor - das zentrale Sicherheitsfeature des iPhone. Dieses wird nun durch Face ID ersetzt, also eine automatische Gesichtserkennung. Neuronale Netzwerke sollen die Nutzer besonders zuverlässig identifizieren. Angeblich funktioniert das unabhängig von den Lichtverhältnissen. Alle Daten werden lokal auf dem neuen Bionic-Chip des Prozessors verarbeitet und landen nicht auf Apples Servern.

Das Authentifizierungssystem unterstützt Apple Pay sowie Apps von Drittanbietern wie den Passwort-Manager 1Password. Während dessen biometrische Authentifizierung eine Fehlerrate von 1:80 000 aufwies, soll die neue Face-ID-Technologie viel genauer sein: Nur eins von einer Million Gesichtern werde falsch erkannt. "Ihr Gesicht ist Ihr Passwort" hieß es in dem Werbevideo für das iPhone X. Da stellt sich direkt eine Frage: Wird es Hackern gelingen, das System auszutricksen? Als Samsung sich damit gebrüstet hatte, einen besonders sicheren Irisscanner entwickelt zu haben, knackte Sicherheitsforscher Jan Krissler das Galaxy S8 trotzdem.

Überhaupt wird das der Knackpunkt von Face-ID sein: Wie sicher und wie zuverlässig arbeitet das System? Was passiert im Dunkeln, können auch Brillenträger und iPhone-Nutzer mit Kontaktlinsen ihr Gerät entsperren, ohne fünf Versuche zu benötigen? Andere Hersteller, die auf Irisscanner setzen, haben damit größere Probleme. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass Apple ein bewährtes System wie den Fingerabdrucksensor begräbt, ohne eine ebenso zuverlässige Alternative parat zu haben. Wie gut sich die Technologie im Alltag schlägt, lässt sich aktuell aber noch nicht beurteilen.

Die Kamera (nach eigenen Angaben natürlich die beste, die Apple jemals gebaut hat, so wie alles an diesem iPhone noch nie dagewesen sein soll) kommt mit einem Zwölf-Megapixel-Sensor, bietet dank zweier Objektive echten optischen Zoom und optische Bildstabilisierung sowie eine neue Funktion namens "Portrait Lighting". Bei Porträtaufnahmen kann die Ausleuchtung angepasst werden. Das soll besonders lebendige, stimmungsvolle Porträtfotos ermöglichen.

Glaubt man Apple, arbeitet der neue A11-Bionic-Prozessor bis zu 70 Prozent schneller als der Vorgänger, auch der Grafikchip soll ein Drittel mehr Leistung bieten. Wobei die meisten Nutzer den Unterschied vermutlich kaum bemerken, nur Gamer dürften die Kapazitäten ausschöpfen. Trotzdem hält das iPhone X angeblich zwei Stunden länger durch als das iPhone 8 Plus.

Bei all den Superlativen ist auch der Preis rekordverdächtig: Mit einem Einstiegspreis von 1149 Euro für die 64-GB-Version ist es das teuerste Smartphone, das Apple jemals gebaut hat. Wer 256 GB Speicherplatz benötigt, muss 1319 Euro ausgeben. Wer sich noch nicht sicher ist, ob er so viel Geld investieren will, hat noch etwas Bedenkzeit: Das iPhone X wird erst am 3. November ausgeliefert, Vorbestellungen beginnen eine Woche davor am 27. Oktober.

iPhone 8, Apple Watch und Apple TV

iPhone 8

Gäbe es das iPhone X nicht, würden jetzt alle über das iPhone 8 reden. Das ist zwar "nur" ein Update des iPhone 7 - aber auch das war ja "nur" ein Update des iPhone 6s, das wiederum "nur" ein Update des iPhone 6 war. Trotzdem wurden all diese Smartphones in eigenen Keynotes vorgestellt und mussten sich das Rampenlicht nicht mit einem großen Bruder teilen, der sämtliche Aufmerksamkeit absorbiert.

Weil sich aber nun mal niemand seine Geschwister aussuchen kann, musste sich das iPhone 8 mit wenigen Minuten Bühnenpräsenz begnügen. Zusammengefasst kann man sagen: Das iPhone 8 ist das iPhone 7 mit neuem Prozessor, einer verbesserten Kamera und einer Rückseite aus Glas, die drahtloses Laden ermöglicht. Das True-Tone-Display, bislang dem iPad Pro vorbehalten, nimmt einen automatischen Weißabgleich vor und soll Farben natürlicher darstellen.

All das sind brauchbare Neuerungen, aber eben keine spektakulären. Wer ein iPhone 7 besitzt, wird sich zweimal überlegen, ob er 799 Euro für ein iPhone 8 mit 64 GB ausgibt oder sein iPhone 7 Plus durch den Nachfolger für 909 Euro ersetzt.

Interessanter wird die Frage für Nutzer, die bereits wissen, dass sie definitiv ein neues iPhone wollen oder benötigen, etwa, weil das alte Gerät kaputt ist: Knapp 250 Euro liegen zwischen iPhone 8 Plus und iPhone X - wird diese Differenz und die psychologische Schwelle von 1000 Euro viele mögliche Käufer zögern lassen? Oder spielt die Summe ohnehin keine so große Rolle, weil die meisten Kunden ihr Smartphone zusammen mit dem Mobilfunkvertrag kaufen und es über die Laufzeit in Raten abbezahlen?

Womöglich könnte es Apple auch entgegenkommen, wenn sich einige Interessenten vom happigen Neupreis abschrecken lassen. Der späte Liefertermin Anfang November deutet auf Engpässe bei der Produktion hin, insbesondere hochwertige OLED-Displays können aktuell noch nicht in hohen Stückzahlen produziert werden. Hier ist Apple von seinen Zulieferern abhängig, zu denen auch der wohl erbittertste Konkurrent Samsung zählt. Insofern wäre Apple wohl ohnehin nicht in der Lage, die Nachfrage zu decken, wenn die Preisgestaltung auf dem Niveau eines "normalen" iPhones läge.

Apple Watch

Neben den beiden Smartphones erhält auch die Apple Watch ein großes Update, vermutlich das wichtigste seit es sie gibt: Die neue Generation der Smartwatch gleicht optisch zwar dem Vorgängermodell, kommt aber mit einem LTE-Modul und wird damit unabhängig vom iPhone. Nutzer können mit ihr telefonieren oder Musik streamen, ohne ein Smartphone in der Tasche zu haben.

Das ist beispielsweise für Jogger eine deutliche Verbesserung: Wer beim Laufen Musik hören will, muss künftig nur noch Apple Watch und Kopfhörer mitnehmen und kann das iPhone zu Hause lassen. Die dritte Generation der Uhr kann mit LTE-Modul vom 15. September an für Preise ab 449 Euro vorbestellt werden. Die Varianten ohne Mobilfunkverbindung kosten in Abhängigkeit vom gewählten Armband mindestens 369 Euro. Ausgeliefert werden beide Versionen vom 22. September an.

Apple TV

Nach langem Warten unterstützt Apples TV-Box endlich 4K-Auflösung, die Konkurrenz war in diesem Punkt deutlich früher dran. Der neue Apple TV soll außerdem Bilder mit High Dynamic Range (HDR) liefern, die bessere Farbdarstellung und einen größeren Kontrastumfang bieten. Passend dazu bietet Apple im iTunes-Store Filme in 4K-Auflösung an. Zwei gute Nachrichten: Sie kosten dasselbe wie normale Full-HD-Videos, und bestehende Filme können gratis in hochauflösendes Material umgetauscht werden. Für die TV-Box mit 32 GB Speicher verlangt Apple 199 Euro, der doppelte Speicherplatz kostet 20 Euro mehr.

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