Internet:Das verbirgt sich hinter dem Darknet

Kampf um Meinungsführerschaft

Es gibt verschiedene Gründe, aus denen Menschen online anonym bleiben möchten.

(Foto: imago/ITAR-TASS)
  • Das Darknet ist ein Umschlagplatz für illegale Waren wie Waffen oder Kinderpornografie.
  • Klassische Suchmaschinen können die Seiten nicht finden. Nutzer brauchen dafür spezielle Software, etwa den Tor-Browser.
  • Im Darknet tummeln sich nicht nur Kriminelle, sondern auch Menschen, die aus nachvollziehbaren Gründen anonym bleiben wollen - etwa Dissidenten und Whistleblower.

Von Simon Hurtz

Schon der Name klingt wenig vertrauenserweckend: Darknet, das dunkle Netz. Dort hat sich der Amokläufer von München seine Tatwaffe besorgt. Und Ermittler heben dort Plattformen aus, über die Kinderpornografie getauscht wird, mit manchmal zehntausenden Nutzern. Was ist das für eine digitale Schattenwelt?

Wer Katzenbilder will, sucht im normalen Web - wer Koks, Kinderpornos und gehackte Kreditkartendaten braucht, taucht ab ins Darknet. Soweit das Klischee, und wie die meisten Klischees hat auch dieses einen wahren Kern. Tatsächlich tummeln sich viele Kriminelle im Darknet. Dort handeln sie anonym mit illegalen Waren und Dienstleistungen. Man kann dort nicht nur Waffen kaufen, sondern auch gleich Auftragskiller beauftragen oder Hacker dafür bezahlen, eine Webseite anzugreifen. Bezahlt wird fast immer mit der Kryptowährung Bitcoin, damit beide Geschäftspartner unerkannt bleiben.

Man könnte das Darknet mit einer Favela vergleichen: Wer sich nicht auskennt, ist hoffnungslos verloren, ohne Kontakte und Beziehungen kommt man nicht weit. Es gelten eigene Gesetze, Polizisten trifft man dort meist inkognito. Ab und zu gibt es Razzien, doch die großen Fische gehen dabei selten ins Netz.

Der Tor-Browser weist den Weg ins Darknet

Um eine Favela zu betreten, reichen zwei Füße. Für den Einlass ins Darknet braucht es eine Software, etwa den Tor-Client. Er verbirgt die IP-Adresse und verschleiert damit die Identität der Nutzer. Das funktioniert mit Hilfe eines Prinzips, das an eine Zwiebel und ihre Schichten erinnert. Jede Anfrage wird durch mindestens drei Tor-Server geleitet, dabei weiß keiner der Server, woher die Anfrage kommt und wohin sie weitergeleitet wird. Zwischen ihnen werden die Informationen verschlüsselt verschickt und können nicht eingesehen werden. Daher kommt auch das Logo des Tor-Browsers: eine Zwiebel.

Im Darknet lauten die URLs nicht facebook.com oder sueddeutsche.de, sondern wikitjerrta4qgz4.onion (das Onion-Wiki) oder kpvz7ki2v5agwt35.onion (das Hidden-Wiki, beides Verzeichnisse von Darknet-Adressen). Viele Seiten sehen aus wie in den Neunzigern und brauchen auch ähnlich lang, um zu laden. Sie können von klassischen Suchmaschinen wie Google nicht gefunden werden und heißen deshalb hidden services. Derzeit gibt es etwa 50 000 dieser versteckten Seiten. Eine der bekanntesten war die sogenannte Silk Road, das "Amazon für Drogen".

Zwei Forscher haben gut 5000 hidden services untersucht und auf mehr als der Hälfte der Seiten illegale Inhalte gefunden: "Wirklich entsetzliches Zeug, das durchweg in unseren modernen Gesellschaften geächtet wird", sagte einer der Forscher. Meist handle es sich um Drogen, Geldwäsche oder illegale Pornografie, darunter Videos von Vergewaltigungen, Sodomie und Pädophilie.

Auch Dissidenten und Whistleblower nutzen das Darknet

Doch genau wie eine Favela ist das Darknet mehr als eine zwielichtige Unterwelt, in der nur Kriminelle unterwegs sind. Auch vollkommen legale Webseiten haben Onion-Adressen, so zum Beispiel Facebook. Über die Seite https://facebookcorewwwi.onion/ können etwa Dissidenten in autoritären Regimen eine verschlüsselte Version des sozialen Netzwerks aufrufen, selbst wenn die Regierung die Seite eigentlich zensiert. Facebook selbst erfährt zwar ihre Identität, die Verbindung kann aber von außen nicht eingesehen werden.

Auch während des arabischen Frühlings nutzten die Protestierenden den Tor-Browser, um sich zu schützen. Für Whistleblower ist das Darknet ein wichtiges Hilfsmittel: Journalisten des US-Magazins The New Yorker haben dort 2013 einen digitalen Briefkasten eingerichtet, damit ihnen anonyme Hinweise zugespielt werden können. Mittlerweile nutzen auch die Washington Post, der Guardian und weitere Medien eine Seite im Darknet, um mit Informanten in Kontakt zu treten.

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